Ich bin ein wenig spät dran heut, aber ich lasse selbstredend keinen Mittwoch ohne neue Buch-Rezension verstreichen, denn die kommt jetzt!
Ein Wispern unter Baker Street
Peter-Grant-Reihe 3
Whispers Under Ground, UK 2012, 448 Seiten
© dtv
Ben Aaronovitch
Christine Blum
Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-21448-3
Fantasy | Abenteuer | Krimi | Komödie
Inhalt:
Ich war nicht gerade begeistert, denn der Sonntag ist einer der wenigen Tage, an denen ich morgens nicht am Schießstand trainieren muss, und meine Pläne hatten eigentlich daraus bestanden, gründlich auszuschlafen und mir später im Pub das Fußballspiel anzuschauen.
In der Woche vor Weihnachten wird im U-Bahn-Tunnel nahe der Station Baker Street eine unbekannte Person ermordet aufgefunden und schnell ist den verantwortlichen Ermittlern klar, dass es etwas faul ist an der Sache und folglich wird Police Constable Peter Grant kontaktiert, der bekanntermaßen für die eher außergewöhnlichen und übernatürlichen Fälle eingesetzt wird. Und tatsächlich spürt er auch einen gewissen magischen Einfluss, während sich das Mordopfer als Sohn eines US-Senators entpuppt. Dumm nur, dass das auch mit sich bringt, dass FBI-Agentin Kimberley Reynolds aus den Staaten herübergeschickt wird, um den Ermittlungen beizuwohnen, denn während die Polizei von London zumindest grob um Peters "Spezialgebiet" weiß, besteht natürlich wenig Interesse daran, dass die Amerikaner Wind von der Existenz magischer Kreaturen und dergleichen bekommen. Dessen ungeachtet begibt sich Peter gemeinsam mit Kollegin Lesley immer tiefer in den Londoner Untergrund, nicht ahnend, was oder wen er damit womöglich aufschreckt…
Rezension:
Auch wenn mich die Flüsse-von-London-Reihe bislang noch nicht so recht hat packen können und ich insbesondere Schwarzer Mond über Soho als zweiten Band doch für ziemlich behäbig und verworren befunden habe, bleibe ich natürlich einstweilen dennoch am Ball und sei es, weil der Verlag es dereinst gut mit mir gemeint hat und ich hier noch einige Vertreter der Reihe liegen habe, die nun einmal gelesen werden wollen. Immerhin bietet Ein Wispern unter Baker Street mehr als nur einen Lichtstreif am Horizont, denn trotz leichter Längen und Irrläufe im letzten Drittel hat mich dieser Band unterhalten wie bislang keiner der Reihe, was dann doch zu hoffen gibt. Von der "Baker Street" im Namen sollte man sich allerdings nicht zu viel versprechen, denn abgesehen von einer kleinen Sherlock-Referenz gibt das Buch in dieser Hinsicht nicht viel her, derweil im Gegenzug Protagonist Peter Grant nicht müde wird, allerlei Popkultur-Referenzen zu bemühen, an deren Spitze sich auch hier wieder Harry Potter sowie Der Herr der Ringe befinden.
Bahngleise sind tödlich. Jedes Jahr kommen etwa sechzig Leute zu Tode, weil sie leichtsinnig irgendwelche Bahngleise überqueren. Der einzige Lichtblick dabei ist, dass dafür die BTP – die British Transport Police – zuständig ist und nicht ich.
Zuweilen wurde es mir zwar etwas viel mit derlei Anspielungen, andernorts passten sie aber wiederum sehr gut, derweil mir hier auch die humorige Note, der flapsige Ton des Ich-Erzählers Peter deutlich präsenter und prägnanter schien. Doch es wird auch spannend und mysteriös in Ein Wispern unter Baker Street, wobei natürlich alles vergleichsweise harmlos beginnt mit einem Mord, bei dem Peter ein Vestigium wahrnimmt, das ihn dazu veranlasst, genauer nachzuforschen. Mit dabei ist diesmal auch wieder die langsam genesende Lesley, was eine schöne Gruppendynamik mit sich bringt, zumal sie ihren Kollegen mit trocken-sarkastischen Sprüchen auf die Schippe zu nehmen weiß. Von ihr über Nightingale und Molly sowie einige wiederkehrende Gesichter bei der Polizei darf man sich auf Begegnungen mit allerhand bekannten Figuren freuen, während auch aktiv auf den Vorgänger Bezug genommen wird, wo Peter erstmalig einem anderen, ihm nicht gerade freundlich gesinnten Magier begegnet, der hier zwar nur am Rande ein Rolle spielt, aber sicherlich auch noch in zukünftigen Veröffentlichungen zum Tragen kommt.
Ähnliches gilt wohl für die einleitende Story, denn bevor der Mord sich überhaupt ereignet – oder zumindest die Leiche entdeckt wird – macht Peter Grant in Begleitung die Bekanntschaft mit einem ruhelosen Geist, was allerdings den Rest der Woche nicht mehr thematisiert werden wird. Ein Wispern unter Baker Street unterteilt sich nämlich neben Kapiteln in einzelne Wochentage, was ich als sehr gelungen empfand, um auch den Überblick in Sachen zeitlicher Ablauf der Ereignisse zu erhalten, die unseren Erzähler und angehenden Magier zwar nicht immer tiefer in den Kaninchenbau, dafür aber immer weiter in den Londoner Untergrund führen, wobei selbstredend auch so manche Begegnung mit den Flüssen von London nicht ausbleiben darf. Und während sich deren Wege stetig kreuzen und Peter sich an frühere Abenteuer – oder auch Verfehlungen – erinnert fühlen darf, referiert der architektur- und geschichtsinteressierte Constable natürlich auch in gewohnter Manier zur Geschichte Londons und dessen Entstehung.
Lesley wollte von Abigail wissen, was sie sich dabei gedacht hatte, überhaupt hier reinzugehen.
»Ich hab den Hogwarts-Express gesucht.«
Nicht den echten, wie sie sofort einräumte. Weil, den gab’s ja nur in den Büchern, stimmt’s? Aber ihre Freundin Kara, von deren Wohnung aus man die Gleise sehen konnte, hatte erzählt, dass sie dort ab und zu eine Dampflok sah, von der sie glaubte, es könne die sein, die man verwendet hatte.
Die Abschweifungen zu historischen Begebenheiten Londons könnten derweil manches Mal kürzer ausfallen oder werden in unpassenden Momenten eingeschoben, lockern das Geschehen aber grundsätzlich auf gelungene Art auf, während die eigentliche Story hier trotz Schlenkern deutlich aufgeräumter und zielgerichteter wirkt. Schön auch, Peter Grant jetzt ein wenig häufiger zaubern zu sehen, denn in der Vergangenheit war er ja doch sehr zurückhaltend, was seine Formae angeht, wobei die Regeln zur Nutzung selbiger hier behutsam ausgebaut werden. Lediglich im letzten Drittel scheint Autor Aaronovitch erzählerisch ein wenig aus dem Tritt zu geraten, derweil sich die Ereignisse zuletzt regelrecht überschlagen und sowohl ein Täter als auch weitere Geheimnisse aus Londons Untergrund aus dem Hut gezaubert werden. Aber dramaturgisch wie konzeptionell ist Ein Wispern unter Baker Street ein merklicher Schritt nach vorne, weshalb ich mich nunmehr auch freue, demnächst mit Der böse Ort fortfahren zu können, der hoffentlich mehr zu dem gesichtslosen Magier bereithält.
Ein Wispern unter Baker Street
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Magische Geheimnisse im Großraum London - 7.5/10
7.5/10
Fazit & Wertung:
Mit Ein Wispern unter Baker Street setzt Ben Aaronovitch seine Reihe um den magisch begabten Peter Grant gelungen fort, baut auf frühere Geschichten und vorhandene Stärken aus, während er sich in Sachen Storytelling weit fokussierter gibt, als es zuletzt der Fall gewesen ist. Im letzten drittel nicht frei von Längen, aber dennoch ein rundherum überzeugender und vor allem witziger Urban-Fantasy-Roman.
Weitere Details zum Autor und dem Buch findet ihr auf der Seite des Deutschen Taschenbuch Verlages.
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Ein Wispern unter Baker Street ist am 01.06.13 bei dtv erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!