Heute habe ich dann mal wieder eine Film-Kritik im Angebot und Repertoire und einmal mehr habe ich mich einem dieser verpönten Remakes gewidmet, aber was solls, ich steh dazu und zieh das jetzt durch ;-)
Oldboy
Oldboy, USA 2013, 104 Min.
© Universal Pictures
Spike Lee
Mark Protosevich (Drehbuch)
Garon Tsuchiya (Manga-Vorlage)
Nobuaki Minegishi (Manga-Vorlage)
Josh Brolin (Joe Doucett)
Elizabeth Olsen (Marie Sebastian)
Sharlto Copley (Adrian / The Stranger)
Samuel L. Jackson (Chaney)
Michael Imperioli (Chucky)
Action | Drama | Mystery | Thriller
Trailer:
Inhalt:
© Universal Pictures
Es ist das Jahr 1993: Joe Doucett ist ein egozentrisches Arschloch, lässt den Macho raushängen, betrinkt sich bereits in der Mittagspause und wirft sich der Freundin eines Werbekunden an den Hals, was ihn prompt den Auftrag kostet, während er sowieso bei seiner Exfrau sein müsste, um den dritten Geburtstag der gemeinsamen Tochter zu feiern, doch stattdessen lässt sich Joe volllaufen, suhlt sich in Selbstmitleid und verliert schlussendlich vor der Kneipe seines Kumpels Chucky die Besinnung. Er erwacht in einem Hotelzimmer, doch das Panorama vor dem Fenster ist nicht echt, das Fenster nur eine Leinwand, die Tür fest verschlossen. Für Joe Doucett beginnt eine Jahre währende Gefangenschaft und tagein tagaus die immer gleichen Teigtaschen und eine Flasche Wodka serviert. Bald erfährt Joe aus dem Fernsehen in seinem Zimmer, dass er des Mordes an seiner Exfrau beschuldigt und von der Polizei gesucht wird, während seine Tochter bald adoptiert wird. Langsam setzt bei Joe die Läuterung ein, er beginnt Briefe an seine Tochter zu schreiben, gibt das Trinken dran und versucht sich an körperlicher Ertüchtigung.
Die Jahre vergehen und lediglich über den Fernseher mit der Außenwelt verbunden, beobachtet Doucett bedeutende geschichtliche Ereignisse an sich vorbeiziehen. Eines Tages liegt wie zufällig ein metallenes Essstäbchen bei seinen Teigtaschen und er beginnt in mühevoller Kleinarbeit, den Mörtel zwischen den Ziegelsteinen aufzukratzen, doch kaum das er meint, zur Flucht bereit zu sein, wird er betäubt, landet frisch eingekleidet und mit Bargeld, Handy und seinen Briefen ausgestattet auf einer Wiese, zwanzig Jahre nachdem er eingekerkert worden ist, und beginnt, sich auf die Suche zu begeben nach demjenigen, der ihm das angetan hat, trifft bald auf die Sozialarbeiterin Marie Sebastian, dich für den gebrochenen Mann zu engagieren beginnt und sucht nach zwei Jahrzehnten seinen Kumpel Chucky und dessen Kneipe auf, wo einst alles seinen Anfang genommen hat. Doch noch während Joe dabei ist, seine Nachforschungen aufzunehmen, kontaktiert ihn der mysteriöse Entführer per Telefon und stellt ihm eine Aufgabe…
Rezension:
Ja, Hollywood-Remakes sind verpönt und speziell Oldboy stieß ja schon im Vorfeld auf wenig Gegenliebe, hat die gerade einmal zehn Jahre ältere und gleichnamige Vorlage von Park Chan-wook schließlich eine riesige Fangemeinde, so dass Spike Lees Neuinterpretation der ursprünglich von Garon Tsuchiya erdachten und als Manga veröffentlichten Geschichte unweigerlich einen schweren Stand haben musste, wobei Lee mehrfach betonte, sich explizit an dem Manga zu orientieren, was insofern seltsam scheint, da mehr als nur einige wenige Szenen als Reminiszenz – böse formuliert schlechte Kopien – zu Parks Version betrachtet werden können, wobei hier natürlich erwartungsgemäß der Härtegrad nach unten korrigiert worden ist. Zudem finden sich auch ein Großteil der geschichtlichen Änderungen, die Park gegenüber dem Manga vornahm, auch in der Lee-Variante, was dessen Aussage recht zweifelhaft erscheinen lässt. Einzig zugutehalten muss man Lee aber auch, dass von seiner Version des Films, die in der Rohschnittfassung wohl an die 3 Stunden umfasst haben soll, bei dem, was man als Zuschauer in kompakten 104 Minuten letztlich präsentiert bekommen, nicht mehr viel übrig geblieben sein kann.
© Universal Pictures
Nun muss ich aber auch wieder einmal einräumen, dass mir der originale Oldboy zuvor nicht bekannt war und ich quasi direkt zum Remake gegriffen habe – Kostverächter, ich weiß, unbedingt nachholen, das Original ist tausendmal besser etc. pp. – , was es mir nun aber zumindest ermöglicht hat, ein wenig unvoreingenommener an die Chose herangehen zu können und Spike Lees Interpretation als eigenständiges Werk zu betrachten, was allzu ausufernde Vergleiche zum Original in diesem Fall hinfällig macht. Dennoch, auch ohne den Vergleich ziehen zu können, wirkt Oldboy leider in keiner Weise rund und krankt an einer teils holprigen Inszenierung, wofür mitunter sicherlich die finale Schnittfassung verantwortlich sein könnte, so dass speziell die im Mittelteil angesiedelte Hammerkampfszene – die Lee in einem Take drehen ließ – durch einen Schnitt verstümmelt würde, aber auch so im westlichen Kontext leicht deplatziert wirkt, zumal es das erste, letzte und einzige Mal in dem Film ist, dass Protagonist Joe Doucett derartige Scharen an Gegnern entgegentreten, zumal die gesamte Plansequenz seltsam unblutig daherkommt, obwohl er munter mit einem Hammer, nun ja, draufloshämmert. Seltsam vor allem, dass andere Tötungen und Folterungen da weit expliziter und blutiger daherkommen und der Hammer nachweislich imstande ist, klaffende Wunden zuzufügen.
Was hingegen erstaunlich gut funktioniert ist die eröffnende Exposition des Ekelpakets Doucett bis hin zu seiner Inhaftierung, was zusammen etwa das erste Drittel des Films ausmacht und extrem stimmungsvoll und beklemmend gelungen ist, bevor er nach 20 Jahren und geläutert in die Freiheit entlassen wird. Tusch, Auftritt Elizabeth Olsen – übrigens einer der Hauptgründe, warum ich zur US-Version gegriffen habe – und die Handlung kommt in Gang. Zunächst begnügt sich Lee damit, den Zuschauer noch ein wenig im Dunkeln tappen zu lassen, was den Drahtzieher und dessen Beweggründe anbelangt, doch mit jeder verstreichenden Minute erliegt er mehr und mehr der Versuchung, häppchenweise Hinweise zu streuen, womit er es in letzter Konsequenz so sehr übertreibt, dass er die finale Auflösung, den großen Twist, in weiten Teilen vorwegnimmt und auch wenn das Finale – eben speziell für Nichtkenner einer der Vorlagen – überaus gelungen inszeniert ist und zu packen versteht, wäre hier im Vorfeld wieder einmal weniger mehr gewesen, statt schon vor der Auflösung alle benötigten Puzzleteile auf dem Silbertablett zu offerieren.
© Universal Pictures
Davon abgesehen punktet der US-Oldboy aber zumindest mit seinen Darstellern und Josh Brolin macht seine Sache, dem absoluten Widerling Joe im Verlauf der Erzählung dennoch sympathische Züge abzuringen und dessen Umdenken darzustellen ausnehmend gut und gefällt auch als stoischer, martialischer Einzelkämpfer auf Rachefeldzug, so dass er sich nahezu als Idealbesetzung für diesen einerseits einseitig unsympathischen und verachtungswürdigen, andererseits im Laufe der Jahre bereuenden, vielschichtigen, oft ambivalenten Charakter empfiehlt, an dessen Seite Elizabeth Olsen eine mehr als nur gute Figur macht und sich mit ihrer Darstellung und der schieren Leinwandpräsenz gegenüber dem zunächst ungleich dominanter wirkenden Brolin profiliert und Stärke, Verletzlichkeit, Misstrauen und Güte, Hilfsbereitschaft und Hoffnung in einer Figur und zu jeder Zeit zu vereinen versteht. Sharlto Copley derweil gelingt es in seiner Darstellung, seiner Figur den Wahnsinn aus jeder Pore triefen zu lassen – noch verstärkt durch sein gestelztes Reden und affektiertes Gehabe – und gibt einen mehr als brauchbaren, ja wahrhaft erschreckenden Widersacher ab, wohingegen Samuel L. Jacksons Beteiligung am Film mehr als nettes Gimmick verstanden werden darf, denn echte Tragweite oder Bedeutung bekommt seine Figur nicht, wirkt vor allem vergleichsweise schablonenhaft, so dass es selbst Michael Imperioli mit seiner kleinen aber feinen Rolle des Barbesitzers Chucky besser ergeht.
Bleibt schließlich festzuhalten, dass ich von Oldboy bei weitem nicht so enttäuscht war, wie viele andere Rezensionen und Kritiken es mich hätten erwarten lassen, aber ich kannte eben auch das Original und folglich die Auflösung nicht, wodurch speziell ein solcher Film natürlich steht und fällt, was ebenfalls zum Misserfolg des Remakes beigetragen haben mag, weshalb ich – ausgehend von meinem durchaus noch positiv zu nennenden Gesamteindruck – eigentlich jedem raten würde, doch ruhig mal einen Blick auf den Film zu werfen, wenn ich nicht wüsste, dass dann von allen Seiten die Rufe laut würden, dass man sich wenn das Original anschauen möge, was ja sowieso und überhaupt viel besser sei(n mag). Also spare ich mir die Empfehlung und beschließe meine Review, indem ich ganz wertungsfrei festhalte, dass Fans und Freunde von Josh Brolin und/oder Elizabeth Olsen voll und ganz auf ihre Kosten kommen sollten.
Oldboy
-
Brutal niedergestreckte Gegner - 6.5/10
6.5/10
Fazit & Wertung:
Sicherlich hätte es das US-Remake von Oldboy nicht gebraucht und es ist ärgerlich, dass Spike Lee seine Vision für den Stoff nicht annähernd adäquat verwirklichen konnte, doch handelt es sich immer noch um ein grundsolides Action-Drama mit Mystery-Touch, das zwar den finalen Twist viel zu früh viel zu deutlich ankündigt, gerade aber aufgrund der beiden Hauptdarsteller Brolin und Olsen eine durchaus gute Figur macht, wenn man sich auch eine konsequent etwas härtere Gangart hätte wünschen können.
Oldboy ist am 10.04.14 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
Ich habe das Remake nicht gesehen und werde es mir wahrscheinlich auch nie anschauen, aber Parks Original hat mich seinerzeit beim Fantasy Filmfest emotional stärker mitgenommen als fast alle anderen Filme, die ich je gesehen habe.
Vor allem drei Szenen/Sequenzen werde ich nie vergessen: Die erste ist eklig (und so im Remake bestimmt nicht vorhanden), die zweite grandios-spektakulär (die zentrale Kampfsequenz; vermutlich im Remake enthalten, aber garantiert nicht so virtuos umgesetzt wie im Original), die dritte niederschmetternd. Insofern kann ich dir wirklich nur raten, doch irgendwann das Original nachzuholen – zumal die Auflösung der Story laut Wikipedia im Remake leicht, aber doch sehr signifikant geändert wurde (rein vom Lesen her: zum Schlechteren). Von daher sollte es sich auf jeden Fall lohnen, Parks Meisterwerk auch noch anzuschauen … :)
Mh, ich meine mich erinnern zu können, dass ich auch was vom geänderten Ende gelesen habe und das klang für mich beim Original doch schon ziemlich abgehoben, wobei das filmisch umgesetzt sicher besser funktioniert als wenn man es eben nur liest. Ich schreibe ihn mir auch gerne noch mal auf die Agenda im Original, aber wann das was wird, steht wohl in den Sternen.
Die Kampfszene ist übrigens enthalten und wurde wohl auch in einem Take gefilmt, dann aber im Nachhinein doch zerschnitten, weil zu lang fürs Studio und wirkt ziemlich seltsam, wird also sicher nicht annähernd an das vermutlich auch deutlich härtere Original rankommen.