Review: American Jesus 1: Der Auserwählte (Graphic Novel)

Holla, da ist es heute aber wieder einmal etwas später geworden als geplant, doch wie schon so oft erwähnt: solange ich vor Mitternacht gebloggt habe, bin ich ja im Plan. In diesem Sinne viel Spaß mit dem heutigen Artikel.

American Jesus
Der Auserwählte

American Jesus Book 1: Chosen, USA 2004, 100 Seiten

American Jesus 1: Der Auserwählte | © Panini
© Panini

Autor:
Mark Millar
Zeichner:
Peter Gross

Verlag (D):
Panini Verlag
ISBN:
978-3-741-61945-8

Genre:
Drama | Mystery | Fantasy

 

Inhalt:

Mit zwölf Jahren lebt Jodie Christianson die typische Kindheit eines Kleinstadt-Jugendlichen in den 1980er-Jahren der USA und interessiert sich für Star Wars und Erwachsenenhefte, doch das beschauliche Idyll wird jäh durchbrochen, als er von einem außer Kontrolle geratenen Truck erwischt wird. Wie durch ein Wunder überlebt Jodie aber und trägt zudem keinerlei Blessuren davon. Zunächst hinter vorgehaltener Hand beginnen die Leute, von einem Wunder zu sprechen und bald kommen auch Jodies Freunde auf den Trichter, dass er womöglich über Kräfte verfügt, von denen er selbst nichts ahnt. Ausgerechnet seine eigene Mutter gibt ihm den letzten Anstoß, einen Versuch zu wagen, den Taten nachzueifern, die den auf Erden wandelnden Erlöser vor rund 2000 Jahren ausgezeichnet haben…

Rezension:

Der – einmal mehr von Mastermind Mark Millar stammende – Dreiteiler American Jesus ist originär bereits 2004 veröffentlicht worden und erfuhr fünf Jahre später eine Neuauflage durch Image Comics, die nun auch schon wieder mehr als eine Dekade zurückliegt. Mit reichlich Verspätung kommt man nun – mittlerweile schreiben wir das Jahr 2020 – auch hierzulande in den Genuss der ersten drei Hefte, denn Millar hat natürlich eine Fortsetzung folgen lassen. Die stammt allerdings aus 2019 und ist wohl auch – gemeinsam mit der fast schon obligatorischen Netflix-Serie, die demnächst ins Haus steht – der Grund, weshalb die Story es in Gänze nun auch zu uns schafft. Eine derartige Fortführung ist aber auch bitter nötig, zumindest willkommen, denn natürlich mündet American Jesus 1: Der Auserwählte in einen garstigen wie überraschenden Cliffhanger, auf den es zwar allerhand Hinweise im Band hat, den man aber dennoch nicht kommen sieht. In sich abgeschlossen ist die Geschichte trotzdem und lesenswert sowieso, was man von den neueren Millar-Sachen nun nicht uneingeschränkt behaupten kann, weil er mit schlafwandlerischer Sicherheit ein ums andere Mal seine erzählerische Erfolgsformel neu kopiert.

Überhaupt wirkt die Geschichte gar nicht mal so typisch Millar und könnte ebenso gut von Stephen King oder dergleichen stammen, denn das Bissige und Sarkastische sucht man hier weitestgehend vergeblich, während sich das Geschehen als ungewöhnliche Coming-of-Age-Story in den nostalgisch verklärten Achtzigern präsentiert. Genau wie der Leser weiß auch der zwölfjährige Jodie Christianson kaum, wie ihm geschieht, als sich nach einem eigentlich tödlichen Unfall langsam herauskristallisiert, das anscheinend Kräfte in ihm schlummern, die an einen anderen berühmten Herren mit den Initialen J.C. erinnern, der vor knapp 2000 Jahren über die Erde gewandelt sein soll. Und natürlich macht es sich Millar zur Aufgabe, mit der damit einhergehenden Erwartungshaltung zu spielen und so lange irgend möglich die Frage offen zu lassen, ob Jodie wirklich der wiedergeborene Heiland sein könnte oder ob man sich da doch mehr zusammen fantasiert, als sich auf Tatsachen zu stützen. Jodie derweil ist aber auch ein Paradebeispiel des unzuverlässigen Erzählers, denn auch wenn er die Story selbst zum Besten gibt und aus dem Off begleitet, weiß man doch immer nicht so recht, ob er einem nicht etwas vorenthält oder durch spezifische Szenenwechsel von Dingen abzulenken versucht.

So wirkt die Story von American Jesus 1: Der Auserwählte auf den ersten Blick sehr geordnet und übersichtlich, exerziert die üblichen Schritte durch und widmet sich auch dem einen oder anderen Nebenschauplatz, während Jodie von seiner Kindheit und Jugend berichtet und wie es war, plötzlich als neuer wiedergeborener Messias betrachtet zu werden. Aber natürlich lauert unter der Oberfläche noch weit mehr und insbesondere der ausführliche Bonusteil im Nachgang weist auf zahlreiche Details hin, die sofort Lust wecken, den Band gleich noch einmal lesen zu wollen, weil man so viele Hinweise und Referenzen verpasst zu haben meint. Und fernab der unweigerlichen popkulturellen Referenzen, die sich bei einer typischen Achtziger-Jahre-Geschichte quasi zwangsläufig ergeben, gibt es hier noch weitaus mehr zu entdecken, zumal Millar nach eigener Aussage selbst praktizierender Katholik ist und sich folglich dem Thema von der Warte des Eingeweihten zu nähern vermag.

So geht es in American Jesus 1: Der Auserwählte auch nicht darum, Katholiken zu verärgern oder möglichst blasphemisch und dadurch provokant daherzukommen, sondern wirklich um eine Art Gedankenexperiment, eine konsequent durchgetaktete Was-wäre-wenn-Geschichte, die mit viel Feingefühl und Gespür für szenischen Aufbau daherkommt. Tatsächlich kommt diesbezüglich dem Band dann auch die Optik von Peter Gross zugute, der mich zunächst mit seiner doch groben Strichführung nicht wirklich einzufangen wusste, tatsächlich mit diesem zurückgenommenen Stil und der erdig-unaufgeregten Farbgebung das Achtziger-Flair noch zu unterstreichen weiß. So gehen hier Story und Zeichnungen im besten Sinne Hand in Hand, wobei ich auch den umfangreichen Blick hinter die Kulissen nicht unerwähnt lassen möchte, denn was sich sonst in einer obligatorischen Cover-Galerie erschöpft, mündet hier in lohnenswerte Einblicke, Ausführungen und Interviews, ganz davon abgesehen, dass schon das Vorwort von niemand Geringerem als Simon Pegg stammt. Bleibt nur noch abzuwarten, ob der bereits in vierzehn Tagen erscheinende Nachfolger American Jesus 2: Der neue Messias das hohe Niveau des Erstlings wird halten können.

Fazit & Wertung:

Mit American Jesus 1: Der Auserwählte hat Mark Millar gemeinsam mit Zeichner Peter Gross eine im besten Sinne unaufgeregte, thematisch und inszenatorisch aber ungemein packende Geschichte abgeliefert, die sich der Frage widmet, wie es gewesen wäre, wenn sich in einer US-Kleinstadt in den 1980ern ein neuer Erlöser offenbart hätte. Auch für Atheisten uneingeschränkt empfehlenswert.

9 von 10 gewirkten Wundern in einer amerikanischen Kleinstadt

American Jesus 1: Der Auserwählte

  • Gewirkte Wunder in einer amerikanischen Kleinstadt - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Mit American Jesus 1: Der Auserwählte hat Mark Millar gemeinsam mit Zeichner Peter Gross eine im besten Sinne unaufgeregte, thematisch und inszenatorisch aber ungemein packende Geschichte abgeliefert, die sich der Frage widmet, wie es gewesen wäre, wenn sich in einer US-Kleinstadt in den 1980ern ein neuer Erlöser offenbart hätte. Auch für Atheisten uneingeschränkt empfehlenswert.

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American Jesus 1: Der Auserwählte ist am 25.08.2020 im Panini Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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