Review: Joe Hill: Das Puppenhaus (Graphic Novel)

Wie man sieht, kann ich es noch, wenn ich nur will. Gemeint ist, einmal nicht erst gegen 22:00 Uhr am Montagabend zu bloggen, sondern stattdessen mal wieder zu gefälligerer Zeit ums Eck zu kommen.

Joe Hill
Das Puppenhaus

The Dollhouse Family #1-6, USA 2020, 160 Seiten

Joe Hill: Das Puppenhaus | © Panini
© Panini

Autor:
M.R. Carey
Zeichner:
Peter Gross

Verlag (D):
Panini Verlag
ISBN:
978-3-741-62013-3

Genre:
Horror | Mystery | Drama | Thriller

 

Inhalt:

Ausschnitt aus Joe Hill: Das Puppenhaus | © Panini

Im Jahre 1979 erbt die sechsjährige Alice von ihrer verstorbenen Großtante ein antikes Puppenhaus. Während ihre Eltern sich in einer Tour streiten und ihr Vater immer öfter gewalttätig wird, flüchtet sich das Kind immer häufiger zu den Bewohnern des Puppenhauses. Außenstehende würden meinen, sie unterhalte sich mit imaginären Freunden, doch tatsächlich sind die Gestalten mehr als real und locken Alice ein ums andere Mal in ihre Alternativwelt, wo das Leben so viel besser und sorgloser ist. Das eigentliche Leben setzt Alice allerdings zunehmend zu und das Haus selbst scheint ihr letztlich einen Ausweg anzubieten. Noch ahnt Alice nicht, wie lange sie der Fluch des Hauses verfolgen wird, oder woher er überhaupt stammt. Um das zu erfahren, muss man sich dem Leben von Joseph Kent zuwenden, der rund 150 Jahre zuvor in einer versteckten Höhle eine verstörende Begegnung macht. Während Joseph zu seiner Zeit miterleben muss, wie sein Leben zusehends aus der Bahn gerät, wächst Alice zur jungen Frau heran, ohne allerdings je dem Einfluss des Puppenhauses wirklich entkommen zu sein…

Rezension:

Ich muss ja zugeben, anfangs etwas skeptisch gewesen zu sein, was Das Puppenhaus betrifft, denn einerseits wirkt das Thema auf den ersten Blick ziemlich ausgelutscht, andererseits war es dem Umstand geschuldet, dass zwar noch immer prestigeträchtig der Name Joe Hill auf dem Cover prangt, er nach dem Auftaktband seiner Hill-House-Comics-Reihe Ein Korb voller Köpfe nun nur noch als Schirmherr, sozusagen Präsentator der folgenden Geschichten fungiert. Immerhin, M.R. Carey – auch bekannt als Mike Carey (Der Fluch von Rowans Rise) – ist nun auch kein unbeschriebenes Blatt und hat beispielsweise auch die Vorlage und das Drehbuch zu The Girl with All the Gifts geschrieben. Insofern durfte man dennoch gespannt sein, was er nun hier gemeinsam mit Zeichner Peter Gross – der hier jüngst erst mit American Jesus Erwähnung fand – zu Papier bringen würde. Und tatsächlich ist die Story längst nicht so banal oder einfallslos geraten, wie man hätte befürchten können, sondern tatsächlich sogar ungemein vielschichtig, mysteriös und anspruchsvoll. Dabei erstreckt sich das Geschehen grob über zwei Zeitebenen, auch wenn der konkrete Zusammenhang erst spät offenbar wird.

Ausschnitt aus Joe Hill: Das Puppenhaus | © Panini
© Panini

So erfordert die im Original als The Dollhouse Family betitelte Story auch ein Stück weit langen Atem, was die zugrundeliegenden Zusammenhänge betrifft, bleibt dabei aber stets spannend und angenehm beklemmend. Zugegeben, echten Grusel vermag eine Graphic Novel bei mir nur schwerlich zu erzeugen, doch die Atmosphäre und das Thema empfinde ich als sehr gelungen, zumal Das Puppenhaus nun in eine gänzlich andere Richtung geht als Hills Auftaktband, der zumindest zu Beginn wie ein klassischer Eighties-Teenie-Slasher gewirkt hat. Hier nun bekommt man es weit eher mit einer Art viktorianischem Horror zu tun, wenn man so will, derweil es aber auch bei Carey eine in den Achtzigern einsetzende Geschichte gibt, die sich der damals noch sechsjährigen Alice widmet, die ihrerseits im Verlauf der Handlung das Geschehen in die Gegenwart transportieren wird. Während Alice also älter wird, die Handlung sich ins 21. Jahrhundert verlegt, rätselt man immer noch über einige der Begegnungen, die ein gewisser Joseph Kent im 19. Jahrhundert gemacht hat.

Das ist mehr als clever miteinander verwoben und in Anbetracht der doch relativ knappen Form einer insgesamt sechs Hefte umfassenden Geschichte ungeahnt vielschichtig, wobei auch der Horror in vielerlei Form nicht zu kurz kommt, sich hier allerdings auch einmal mehr klassischer Themen bedient, wenn ich da nur an den gewalttätigen Vater und damit einhergehend die zerrüttete Familiensituation der jungen Alice denke. Das macht insofern aber wenig, da die Verlockungen der Hausbewohner und Alice‘ dringendes Bedürfnis, der Wirklichkeit zu entfliehen, ansonsten sehr überzeugend ein einfühlsam herausgearbeitet worden sind. Eines der großen Rätsel dreht sich dann mitnichten darum, wer eigentlich die Bewohner des Puppenhauses sind, in dem die Zeit stillzustehen scheint, sondern vielmehr, woher dieses eigentlich stammt und was es damit genau auf sich hat. Hier muss ich zwar sagen, dass sich die spät erschließende Offenbarung mich nicht zu hundert Prozent hat abholen können, zumal Carey der Versuchung erliegt, sich gar ein Hintertürchen für eine – ganz und gar andersartige – Fortsetzung offenzuhalten, doch ist der Ansatz auf alle Fälle originell und unerwartet.

Ausschnitt aus Joe Hill: Das Puppenhaus | © Panini
© Panini

Langer Rede kurzer Sinn, können auch bei Joe Hill: Das Puppenhaus alle beherzt zugreifen, die sich den klassischen Horrorgeschichten verbunden fühlen oder auch schon den Erstling der Reihe genossen haben, denn auch wenn Careys Arbeit in eine gänzlich andere Richtung geht – was nur gut und richtig ist bei einer Reihe, die allein das Thema "Horror" als verbindendes Element aufweist –, bewegt sie sich qualitativ auf gleichem, wenn nicht gar höherem Niveau wie das, was Hill selbst als Auftakt der Serie kredenzt hat. Die zwar etwas grob, aber dennoch detailliert wirkenden Zeichnungen von Peter Gross tun hierbei ihr Übriges und unterstützen das Erzählte auch in visueller Hinsicht, während die allenthalben eingestreuten, fotorealistischen Original-Cover der Miniserie einen im besten Sinne ebenfalls das Fürchten lehren. Kein Wunder, dass ich nun mehr als gespannt auf die dritte Veröffentlichung der Hill-House-Comics bin, die da den Namen Im tiefen, tiefen Wald trägt und bereits Mitte des Monats bei uns erscheinen sollte. Vor allem aber weicht die anfängliche Skepsis und ich bin mehr als gespannt, was man in dieser Reihe auch künftig noch zu lesen bekommen wird.

Fazit & Wertung:

M.R. Carey liefert mit Das Puppenhaus eine gleichsam anspruchsvolle wie vielschichtige Graphic Novel, die sowohl dramaturgisch als auch atmosphärisch zu überzeugen weiß, wobei speziell Zweiteres auch dem Zeichner Peter Gross zu verdanken ist. Wer meint, es handele sich um ein ausgelutschtes, zur Genüge behandeltes Thema, möge sich gerne von diesem zweiten Vertreter der Hill-House-Comics eines Besseren belehren lassen.

8,5 von 10 lockenden Stimmen aus dem alten Puppenhaus

Das Puppenhaus

  • Lockende Stimmen aus dem alten Puppenhaus - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

M.R. Carey liefert mit Das Puppenhaus eine gleichsam anspruchsvolle wie vielschichtige Graphic Novel, die sowohl dramaturgisch als auch atmosphärisch zu überzeugen weiß, wobei speziell Zweiteres auch dem Zeichner Peter Gross zu verdanken ist. Wer meint, es handele sich um ein ausgelutschtes, zur Genüge behandeltes Thema, möge sich gerne von diesem zweiten Vertreter der Hill-House-Comics eines Besseren belehren lassen.

8.5/10
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Joe Hill: Das Puppenhaus ist am 17.11.2020 im Panini Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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