Review: American Jesus 2: Der neue Messias (Graphic Novel)

Widmen wir uns heute mal wieder einer Millar-Arbeit, mit der eine vor mehr als anderthalb Jahrzehnten begonnene Geschichte fortführt, die vor gar nicht allzu langer Zeit erstmals auch hierzulande erschienen ist.

American Jesus
Der neue Messias

American Jesus Book 2: The New Messiah, USA 2020, 100 Seiten

American Jesus 2: Der neue Messias | © Panini
© Panini

Autor:
Mark Millar
Zeichner:
Peter Gross

Verlag (D):
Panini Verlag
ISBN:
978-3-741-61946-5

Genre:
Drama | Mystery | Fantasy

 

Inhalt:

Im Harlem der 1970er-Jahre wird die vierzehnjährige Luciana Cortez von merkwürdigen Träumen geplagt, in denen ein vermeintlicher Engel zu ihr spricht. Während man sie zu beschwichtigen versucht, der Sache keine Bedeutung beizumessen, erweisen sich ihre Träume alsbald als prophetisch, denn Lucia wird schwanger, ohne dass sie je mit ihrem Freund geschlagen hätte, auch wenn ihr natürlich niemand glaubt. Ihr Freund Eddie allerdings hält unbeirrt zu ihr und letztlich sind die beiden überzeugt, dass die Geburt ihrer Tochter mit göttlicher Einmischung einhergegangen sein muss. Gemeinsam flüchten sie nach Waco, Texas, wo sie Unterschlupf bei einer Gruppe religiöser Verbündeter finden, auch wenn die abgeschottete Kommune nach außen hin wie eine Sekte wirken mag. Diesen Eindruck hat auch Catalina – Lucianas Tochter – sechzehn Jahre später, denn dass sie über außergewöhnliche Kräfte verfügen und das wiedergeborene Kind Gottes sein soll, kann die Teenagerin beim besten Willen nicht glauben. Schlussendlich entschließt sie sich zur Flucht, nicht ahnend, dass ihr großer Widersacher bereits seine Schergen darauf angesetzt hat, sie zu finden und zu eliminieren, bevor ihre Kräfte zutage treten…

Rezension:

Nachdem es keine anderthalb Monate her ist, dass ich an dieser Stelle bereits American Jesus 1: Der Auserwählte rezensiert und besprochen habe, stand nun beinahe postwendend auch American Jesus 2: Der neue Messias ins Haus, während sich Fans der ersten Stunde ganze sechzehn Jahre gedulden mussten, bevor sie dieser Tage die Fortsetzung in Händen halten konnten. Dabei muss ich gestehen, dass mir im Vorfeld nicht klar gewesen ist, dass Millar nun eben nicht "nur" eine Fortsetzung ins Auge gefasst hat, sondern die Story von American Jesus (das früher einmal schlicht Chosen hieß) nun als Trilogie zu kredenzen gedenkt. Das hat einerseits zur Folge, dass man sich wieder einmal gedulden muss, bevor die Geschichte – nach hoffentlich weniger als zwei Dekaden – zu ihrem Ende kommt, andererseits, dass sich diese Fortsetzung gänzlich anders präsentiert, als ich das erwartet hätte. Der aus dem ersten Band bekannte Jodie Christianson spielt hier entsprechend quasi keine Rolle und um die Kehrseite der Medaille zu beleuchten, springt die Geschichte gar ein weiteres Jahrzehnt – in die 70er – zurück.

Im Grunde eine geniale Idee, nun in einer weiteren Origin-Story zu ergründen, was die himmlischen Kräfte in Gang setzen, um den höllischen Plänen zuvor zu kommen, nachdem wir zum Ende von Band 1 haben erkennen müssen, dass es sich bei Jodie eben mitnichten um den Messias, sondern vielmehr den Antichristen handelt. Dergestalt hinters Licht und in die Irre geführt zu werden, muss man nun bei Der neue Messias nicht fürchten, doch Millar hat natürlich einige Kniffe parat, um das Geschehen spannend und überraschend zu gestalten. So dauert es eine ganze Weile, bis man als Leser mit Catalina bekannt gemacht wird, die aber nun wirklich der wiedergeborene Messias sein soll. Doch wie das eben so ist mit Jugendlichen, will sie von ihrer Bestimmung nichts wissen, hält ihre Eltern für Opfer einer fanatischen Sekte und tatsächlich klingt vieles von dem, was die einsiedlerischen Christen da so von sich geben, wie eine ausgemachte Verschwörungstheorie. Das ergibt ein erzählerisch spannendes Konstrukt, denn wir wissen ja längst, dass tatsächlich finstere Mächte im Verborgenen die Macht des Antichristen zu stärken versuchen und dennoch gibt es nicht wenige Momente, in denen man ganz auf Catalinas Seite steht und nicht glauben mag, was die vermeintlichen Sektenmitglieder so von sich geben.

Der zentrale Konflikt zwischen Catalina und ihrer Mutter Luciana wird dabei ebenso schön herausgearbeitet wie die Tragik und Einsamkeit, die mit der Rolle einhergeht, in die Catalina unfreiwillig gedrängt wird, ja wortwörtlich hineingeboren worden ist. Dergestalt steht American Jesus 2: Der neue Messias seinem großartigen Vorgänger in nichts nach, auch wenn die Geschichte von Luciana vielleicht etwas knapper hätte vermittelt werden können, um den Fokus noch ein wenig mehr auf ihre von Gott gesandte Tochter zu lenken, aber das ist Jammern auf höchstem Niveau und die Vorarbeit hilft, beide Sichtweisen – die der Mutter und die der Tochter – verständlicher und nachvollziehbarer zu machen. Vor allem aber nimmt die Geschichte auch hier mit jeder weiteren Seite, jeder weiteren Entwicklung an Fahrt auf und mündet in ein überraschend spektakuläres Finale, dessen schlussendliche Bedeutung im Finale weiter wird ergründet werden müssen.

Ansonsten merkt man zuweilen deutlich, wie viel Zeit vergangen ist zwischen den beiden ersten Teilen dieser Trilogie, was in dem Fall aber ausschließlich positiv konnotiert ist, denn einerseits wirkt Millars Erzählstil mittlerweile noch einmal deutlich ausgeprägter und eleganter, andererseits hat sich auch der Zeichenstil von Peter Gross merklich entwickelt, obwohl der das Zeichnen zwischenzeitlich gar neu hat erlernen müssen, da ein Handtremor und mit diesem einhergehende OPs es ihm zwischenzeitlich nicht ermöglicht haben, einen Zeichenstift in Händen zu halten, derweil er nun gänzlich aufs digitale Arbeiten umgestiegen ist. Derlei und weiteres Interessante erfährt man übrigens im nachgelagerten, überraschend umfangreichen Gespräch zwischen Millar und Gross, die sich über den Werdegang, die lange Pause und selbstredend auch die anstehende Netflix-Adaption auslassen. Auch für üppiges "Bonusmaterial" ist also gesorgt und so macht auch American Jesus 2: Der neue Messias eine rundherum gelungene Figur, auch wenn die Geschichte um Jodie Christianson zumindest in diesem Band in keiner Weise fortgeführt wird und die Bände bislang nur thematisch miteinander verbunden sind. Bleibt lediglich zu hoffen, dass American Jesus 3 nicht ganz so lange auf sich warten lassen wird und den epischen Konflikt zwischen Himmel und Hölle ansprechend aufzulösen vermag.

Fazit & Wertung:

Gleichwohl anderthalb Jahrzehnte vergangen sind seit dem ersten Teil und Millar sich in American Jesus 2: Der neue Messias einer gänzlich neuen, quasi parallel verlaufenden Story widmet, bilden doch beide Bände der nunmehr zur Trilogie erklärten Reihe eine spürbare Einheit und wissen im selben Maße zu überzeugen, derweil nun natürlich alles mit dem Abschlussband steht und fällt, dessen Erscheinen allerdings noch in den Sternen steht.

9 von 10 Schergen des Antichristen

American Jesus 2: Der neue Messias

  • Schergen des Antichristen - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Gleichwohl anderthalb Jahrzehnte vergangen sind seit dem ersten Teil und Millar sich in American Jesus 2: Der neue Messias einer gänzlich neuen, quasi parallel verlaufenden Story widmet, bilden doch beide Bände der nunmehr zur Trilogie erklärten Reihe eine spürbare Einheit und wissen im selben Maße zu überzeugen, derweil nun natürlich alles mit dem Abschlussband steht und fällt, dessen Erscheinen allerdings noch in den Sternen steht.

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American Jesus 2: Der neue Messias ist am 20.10.2020 im Panini Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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