Review: Joe Hill: Daphne Byrne – Besessen (Graphic Novel)

Nachdem ich schon letzte Woche ausgesetzt habe, geht es heute mit ein bisschen Horror in den verspäteten Feierabend, denn ich habe mich jüngst einem weiteren Vertreter der Hill-House-Reihe gewidmet.

Joe Hill
Daphne Byrne
Besessen

Daphne Byrne #1-6, USA 2020, 164 Seiten

Joe Hill: Daphne Byrne - Besessen | © Panini
© Panini

Autorin:
Laura Marks
Zeichner:
Kelley Jones

Verlag (D):
Panini Verlag
ISBN:
978-3-741-62247-2

Genre:
Drama | Horror | Mystery | Thriller

 

Inhalt:

Im New York des Jahres 1886 wächst die vierzehnjährige Daphne Byrne auf, wird allerdings von ihren Mitschülerinnen argwöhnisch beäugt und gilt gemeinhin als seltsam, introvertiert und still. Das ist nur schlimmer geworden, seit Daphnes Vater dahingeschieden ist und das Mädchen in Trauer. Ähnlich ergeht es ihrer Mutter, doch die sucht Trost bei einem spiritistischen Medium, das ihr vorgaukelt, Kontakt mit der Totenwelt aufnehmen zu können. Daphne derweil erscheint eine Art imaginärer Freund, bei dem sie nicht ganz sicher ist, ob sie ihn herbeigerufen hat oder sich ihn einbildet, zumal seine kryptischen Antworten nicht gerade dazu taugen, die Situation zu erhellen. Nach anfänglichem Argwohn aber wird er zunehmend ihr Ratgeber und Begleiter, zumal er in der Lage scheint, die Fassade der Realität einzureißen und ihr zu zeigen, was dahinter liegt. Das gilt natürlich auch für das angebliche Medium, das ihrer Mutter nicht nur das letzte Geld aus der Tasche zieht…

Rezension:

Nun liegt mit Daphne Byrne – Besessen bereits der vierte Band der unter dem Label Hill House Comics veröffentlichten Horrorgeschichten vor, die sich auf jeweils sechs – hierzulande direkt zusammengefasste – Einzelhefte beschränken und abgesehen vom Oberthema bereits in unterschiedlichste Richtungen gingen. Gemein ist ihnen allerdings auch, dass Schirmherr Joe Hill mit seinem Namen prominent auf den Veröffentlichungen prangt, gleichwohl er – abgesehen vom Erstling Ein Korb voller Köpfe – lediglich Namensgeber der Reihe ist und nicht für den kreativen Input verantwortlich. Der stammt hier nämlich von Laura Marks, die eine im 19. Jahrhundert verortete Geschichte ersonnen hat, die in vielerlei Hinsicht kaum klassischer sein könnte, zumal wir ja geradezu dazu konditioniert sind, derlei Szenarien gruselig und beklemmend zu finden. Trotzdem wirkt die Story keineswegs angestaubt oder altbacken, sondern startet bereits auf den ersten Seiten mit verstörenden, kaum erklärlichen Bildern, die sich – wie im weiteren Verlauf noch öfter – einem regelrecht ins Gedächtnis brennen.

Das Konzept der stillen Außenseiterin, in der mehr steckt, als man zunächst annehmen würde, wurde zwar schon ein paar Mal zu oft bemüht, doch macht das im Fall von Daphne Byrne eher weniger aus, weil Marks in neue, unerwartete Richtungen zu gehen gedenkt und ohnehin ihrer ambivalenten Protagonistin viel Zeit und Raum zur Entfaltung lässt, so dass sie zum inhaltlichen wie emotionalen Mittelpunkt des Geschehens wird, obwohl man zunächst nie so genau weiß, woran man bei ihr ist und ob sie – wenn auch unbewusst – womöglich einiges zu verbergen hat, was ihr unfreiwilliges Bündnis mit dunklen Mächten angeht, die ihr Leben zunehmend zu entern und beeinflussen beginnen. So mutet es manchmal merkwürdig an, mit welcher Gelassenheit sie ihrem seltsam blassen, seltsam rätselhaften Geisterfreund begegnet, der kaum etwas preisgeben möchte von dem, was er weiß, oder zu wissen vorgibt. Zunächst mag man sich auch fragen, was es mit dem Medium auf sich hat, das Daphnes Mutter tagein tagaus aufsucht und hier verbirgt sich einer der wenigen Wermutstropfen der Story, denn zum Ende hin wird es dann doch recht vorhersehbar und plakativ, was sowohl für das Medium als auch Daphne gilt.

Immerhin, optisch weiß Daphne Byrne ebenfalls zu überzeugen, wobei Kelley Jones im Grunde immer dann am besten ist, wenn es gilt, phantasmagorische Szenenbilder zu kreieren, wohingegen der betrübliche Alltag – das mag aber auch eine bewusste Entscheidung gewesen und ein Stück weit der Farbpalette geschuldet sein – eher trist wirkt. Dennoch nehmen die Bilder für sich ein und der Kontrast beider Welten passt gut, während das durchweg beklemmende, bedrohliche Flair sein Übriges tut, in die Geschichte hineinzuziehen und mit der verunsicherten und verschüchterten, trauernden und hilflosen Daphne zu fühlen, die in ihrem neuen Freund eine Chance sieht, sich in der Welt behaupten zu können. Und die ist – wie sollte es anders sein – voller Gefahren und Geheimnisse, ob es sich nun um die unverständige Mutter handelt, die garstigen Mitschülerinnen oder nicht zuletzt die Wesenheit, die Daphne für ihre Zwecke einzuspannen gedenkt und in ihr etwas weckt, von dem das Mädchen wahrscheinlich selbst nichts geahnt hat.

Ein würdiger Vertreter für die Hill-House-Comics-Reihe also, auch wenn man hier und da erzählerische oder dramaturgische Abstriche machen muss, denn zu tief verwurzelt sind die üblichen Versatzstücke und Klischees, die es im historischen New York voller Geister, Séancen, Dämonen und Spiritisten wohl quasi geben muss, was dem Ganzen ein wenig das Überraschungsmoment raubt und recht früh erahnen lässt, wohin der Hase laufen wird, auch wenn der Kaninchenbau hier deutlich bedrohlicher und gefährlicher daherkommt und in Abgründe führt, die man sich nicht ausmalen mag. Davon abgesehen überzeugen natürlich aber auch diesmal wieder Aufmachung, Vorwort und Cover-Galerie, so dass man als Horror-Fan beherzt zugreifen kann, denn auch wenn ich im Detail kritisiere, steht auch der vierte Band der Reihe weiterhin für Qualität und einfallsreiche, schaurige Geschichten, die zwar längst nicht so pulpig und augenzwinkernd sein mögen wie noch der Erstling von Joe Hill, dafür aber – wie auch hier – ihre ganz eigenen Qualitäten mitbringen.

Fazit & Wertung:

Mit Daphne Byrne – Besessen wagt Laura Marks einen gelungenen Ausflug ins New York des 19. Jahrhunderts und erzählt eine in vielerlei Hinsicht klassische Schauergeschichte, die leider zum Ende hin ein wenig vorhersehbar wirkt, dafür aber über die gesamte Dauer mit phantasmagorischem Flair und bedrohlicher Atmosphäre punktet, die sich in einem ziemlich fulminanten Finale entlädt.

7,5 von 10 dunklen Einflüsterungen

Daphne Byrne – Besessen

  • Dunkle Einflüsterungen - 7.5/10
    7.5/10

Fazit & Wertung:

Mit Daphne Byrne – Besessen wagt Laura Marks einen gelungenen Ausflug ins New York des 19. Jahrhunderts und erzählt eine in vielerlei Hinsicht klassische Schauergeschichte, die leider zum Ende hin ein wenig vorhersehbar wirkt, dafür aber über die gesamte Dauer mit phantasmagorischem Flair und bedrohlicher Atmosphäre punktet, die sich in einem ziemlich fulminanten Finale entlädt.

7.5/10
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Joe Hill: Daphne Byrne – Besessen ist am 04.05.21 im Panini Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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