Ich seh schon, wenn ich nicht blogge, dann kommt auch kaum jemand hier vorbei, aber vermutlich seid ihr auch alle im vorweihnachtlichen Stress und habt Besseres zu tun, als meine Kritiken zu lesen. Kann ich euch nicht verdenken, ich hatte schließlich auch Besseres zu tun als neue Artikel zu fabrizieren. Dennoch kommt heute mal wieder ein wenig was und morgen gibt es natürlich auch erwartungsgemäß den nächsten Media Monday. Jetzt lasse ich euch aber auch schon wieder in Ruhe und widme mich anderen Dingen, zumal ich Urlaub habe und den natürlich auch genießen möchte. Während es mich nun also später in die nächste Kneipe treibt, wünsche ich euch einen schönen Abend und vierten Advent.
Bobby Z
Death and Life of Bobby Z, USA 1997, 281 Seiten
© Suhrkamp Verlag
Don Winslow
Suhrkamp Verlag
978-3-518-46245-4
Krimi | Thriller
Inhalt:
Tim Kearney ist im Leben vom Pech verfolgt. Nachdem er unehrenhaft als Marine entlassen worden ist, landete er bereits mehrfach im Knast, hat es sich diesmal allerdings so richtig verbockt, als er dem Hells Angel Stinkdog auf dem Gefängnishof in Notwehr die Kehle durchschneidet. Er wähnt sich schon dem Tode nah, als die DEA ihm einen Deal anbietet, denn zu Tims Glück sieht er dem legendären Bobby Z erstaunlich ähnlich, einem Drogendealer, der vor Monaten verschwand und nun im Austausch für einen amerikanischen Agenten an den mexikanischen Drogenboss Huertero übergeben werden soll. Tim entscheidet sich fürs Überleben und nimmt das Angebot an, doch bereits bei der Übergabe kommt es zum ersten Schusswechsel und nur mit Glück überlebt Bobby aka Tim.
»Diese mageren russischen Mädels könnten auf Bobby Z Schlittschuh laufen«, palavert One Way vor sich hin. »So kalt ist er. Bobby Z ist wie die Antarktis, bloß dass keine Pinguine auf ihm herumscheißen. Er ist vollkommen. Absolut cool. Nichts bringt Bobby Z aus der Ruhe.«
So landet er in einer ummauerten Wüsten-Villa, trifft dort auf Elisabeth, eine alte Bekannte Bobby Zs und Kit, der sein – also Bobbys – Sohn sein soll. Bald allerdings wird ihm klar, dass Drogenbaron Huertero mitnichten Geschäfte mit ihm machen möchte, sondern nach seinem Leben trachtet und so flieht Tim überstürzt mit Kit im Schlepptau. Doch nicht nur Huertero und dessen Schergen, sondern auch die DEA und die Hell’s Angels sind ihm auf den Fersen, während Tim sich nur mühsam in die Rolle des berühmten Bobby Z fügt, zumal sein Pech ihn auch jetzt nicht verlässt und er mit traumwandlerischer Sicherheit ein ums andere Mal vom Regen in die Traufe stolpert.
Rezension:
Immer wenn ich Don Winslow lese – nun zum mittlerweile vierten Mal – frage ich mich so bei mir, warum ich nicht viel öfter Krimis lese, bis mir wieder aufgeht, dass seine Geschichten herzlich wenig mit einem klassischen Kriminalroman zu tun haben und so ist auch Bobby Z – ebenso wie Manhattan eines der Frühwerke des Autors – eine Geschichte, die die mehr an einen Tarantino-Film erinnert und in epischer Breite eine völlig überzogene Hetzjagd, die zwar vor Sex and Crime strotzt, aber auch ansonsten hemmungslos überzogen und zuweilen arg konstruiert daherkommt, was aber gar nicht böse gemeint sein soll, denn der schwarze Humor und die aberwitzigen Situationen, in die Tim Kearney nebst Anhang Kit immer wieder gerät, sind es, die den Roman zu einem weiteren Page-Turner werden lassen.
Männer wie Frauen, alle drehen sich um und schauen in Richtung Tim, als er mit Brian an den Pool kommt. Zuerst zuckt er zusammen, Scheiße, es jagt ihm einen verdammten Schrecken ein, aber dann fällt ihm wieder ein, dass er nicht mehr die Superniete Tim Kearney aus Desert Hot Springs ist, sondern der ultimativ coole Bobby Z aus Laguna, und dass er für sie nicht mehr die Drecksarbeit machen muss. Genauer gesagt, muss er überhaupt nichts mehr machen.
Hier nun schimmert im Übrigen auch schon der spätere Stil Winslows durch, der für mich sowohl Zeit des Zorns – Savages als auch Kings of Cool zu solch einem Erlebnis gemacht hat. Da wundert es kaum, dass Bobby Z 2007 mit dem leider kürzlich tragisch verstorbenen Paul Walker verfilmt worden ist, denn auch wenn der Autor hier noch keine drehbuchartigen Einschübe offeriert, bekommt man wirklich zuweilen das Gefühl, einen Film zu lesen, was natürlich der schnörkellosen Inszenierung mit einem Gespür für Timing, Dramatik und Cliffhanger geschuldet ist. Vor allem aber benötigt Winslow keine ellenlangen Erklärungen und ausführlichen Vitae, um seine Figuren zum Leben zu erwecken und sie mit einer stimmigen Motivation und einem funktionierenden Background auszustatten, sondern lässt sie stattdessen schlicht miteinander interagieren und offenbart erst nach und nach einige Geheimnisse, Doppelbödigkeiten und Intentionen.
Dabei bedient er sich in Bobby Z der gesamten Palette typischer Winslow-Themen und fährt korrupte DEA-Agenten, durchtriebene Dealer, opportunistische Bettgespielinnen, skrupellose Drogenbosse, verrückte Spinner, eiskalte Killer und natürlich ein Setting zwischen Mexiko und Kalifornien inklusive Laguna Beach auf, das schnell erkennbar macht, dass man es eben mit einem typischen Winslow zu tun hat. Die Sprache, der er sich bedient, ist knapp und präzise, wenn auch noch nicht so ausgefeilt, wie man es aus späteren Werken kennt, dafür aber wirkt das Erzählte noch eine Spur ungeschliffener und brachialer, ebenso wie seine Schilderungen kein Blatt vor den Mund nehmen, wenn dies auch manchem Leser wieder übel aufstoßen könnte, aber wenn man sich einen echten Krimi erwartet, ist man bei diesem Roman sowieso an der falschen Adresse.
Ein Typ springt durch das Feuer – durch das verdammte Feuer hindurch – nein, er steht schon selbst in Brand, kleine Flammen züngeln aus seinen Ärmeln und an seiner Mütze, er sieht aus wie eine Figur aus dem Comic, die menschliche Fackel oder so. Tim nimmt das Messer in beide Hände und springt hoch. Er jagt dem Typen die Klinge in den Bauch, dreht es einmal nach rechts, dann wieder nach links, und stößt den Typen mit einem Fußtritt von der Klinge.
Wer allerdings ahnt, auf was er sich bei Bobby Z einlässt, wird glänzend unterhalten werden von den tragischen wie dramatischen Eskapaden des Tim Kearney, der sich redlich bemüht, heil aus dem Schlamassel hinauszukommen, den er nur zu Teilen selbstverschuldet hat und der ihn eine Bindung aufbauen lässt zu einem Kind, das nicht wirklich sein eigenes ist und das auch ahnt, in ihm aber mehr als alles andere den Vater erkennt, den es nie hatte. Diese Figurendynamik gelingt vortrefflich, ebenso wie die skizzenhaften Beschreibungen von Tims beziehungsweise Bobbys Widersachern, die beinahe durchweg einen ehrfurchtsvollen Legendenstatus innehaben, aber auch schon mal sang- und klanglos durch eine Verkettung von Umständen ins Gras beißt. Diesem Stil bleibt sich Winslow dann auch über die gesamte Dauer des Romans treu und einzig das Ende konnte mich nicht vollends überzeugen, hätte meines Erachtens nach besser funktioniert, wenn man die letzten zwei Seiten ausgespart hätte, bringt die Geschichte aber natürlich trotzdem zu einem befriedigenden Abschluss.
Bobby Z
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Parteien, die es auf das Leben von Bobby Z abgesehen haben - 8.5/10
8.5/10
Fazit & Wertung:
Don Winslows Bobby Z stellt durchaus die Weichen für seine späteren Romane und lässt den ihm eigenen Still bereits erahnen, kommt aber noch merklich ungeschliffen und roh daher. Wenn die Geschichte auch konstruiert wirken mag, tut das dem Unterhaltungswert und der schmissigen Schreibe dieses ungewöhnlichen Krimis um einen liebenswerten Loser, der Pech und Gewalt magisch anzuziehen scheint, keinen Abbruch.
Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Suhrkamp Verlages. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.
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Bobby Z ist am 18.04.11 im Suhrkamp Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!
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