Heute habe ich dann mal wieder einen Film-Tipp für euch, hat der Streifen es meines Wissens bei uns nicht einmal ins Kino geschafft und zeigt den traurigerweise mittlerweile verstorbenen, großartigen James Gandolfini in einer wirklich schönen, anrührenden Rolle und wartet zudem mit ein paar herzhaft-derben Gags auf. Den Rest erfahrt ihr aber erst, wenn ihr weiterlest, soll hier ja schließlich nur die Einleitung sein, die ich gewohnt routiniert runtergerattert habe ;-) Schönen Sonntag euch und bis in wenigen Stunden, wenn der neue Media Monday online geht.
Violet & Daisy
Violet & Daisy, USA 2011, 88 Min.
© Alive/Capelight
Geoffrey Fletcher
Geoffrey Fletcher
Danny Trejo (Russ)
Marianne Jean-Baptiste (Iris)
Action | Drama | Komödie | Krimi
Trailer:
Inhalt:
© Alive/Capelight
Violet und Daisy wirken auf den ersten Blick wie zwei normale Mädchen, sind große Fans der Popsängerin Barbie Sunday, mögen Kekse und Milch, kümmern sich aufopfernd um einen kleinen Hundewelpen und gehen verträumt und naiv durch die Welt. Doch Violet und Daisy sind auch Auftragskillerinnen und fähig, ohne mit der Wimper zu zucken ganze Banden von Kriminellen über den Haufen zu schießen, ohne dabei zu irgendeinem Zeitpunkt ihre Fassade kindlicher Unschuld zu gefährden. Die ist es auch, die die beiden zu ihrem neuesten Job führt, denn um sich ein Kleid aus der neuen Modelinie ihres Idols Barbie leisten zu können, bedarf es Geld. Dieses Mal läuft allerdings alles anders, denn nachdem sie der Zielperson, die nur allzu unverblümt keinen Hehl um ihren Aufenthaltsort gemacht, in ihrer Wohnung auflauern, erleben sie eine Überraschung.
Der Mann namens Michael scheint die beiden schon erwartet zu haben und ließe sich nur zu bereitwillig von den beiden jungen Damen ermorden, doch die reagieren zunächst verständlicherweise irritiert und eine Verkettung von Ereignissen führt dazu, dass den sonst so professionellen Killerinnen erst die Kugeln ausgehen, bevor Michael ihnen eröffnet, dass er sich noch mit einer weiteren Organisation angelegt hat, die ihrerseits sicherlich auch noch ihre Killer schicken wird. Hin- und hergerissen wissen Violet und Daisy nicht, was sie als nächstes tun sollen, während sie den seltsamen, lebensmüden Mann langsam näher kennenlernen.
Rezension:
Erwartet hatte ich mir – in größtmöglicher Unkenntnis – von Violet & Daisy einen hippen Action-Streifen mit kernigem Soundtrack, knackigen Shoot-Outs und zwei taffen Mädels sowie James Gandolfini, doch Regisseur und Drehbuchautor Geoffrey Fletcher strafte meine Annahmen Lügen, obwohl ich mich gerade in den ersten Minuten durchaus in meiner Annahme bestätigt sah und der Soundtrack tatsächlich großartig ist, die musikalische Kulisse aber leider im weiteren Verlauf deutlich zurückhaltender und hintergründiger wird. Denn im weiteren Verlauf des Films wandelt sich die Story zweier Auftragskillerinnen zu einem handfesten Drama, wildert immer mal wieder kurz im Coming-of-Age-Metier und liefert zudem noch eine höchst surreale Traumsequenz ab, die gemeinsam mit der nicht immer chronologisch verlaufenden, zehn poetisch betitelte Kapitel umfassenden Geschichte unterstreichen, dass man es eben nicht mit einem 08/15-Actionfilm zu tun hat.
© Alive/Capelight
Klar wird einem das aber auch im Grunde recht früh dadurch, in welch starken Kontrast einerseits das gezielte, professionelle Niederschießen gleich eines ganzen Haufens Gangster zu dem kurz darauf wieder kindlich-naiven Verhalten der beiden Hauptprotagonistinnen gesetzt wird, was in der euphorischen Vorfreude auf ein Kleid der neuen Modelinie von Barbie Sunday – einem Hannah Montana-Verschnitt – gipfelt, die überhaupt erst dazu führt, dass die beiden wenn auch wiederwillig trotz Urlaub einen weiteren Job annehmen, der so ganz anders verläuft, als sie es erwarten würden und gewohnt sind. Als großer Gilmore Girls-Fan war es für mich natürlich eine Freude, Alexis Bledel endlich wieder einmal in einer größeren und dann auch noch so andersartigen Rolle bewundern zu können und entgegen anfänglicher Skepsis mimt sie die vom Leben enttäuschte und rabiate Killerin doch überzeugend, zumal beide nicht annähernd so abgeklärt sind, wie sie zunächst wirken. Saoirse Ronan macht natürlich einen mindestens ebenso guten Job, zumal ihrer Rolle durchaus mehr Raum für Entwicklung zugestanden wird und sich die Beziehung ihrer Daisy zu James Gandolfinis Charakter intensiver gestaltet als es bei Violet (Bledel) der Fall ist.
Gandolfinis Darstellung des wortwörtlich zu nehmenden lebensmüden Mannes, der sich ganz bewusst mit den größten Gangstern der Gegend angelegt hat, um von ihnen getötet zu werden und dabei unverhofft auf Violet und Daisy trifft ist natürlich über jeden Zweifel erhaben und virtuos weiß er sein zurückhaltendes Schauspiel um Nuancen anzureichern, die den Fatalismus seiner Figur noch untermauern, wobei James Gandolfinis Tod im vergangenen Jahr speziell dieser Rolle noch auf einer anderen Ebene eine tiefergehende Tragik verleiht. Von dieser inhärenten Traurigkeit aber abgesehen, pendelt Violet & Daisy oftmals sehr gekonnt zwischen Humor und leisen Zwischentönen, derber Sprache und behutsam geführten Dialogen, blutigen Konfrontationen und kammerspielartigen Einstellungen, zwischen Tempo und Langsamkeit, dass man eigentlich auch nach dem Ende nicht so recht weiß, in welchem Genre man Fletchers eigenwilliges Werk am besten verorten sollte.
© Alive/Capelight
Das macht Violet & Daisy zwar zu einem sicherlich lohnenswerten Film für alle Freunde intelligenter Erzählkunst abseits des Mainstream und eingefahrener Plot-Pfade und wertet den Streifen mit einigen eigentümlichen, skurrilen, teils recht makabren Ideen und Einstellungen auf, doch kommt ihm dieses wilde Genre-Hopping auch nicht immer zugute, weil man doch manchmal das Gefühl hat, Fletcher habe zu viel des Guten gewollt und konnte sich nicht entscheiden, in welche Richtung sein Regiedebüt gehen solle, so dass in der zweiten Hälfte der Humor zu kurz kommt und auch die eigentliche Auftragskiller-Thematik oftmals in den Hintergrund tritt, während man beispielsweise bei der völlig aus dem Rahmen fallenden Traum-Sequenz das Gefühl bekommt, hier hätte sich bei längerer Laufzeit noch etwas anschließen müssen, ebenso wie der Film dann nach noch nicht einmal neunzig Minuten doch im Grunde sang- und klanglos zu Ende geht und eine Vielzahl Fragen offenlässt, so als habe er sich damit begnügt, den Haupt-Plot zu einem Abschluss gebracht zu haben. In seiner Eigenwilligkeit hat mir der Film dennoch gefallen und funktioniert dank der tadellosen Chemie der Hauptdarsteller untereinander doch erstaunlich gut und auch in emotionaler Hinsicht, gerade unter Berücksichtigung des zunehmend abgedrehter werdenden Settings und der skurrilen Welt, in der die Figuren sich zu bewegen scheinen.
Violet & Daisy
-
Routiniert durchgeführte Auftragsmorde - 7/10
7/10
Fazit & Wertung:
Gekonnt bricht Geoffrey Fletcher in Violet & Daisy ein ums andere Mal mit den Erwartungen des Zuschauers und liefert eine nicht nur formidabel besetzte, sondern auch eine von ungewöhnlichen und stilsicher inszenierten Bildern und Einstellungen geprägte Mischung aus Action-Thriller und Drama ab, die zwar einerseits aufgrund ihrer Skurrilität einen Blick wert sein könnte, andererseits aber aufgrund der unklaren Marschrichtung nicht immer einwandfrei funktioniert und wenn schon keine Längen, so leider einige Ungereimtheiten und lose Fäden aufweist.
Violet & Daisy ist am 25.10.13 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Alive/Capelight erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
DVD:
Blu-ray:
War damals mein Lieblingsfilm des entsprechenden Fantasy Filmfest-Jahrgangs. Klar ist das Ganze ziemlich wild und mir ist auch bewußt, daß bei weitem nicht jeder meine große Vorliebe für kreative, völlig übertriebene Skurrilitäten teilt; trotzdem kann ich mir die vielen Verrisse der professionellen Kritiker nicht wirklich erklären. Meiner Meinung nach ist es zudem eine der stärksten Leistungen Gandolfinis abseits der “Sopranos”.
Das stimmt, gerade im Feuilleton hat der Film oft gehörig einstecken müssen, aber auch sonst vergleichsweise wenig positive Resonanz bekommen. Und ja, bezogen auf Gandolfini kann ich dir nur Recht geben, das war schon wirklich stark geschauspielert und ging mir auf mehreren Ebenen richtig nahe.
Klingt interessant. Ich mag auch die Schauspielerinnen sehr, weiß aber noch nicht, ob ich mir aufgrund der unsteten Ausrichtung die knapp zwei Stunden aus den Rippen schnitzen sollte. Vielleicht irgendwann mal.
Knapp zwei Stunden? Der Film geht nur 88 Minuten und da ist der Abspann schon mit drin ;-) Hat mich zwar wie du gelesen hast auch nicht komplett aus den Socken gehauen, aber es lohnt sich meines Erachtens durchaus, dem Film mal eine Chance zu geben.
So, hab ihn mittlerweile auch gesehen und ein kurzes Review verfasst:
https://mwj2.wordpress.com/2016/11/07/violet-daisy-kurzkritik