Review: Joe Hill: Im tiefen, tiefen Wald (Graphic Novel)

Heute mal wieder eine Horror-Graphic-Novel, zumindest dem Namen nach, denn so richtig gruselig ward es mir hier leider nicht, so vielversprechend die Ansätze auch gewesen sein mögen.

Joe Hill
Im tiefen, tiefen Wald

The Low, Low Woods #1-6, USA 2020, 160 Seiten

Joe Hill: Im tiefen, tiefen Wald | © Panini
© Panini

Autorin:
Carmen Maria Machado
Zeichner:
Dani

Verlag (D):
Panini Verlag
ISBN:
978-3-741-62014-0

Genre:
Horror | Mystery | Drama | Thriller

 

Inhalt:

Als beste Freundinnen wachsen die beiden Teenager Octavia und Eldora gemeinsam im einst florierenden, mittlerweile reichlich desolaten Städtchen Shudder-to-Think in Pennsylvania auf. Dort ereignet sich nicht nur seit jeher Seltsames, es brennt auch in den unterirdischen Minen und nicht wenige der Einwohner sind mittlerweile schwer und chronisch erkrankt. Dennoch haben nicht alle das Geld oder die Kraft, um fortzuziehen und so siecht die Gemeinde weiter vor sich hin. Mit diesen Umständen haben sich Eldora und Octavia derweil längst abgefunden, ebenso wie mit den Schrecken, die im nahen Wald zu lauern scheinen, doch dass sie unter unerklärlichem Gedächtnisverlust leiden, nachdem sie gemeinsam eine Kinovorstellung besucht haben, lässt die beiden doch stutzen, auch wenn es ein weitverbreitetes Phänomen ist, dass die Frauen des Ortes zuweilen an Desorientierung und Erinnerungslücken leiden…

Rezension:

Mit Im tiefen, tiefen Wald liegt nun also bereits der dritte Vertreter des unter Schirmherrschaft von Stephen-King-Spross Joe Hill geführten Imprints Hill House Comics in deutscher Sprache vor und einmal mehr war ich reichlich gespannt, was dieser Sechsteiler zu bieten haben würde, der schon mit einem ungemein atmosphärischen, neugierig machenden Cover aufwartet, dass von den Schrecken im Wald kündet, die hier erforscht werden sollen. Leider muss ich aber auch sagen, dass ich das erste Mal ein wenig enttäuscht bin, was einfach mal vorrangig daran liegt, dass die schrecklichen Wesenheiten, von denen eben eins auch den Sammelband ziert, im Heft selbst nicht annähernd so schrecklich und gruselig geraten sind. Nichts gegen die Zeichnungen von Dani, aber der Look dieser Figuren, gepaart mit dem allgemein eher reduzierten Stil, haben bei mir nicht wirklich Grusel erzeugen können. Überhaupt scheint mir die Prämisse des Bandes enorm vielversprechend, aber nicht ganz bis zum Ende gedacht, was sich an vielerlei Kleinigkeiten bemerkbar macht.

Ausschnitt aus Joe Hill: Im tiefen, tiefen Wald | © Panini
© Panini

Erzählt wird die Story aus Sicht der besten Freundinnen Octavia und Eldora, die auch beide – quasi wechselweise – aus dem Off das Geschehen kommentieren und Wissenswertes zu ihrer Heimat Shudder-to-Think verlauten lassen. Irritierend aber ist hier schon der Gleichmut, mit dem die beiden alles hinzunehmen scheinen, was an Merkwürdigkeiten in ihrer Heimat passiert. So scheint es für die beiden gar nicht mal die große Sache zu sein, wenn ihnen Männer ohne Haut im Wald begegnen und Jagd auf sie machen, wobei es noch weitaus mehr verstörende Ereignisse und Begegnungen gibt, die aber auch eher pflichtbewusst der langen Liste an Mysterien hinzugefügt werden. Das macht natürlich den dramaturgischen Unterbau von Im tiefen, tiefen Wald sehr wacklig, denn so sehr ich die beiden Protagonistinnen gemocht habe, so liebevoll und detailliert sie von der Autorin Carmen Maria Machado charakterisiert worden sind, wirkt ihr Verhalten im Kontext der Ereignisse oft nicht kohärent, schon gar nicht nachvollziehbar, wenn ausgerechnet ein kurzzeitiger Gedächtnisverlust die beiden nachforschen lässt, während all die Jahre voller Grauen und Schrecken sie bislang gänzlich kaltgelassen haben.

Auch merkt man, wo Machado ihre Inspiration gefunden hat und welchen Themen sie sich widmen möchte, was hier im letzten Drittel leider ein wenig überfrachtet wirkt, wenn sie zum großen erzählerischen Rundschlag ausholt, um alle Mysterien auf einen Schlag aufzuklären. Sicherlich erzählerisch das beste Kapitel der Story, aber es verstärkt den Eindruck, dass die Geschichte nicht ganz rund ist, was leider auch für das Ende gilt. Das ist dahingehend extrem schade, dass eigentlich die Atmosphäre einer einstmals florierenden Arbeiterstadt sehr gekonnt eingefangen wurde und eine glaubhafte, lebendige Welt skizziert wird, auch wenn die hier eben von vielen merkwürdigen Wesenheiten und reichlich dubiosen Gestalten bevölkert wird. In der Summe aber war es mir ein wenig zu viel des Guten, zumal letztlich mitnichten alle Geheimnisse aufgeklärt werden, was beispielsweise die rätselhafte Verbindung zwischen den beiden Freundinnen betrifft.

Ausschnitt aus Joe Hill: Im tiefen, tiefen Wald | © Panini
© Panini

Wo Im tiefen, tiefen Wald allerdings merklich zu punkten versteht, ist bei der Verknüpfung aus geschriebenem Wort und gezeichneter Szenerie, denn Machado gibt hier tatsächlich ihr Comic-Debüt und war zuvor als "klassische" Autorin tätig. Das äußert sich dergestalt, dass hier für eine Graphic Novel überraschend viel Text vorhanden ist und die Schilderungen von Octavia und Eldora könnten glatt als Auszüge aus einem Roman durchgehen, während Zeichnerin Dani hingegen viele Szenen für sich stehen lässt und hier bewusst auf das gesprochene Wort verzichtet wird, so dass sich die literarischen Passagen gekonnt mit den Zeichnungen ergänzen, auch wenn die nicht so ganz meinen Geschmack getroffen haben mögen, was vielerorts aber wohl auch mehr mit der doch schlicht gehaltenen Farbgebung von Tamra Bonvillain zusammenhängt. Sicherlich insgesamt noch ein überzeugender Vertreter der Horrorreihe, auch wenn der Horror eben etwas kurz kommt die Story letztlich überfrachtet wirkt.

Fazit & Wertung:

Carmen Maria Machardo und Dani präsentieren mit Im tiefen, tiefen Wald eine ungewöhnliche und atmosphärische Gruselgeschichte vor der Kulisse einer heruntergekommenen Minensiedlung. Leider wirkt die Story nicht in allen Punkten komplett durchdacht und hätte zudem ein wenig stringenter inszeniert werden können, dennoch ein Werk, dem sich Genre-Fans mit leichten Abstrichen durchaus widmen können.

7 von 10 Mysterien in Shudder-to-Think

Im tiefen, tiefen Wald

  • Mysterien in Shudder-to-Think - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

Carmen Maria Machardo und Dani präsentieren mit Im tiefen, tiefen Wald eine ungewöhnliche und atmosphärische Gruselgeschichte vor der Kulisse einer heruntergekommenen Minensiedlung. Leider wirkt die Story nicht in allen Punkten komplett durchdacht und hätte zudem ein wenig stringenter inszeniert werden können, dennoch ein Werk, dem sich Genre-Fans mit leichten Abstrichen durchaus widmen können.

7.0/10
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Joe Hill: Im tiefen, tiefen Wald ist am 15.12.2020 im Panini Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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