Anlässlich der kürzlich erfolgten Blu-ray-Veröffentlichung dieser zwar vergleichsweise kurzlebigen, doch allerorten hochgelobten Serie wurde es für mich allerhöchste Zeit, mich auch in die Weiten des wilden Westens zu Zeiten der Gründung von Deadwood zu wagen und ich habe meinen Ausflug in keiner Weise bereut. Wenn ihr mehr erfahren wollt, wünsche ich euch jetzt schon ganz viel Freude bei der Lektüre meiner neuesten Serien-Kritik.
Deadwood
Staffel 1
Deadwood, USA 2004-2006, ca. 55 Min. je Folge
© Paramount Pictures
David Milch
David Milch
Ian McShane (Al Swearengen)
Molly Parker (Alma Garret)
Jim Beaver (Whitney Ellsworth)
Brad Dourif (Doc Cochran)
John Hawkes (Sol Star)
Paula Malcomson (Trixie)
Leon Rippy (Tom Nuttall)
Robin Weigert (Calamity Jane)
W. Earl Brown (Dan Dority)
Dayton Callie (Charlie Utter)
Ray McKinnon (Reverend H.W. Smith)
Powers Boothe (Cy Tolliver)
Keith Carradine (Wild Bill Hickok)
Drama | Western | Historie
Trailer:
Inhalt:
Wir schreiben das Jahr 1876, kurz nach dem Ende der Schlacht am Little Bighorn, und Seth Bullock beschließt, seinen Posten als Sheriff von Montana aufzugeben und gemeinsam mit seinem Geschäftspartner und Freund Sol Star nach Deadwood weiterzuziehen, um dort einen Eisenwarenhandel – Star & Bullock Hardware – zu eröffnen. Ein immenser Strom von Abenteurern, Hallunken, Goldgräbern und Händlern ergießt sich über die noch im Bestehen begriffene Ortschaft, die von Recht und Gesetz noch nie gehört hat, denn gerüchteweise finden sich in den Black Hills immense Goldvorkommen, die Arm und Reich in die Wildnis locken. So auch den Revolverhelden Wild Bill Hickok, der gemeinsam mit seinen Begleitern Calamity Jane und Charlie Utter in etwa zur selben Zeit wie Bullock in Deadwood eintrifft. Schnell freunden sich die beiden Männer an, während sie bald schon mit Al Swearengen, dem Besitzer des Saloons und Bordells The Gem aneinandergeraten, der so etwas wie das insgeheime Oberhaupt der Gemeinde darstellt.
© Paramount Pictures
Als kurz darauf die schwedische Familie Metz vermeintlich von Indianern angegriffen und getötet wird, verhärten sich die Fronten, denn in Wahrheit waren es Swearengens Männer und nur ein kleines Mädchen, das zunächst in die Obhut von Doc Cochran übergeben wird. Die Fehde gerät für Swearengen allerdings bald ins Hintertreffen, als ein Mann namens Cy Tolliver in die Stadt kommt und direkt gegenüber von ihm seinen eigenen Saloon, The Bella Union eröffnet und bald darauf die Pocken in Deadwood auszubrechen drohen. Und dann wären da noch der Geschäftsmann Brom Garret und dessen nach Laudanum süchtige Frau Alma: Als Brom sich von Swearengen übers Ohr hauen lässt, droht er ihm damit, die gefürchtete Pinkerton-Detektei einzuschalten, ohne indes zu ahnen, welche Konsequenzen das für ihn oder Alma haben könnte.
Rezension:
Neben zahlreichen anderen Formaten zählt auch Deadwood aus dem Jahr 2004 zu den vielgerühmten Erzeugnissen der HBO-Serienschmiede, jedoch fand auch dieses ambitionierte Western-Drama – ähnlich wie Rom – sein viel zu schnelles Ende nach nur drei Staffeln, wenn man dem Tenor der Fans Glauben schenken kann. Zumindest was die erste Season angeht, kann ich schon einmal attestieren, dass es sich bei der von David Milch erdachten Serie einmal mehr um allerbeste und ungewohnt komplexe wie tiefgründige Fernsehunterhaltung handelt, der man ihre Herkunft aus dem Premium-Segment der Kabelsender deutlich anmerkt.
© Paramount Pictures
Das beginnt zunächst einmal mit der namensgebenden Ortschaft Deadwood, denn die Kulissen sind dermaßen stimmig aufgebaut, dass man sich schon nach wenigen Folgen in der fiktiven Serienstadt – die wiederum allerdings durchaus auf einem realen Vorbild fußt (wir vertiefen das später noch) – auszukennen meint. Von den vielen Blicken vom Balkon des The Gem, dessen Innenbereich mehr als einmal Dreh- und Angelpunkt so mancher Folge ist, hinaus auf die Straßen des Ortes, wo zahlreiche Händler ihr Glück suchen, über Star & Bullock Hardware, das erst im Laufe der Staffel von Bullock und Star zusammengezimmert und immer weiter ausgebaut wird, weiter über den Bella Union-Saloon gegenüber des Gem und das nahegelegene Grand Central Hotel über das Verlagsgebäude des Deadwood Pioneer bis hin zum erst später notdürftig eingerichteten Pestzelt in einer Seitenstraße wirkt schlichtweg alles wie aus einem Guss, so dass es sich nicht nur um den für mich seit langer Zeit glaubhaftesten Schauplatz überhaupt handelt, sondern ganz getreu dem Namen der Serie einer Lektion in Sachen Makroökonomie gleichkommt, die Geschehnisse und Verflechtungen innerhalb Deadwoods zu beobachten.
Mag das auch vielleicht zunächst etwas dröge klingen, bezieht Deadwood hieraus einen ganz besonderen Reiz, denn mehr noch als in vielen anderen Serien steht ein Ensemble im Vordergrund und weniger eine einzelne Figur, wenngleich natürlich auch hier unterschiedliche Gewichtungen anzutreffen sind. Fixpunkt der Ereignisse ist auf alle Fälle der von Ian McShane großartig verkörperte Al Swearengen, der einen der wohl vielschichtigsten, durchtriebensten und charismatischsten Bösewichte der Serienlandschaft mimen darf, während der Besitzer des Gem nahezu überall seine Finger im Spiel zu haben scheint und somit den Ort in eisernem Griff hält, zumindest bis der ideologische Seth Bullock in Deadwood einkehrt und bald schon mit Swearengen aneinandergerät. Seth Bullock, dargestellt von Timothy Olyphant, ist noch am ehesten das Ebenbild eines Mannes von Ehre und Anstand, doch auch er hat seine jähzornigen Momente und Schattenseiten – ebenfalls eine Stärke von HBO-Serien. Brad Dourif ist als Doc Cochran ein weiteres Glanzlicht der Serie, ebenso wie der weithin bekannte Powers Boothe oder Molly Parker, William Sanderson und nicht zuletzt der vielen aus der Serie Dexter bekannte Keith Carradine als kongeniale Verkörperung von Wild Bill Hickok, um nur einige Personen zu nennen, die wichtige und überzeugende Rollen in Deadwood verkörpern. Doch selbst zunächst unscheinbar wirkende Figuren gewinnen im Laufe der Erzählung zunehmend an Bedeutung und so war es beispielsweise unter anderem die Performance von Ray McKinnon als zunehmend geistig verwirrter Reverend Smith, die mich nachhaltig beeindruckt hat.
Vor allem aber ist keine der Figuren ein Abziehbild stereotyper Westernhelden und hat ihren ganz eigenen Charakter, ihre eigenen Beweggründe und Geheimnisse, Wünsche Ambitionen und Schwachstellen. Hier gibt es kein Schwarz und Weiß, kein Gut und Böse, sondern glaubhafte, menschlich wirkende Figuren, die nachvollziehbare, wenn auch oft nicht unbedingt populäre Entscheidungen treffen und die zum Bedauern des Zuschauers zuweilen auch zu Tode kommen, denn niemand ist sicher in der rauen Welt, die hier präsentiert wird. Ambivalente Entscheidungen, tiefgründige Figuren und geschliffene Dialoge sind es, die Deadwood auszeichnen und den samt und sonders großartigen Darstellern ist es geschuldet, dass all dies so gut ineinander greift, denn entgegen anderer, ähnlich gearteter Produktionen ist hier auch der Action-Anteil vergleichsweise gering und gerät ins Hintertreffen, während sich durch die Folgen beständig eine Aura der Gefahr, Aggressivität und Bedrohung zieht, die sich zuweilen in überraschenden und eruptiven Gewaltspitzen entlädt, die HBO-typisch auch nicht mit Schauwerten geizen. Das Gros machen aber tatsächlich die messerscharfen Dialoge und das Wechselspiel der unterschiedlichen Parteien untereinander aus, die sich überzeugend darauf verstehen, mal mehr und mal weniger opportunistisch den eigenen Willen durchzusetzen.
© Paramount Pictures
Zwar ist Deadwood zuvorderst eine Unterhaltungsserie, doch ist es auch spannend, sich zu verdeutlichen, wie viele der Figuren tatsächlich existiert und so oder in ähnlicher Form tatsächlich damals in der aufstrebenden Goldgräberstadt aufgetaucht sind, angefangen von Seth Bullock und Al Swearengen bis hin zu Wild Bill Hickok oder Calamity Jane. Natürlich stehen Dramaturgie und Spannung im Vordergrund und manche historischen Fakten wurden umgedeutet und angepasst, doch war ich schon sehr erstaunt, wie viele Übereinstimmungen zur Realität sich dann doch finden ließen, auch bei den eher unwahrscheinlichen Begebenheiten, die dann wiederum gänzlich dem historischen Kontext entnommen worden sind, während ich sie eher der dichterischen Freiheit der Autoren zugeschrieben hätte. Um abschließende Worte nicht verlegen, sollte ich wohl noch erwähnen, dass der wenn auch spärlich eingesetzte Soundtrack das Setting stets stimmungsvoll untermauert und der wilde Westen – vielleicht abgesehen von dem auf ähnlicher Stufe rangierenden Hell on Wheels nie dreckiger und unwirtlicher, nie echter ausgesehen hat als hier.
Deadwood | Staffel 1
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Lohnenswert scheinende Gold-Claims - 9/10
9/10
Fazit & Wertung:
Deadwood präsentiert sich von vorne bis hinten als gekonnt durchkomponiertes Drama mit einem glaubhaften und stimmungsvollen Figuren-Ensemble, das höchstens noch von der überwältigenden Glaubwürdigkeit der wiederbelebten Stadt getoppt wird. Allen Freunden anspruchsvollerer Unterhaltung sei diese Serie bei bisheriger Unkenntnis spätestens jetzt wärmstens ans Herz gelegt!
Episodenübersicht: Staffel 1
02. Mord ohne Auftrag (9/10)
03. Gold! (8,5/10)
04. Sein letztes Spiel (9/10)
05. Kurzer Prozess (8/10)
06. Pocken (8,5/10)
08. Keine Gnade (9/10)
09. Bestechung (8,5/10)
10. Gerechtigkeit für Mister Wu (8,5/10)
11. Vater und Tochter (9/10)
12. Sheriff Bullock (9/10)
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Deadwood | Staffel 1 ist am 05.09.13 auf Blu-ray im Vertrieb von Paramount Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
DVD:
Blu-ray:
Klingt wirklich toll! Die Serie steht auch noch gesamt bei mir im Regal. Zwar nur als DVD, doch immerhin. Mal sehen, wann ich dazu komme. Bis dahin wächst aufgrund deiner Kritik schon einmal die Vorfreude :)
An dich musste ich beim Verfassen des Fazits auch denken, weil ich schon einmal irgendwo gelesen hatte, dass du die gesamte Serie “Deadwood” dein Eigen nennst, aber noch nicht gesehen hast! ;-) Wird dir auf jeden Fall viel Freude machen, da bin ich mir sicher!
Sind eigentlich auf der Blu-ray-Veröffentlichung endlich die reichhaltigen US-Extras drauf? Die deutschen wie auch die britischen DVDs sind ja meines Wissens nahezu bonusmaterialfrei, weshalb ich mich auch nie zu einem Kauf durchringen konnte …
Leider nein, die Blu-rays sind ebenfalls gänzlich bonusmaterialfrei, warum auch immer uns das hierzulande wieder – selbst bei einer “Neu”veröffentlichung – vorenthalten wird werde ich wohl auch nie verstehen…
Danke für die Info, das ist aber auch echt bescheuert. Irgendwann werde ich wohl doch mal die US-Box importieren müssen …
Ja, bescheuert ist es wirklich und der Aufwand wäre ja wohl nicht so groß gewesen, aber gut, es wird dem deutschen Publisher sicherlich in irgendeiner Form Kosten erspart haben und das ist ja bekanntlich das Allerwichtigste… Manchmal frage ich mich auch, warum ich noch Geld für Staffelboxen ausgebe (wenn auch jetzt nicht im Fall von “Deadwood”).