Review: Family Business – Ein Fall für Delpha | Lisa Sandlin (Buch)

Ich habe tatsächlich mal wieder einen waschechten Krimi gelesen und was soll ich sagen, der hat mir sehr gut gefallen, was aber abzusehen war, da ich ja immerhin die Protagonistin schon kannte. Nachfolgend nun meine Eindrücke zu ihrem zweiten Fall.

Family Business
Ein Fall für Delpha

The Bird Boys, USA 2019, 357 Seiten

Family Business - Ein Fall für Delpha von Lisa Sandlin | © Suhrkamp
© Suhrkamp

Autorin:
Lisa Sandlin
Übersetzerin:
Andrea Stumpf

Verlag (D):
Suhrkamp
ISBN:
978-3-518-47028-2

Genre:
Krimi | Drama

 

Inhalt:

Sobald die Polizei das Büro freigegeben hatte, beförderte Phelan das gelbe Absperrband in den Müll und beauftragte eine Reinigungsfirma damit, mit einem Dampfstrahler das Blut vom Holzboden zu entfernen und den Fleck abzuschleifen.

Nachdem sich Delpha Wade mit einer Whiskeyflasche beherzt einem Serienmörder entgegengestellt hat, befindet sie sich im Krankenhaus, doch obwohl man ihrem Boss Tom Phelan zugesichert hatte, dass man sie dafür nicht belangen würde, wird sie schließlich auf die Polizeiwache gebracht und Tom besorgt ihr kurzerhand einen Anwalt, wobei sich tatsächlich schnell herauskristallisiert, dass es sich um einen Fall von Notwehr gehandelt hat. Zunächst ist Delpha also wieder auf freiem Fuß und nimmt ihre Stelle als Bürokraft bei Phelan Investigations wieder auf, wobei sie freilich weit mehr tut als Kaffee kochen und Akten sortieren, denn selbst der eigentliche Privatermittler Tom ist eigentlich noch sehr unerfahren auf seinem Gebiet. Entsprechend fordernd ist ihr neuester Fall, als Xavier Bell die Detektei bittet, seinen zwei Jahre jüngeren Bruder aufzuspüren, mit dem er sich auszusöhnen gedenkt, denn schnell wird Tom und Delpha klar, dass er mit einigen wichtigen Informationen hinter dem Berg hält und womöglich gar gelogen hat, was seine eigene Identität betrifft…

Rezension:

Als ich seinerzeit Ein Job für Delpha las, muss ich zugeben, nicht unbedingt damit gerechnet zu haben, der tatkräftigen wie wehrhaften Ermittlerin Delpha Wade, die ja eigentlich nur als Bürokraft bei Phelan Investigations angeheuert hat, erneut zu begegnen. Dabei ist es ja heutzutage durchaus gang und gäbe, aus jedwedem Kriminalfall eine ganze Reihe um den Protagonisten zu stricken, wozu Miss Wade – wir befinden uns schließlich im Texas des Jahres 1973 – allemal ebenfalls taugt. Interessant ist, dass Family Business – Ein Fall für Delpha rund vier Jahre nach dem Erstling erschienen ist, Autorin Lisa Sandlin aber gar nicht den so beliebten Weg geht, einfach einige Monate oder Jahre später mit dem nächsten fall fortzufahren, sondern ihre Geschichte nur wenige Stunden bis Tage nach dem Ende des ersten Romans ansiedelt. Damit muss Delpha sich auch erst einmal mit den Konsequenzen ihrer Taten herumschlagen, hat sie schließlich – und das nicht zum ersten Mal – in Notwehr einen Mann getötet. Dem eilends von Tom Phelan bestellten Anwalt gelingt es aber freilich, Delpha vor einer Inhaftierung zu bewahren und so rauft sich das ungewöhnliche Ermittler-Duo alsbald wieder zusammen, um den nächsten Job in Angriff zu nehmen.

Er wusste, was in seinem Büro passiert war, weil er gleich danach dort eingetroffen war. Die Cops würden sie fragen, wer den Kampf angefangen hatte, der Mann, der ins Büro gekommen war, oder Delpha.

Zugegebenermaßen ist der gar nicht einmal so spektakulär geraten und oft genug würde man meinen, es ginge Sandlin gar nicht so sehr um die Auflösung des Ganzen (wohl aber der akribischen Delpha und dem ambitionierten Tom), so dass Family Business vor allem anderen auch erst einmal Zeitgeist-Porträt ist und vor dem inneren Auge des Lesers die amerikanischen Siebziger-Jahre lebendig werden lässt. Da kommt die Watergate-Affäre ebenso zur Sprache wie das Tennis-Match zwischen Bobby Riggs und Billie Jean King (das spätestens seit Battle of the Sexes auch hierzulande ein Begriff sein dürfte), während man darüber spekuliert, ob es Aaron Hall gelingen könnte, den Home-Run-Rekord von Babe Ruth einzustellen. Hier gibt es noch Telefonzellen und Telefonbücher, die persönlich überbracht werden, während man zu Recherche-Zwecken die Bibliothek aufsucht oder – ganz neumodisch – dort anruft, um Auskunft zu erbitten. Das ist alles wenig aufregend, aber umso atmosphärischer geschildert, so dass man sich bereitwillig an die Fersen von Tom und Delpha heftet, welche die meiste Zeit ihren jeweiligen Spuren nachgehen, sich treffen, besprechen und wieder ihrer Wege ziehen.

Entsprechend folgen wir im steten Wechsel entweder Tom Phelan oder Delpha Wade, was eine schöne Dynamik erzeugt, derweil die eigentliche Ermittlungsarbeit auf eine angenehme Form kleinteilig und mühselig geschildert wird, ohne dass sich dies auf den Leser übertragen würde. Derweil baut Sandlin gekonnt die bereits etablierten Charaktere aus und lässt einem nicht nur Delpha noch mehr ans Herz wachsen, die natürlich immer noch an ihrer Zeit im Gefängnis zu knabbern hat, schließlich liegt der letzte Fall – und somit auch ihre Haftentlassung – lediglich Tage zurück. Wie das aber immer so ist in einer Privatdetektei, bleibt es aber nicht nur beim übergeordneten Fall für die beiden, sondern zwischenzeitlich gilt es auch profanere Ermittlungen durchzuführen, was für stimmungsvolle Abwechslung sorgt. So kommt der gesamte Roman im Vergleich zu manchem Hardboiled-Krimi ausgemacht leichtfüßig daher, ohne dabei ernste Themen auszusparen oder sich nicht auch an Versatzstücken des Genres zu bedienen. Dass Family Business dabei nicht in die Inhaltsschwere oder gar Klischees und ausgelatschte Erzählmuster abrutscht, verdankt der Roman dabei vor allem seinen beiden liebenswerten Hauptfiguren, deren gegenseitige Zuneigung hier behutsam und sacht vertieft werden wird.

Die frisch genähte, tiefe Wunde fühlte sich an, als würde vom Nabel bis zum Rückgrat ein Haken in ihr stecken. Ihr Bauch war verkrampft und brannte.
Aber als Miles Blankenship in seinem schicken Anzug kam, wurde Delpha Wade fiebrig leicht und sie bekam weiche Knie. Ein Anwalt wie aus dem Bilderbuch. Er ging, als würde die Straße sich eigens für ihn ausrollen. In einem Anzug, der aussah, als wäre er eigens für ihn genäht worden.

Streckenweise droht das Geschehen zwar ein wenig zu zerfasern, wenn sich Ermittlungsarbeit, Alltagsbetrachtungen, Erinnerungen an die Gefängniszeit und zeitgeschichtliche Querverweise aneinanderreihen, Delpha und Tom immer weiter in die rätselhafte Vergangenheit ihres Klienten abtauchen, der es ihnen nicht gerade leicht macht, seinen Bruder ausfindig zu machen, ganz zu schweigen davon, dass er sie über seine eigentlichen Beweggründe – und wiederum deren Hintergründe – lange Zeit im Unklaren lässt. So kann ich auch bei diesem zweiten Band zwar nicht behaupten, dass es sich um einen Vertreter der Kategorie "Must-Read" handeln würde, doch hatte ich durchaus meine Freude mit dem neuesten Fall für Delpha Wade, dessen größtes Geheimnis wohl bleiben wird, weshalb man den im Original als The Bird Boys betitelten Band zu Family Business " einzudeutschen " meinte. Durch die vielschichtige und abwechslungsreiche Erzählweise allerdings hat mir dieser zweite Fall tatsächlich besser gefallen als der Erstling, obwohl das Finale diesmal nicht annähernd so reißerisch und persönlich ausfällt wie in Delphas Debüt.

Fazit & Wertung:

Mit Family Business – Ein Fall für Delpha führt Lisa Sandlin ihre vier Jahre zuvor begonnene Erzählung um Ermittlerin Delpha Wade kongenial fort und übertrumpft sich dabei teils selbst. So überzeugt der Roman mit einem gelungenen Mix aus Zeitkolorit, akribischer Recherche und Ermittlungsarbeit und einem ungemein sympathischen Detektiv-Duo.

7,5 von 10 zunächst unscheinbaren Aufträgen für "Phelan Investigations"

Family Business – Ein Fall für Delpha

  • Zunächst unscheinbare Aufträge für "Phelan Investigations" - 7.5/10
    7.5/10

Fazit & Wertung:

Mit Family Business – Ein Fall für Delpha führt Lisa Sandlin ihre vier Jahre zuvor begonnene Erzählung um Ermittlerin Delpha Wade kongenial fort und übertrumpft sich dabei teils selbst. So überzeugt der Roman mit einem gelungenen Mix aus Zeitkolorit, akribischer Recherche und Ermittlungsarbeit und einem ungemein sympathischen Detektiv-Duo.

7.5/10
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Weitere Details zum Buch und der Autorin findet ihr auf der Seite von Suhrkamp. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Family Business – Ein Fall für Delpha ist am 17.02.2020 im Suhrkamp Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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