Review: Das Spiel der Götter 9: Gezeiten der Nacht | Steven Erikson (Buch)

Und da wäre ich auch schon wieder, weitestgehend gesundet und wie es der Zufall will mit einer weiteren Buch-Kritik im Gepäck, die – wie ich an dieser Stelle bereits erwähnt habe – eigentlich bereits vergangene Woche hier erscheinen sollte. Aufgeschoben ist ja aber bekanntlich nicht aufgehoben, also dann eben jetzt. Viel Spaß!

Das Spiel der Götter 9
Gezeiten der Nacht

Midnight Tides. A Tale of the Malazan Book of the Fallen 5, Part 2, USA 2004, 640 Seiten

Das Spiel der Götter 9: Gezeiten der Nacht von Steven Erikson | © Blanvalet
© Blanvalet

Autor:
Steven Erikson
Übersetzer:
Tim Straetmann

Verlag (D):
Blanvalet
ISBN:
978-3-734-16040-0

Genre:
Fantasy | Drama | Abenteuer

 

Inhalt:

Tot zu sein, hatte einige ganz eindeutige Vorteile, überlegte Bagg, als er den Pflasterstein vom Boden des Büros des Lagerhauses hob; ein schwarzes, gähnendes Loch kam zum Vorschein – und die oberste Sprosse einer zerfressenen Bronzeleiter. Schließlich brauchten tote Flüchtlinge weder etwas zu essen noch Wasser. Und auch keine Luft. Was es beinahe mühelos machte, sie zu verstecken.

Rhulad Sengar, der neue Imperator der Tiste Edur, ruft zum Sturm auf das Reich von Letheras, doch auch nur zu bereitwillig zurückgetretene Hexenkönig Hannan Mosag verfolgt weiterhin seine ganz eigenen Pläne, während sich bei Trull vermehrt Zweifel regen, was die Zurechnungsfähigkeit seines jüngeren, wiedergeborenen Bruders anbelangt. Zunächst von Kampfhandlungen relativ unbeeindruckt, versuchen Tehol Beddict und sein treuer Diener Bagg in Letheras weiterhin, ihre Pläne zum Sturz der hiesigen Wirtschaft umzusetzen, doch müssen auch sie bald erkennen, dass sie nicht die Augen vor den anstehenden Umwälzungen verschließen können.

Derweil beginnt die Freisprecherin Seren Pedac gemeinsam mit dem Kaufmann Buruk dem Bleichen die beschwerliche Heimreise und erlebt eine regelrechte Odyssee, während Tehols Bruder Brys als Kämpe des Königs nicht nur sein eigenes Ende, sondern gleich das von ganz Letheras nahen sieht und alles daran setzt, der Bedrohung etwas entgegenzusetzen, doch die Lage für die Letherii scheint mit jeder verlorenen Schlacht aussichtsloser…

Rezension:

Ausgehend von dem vorangegangenen Kinder des Schattens hätte ich nicht gedacht, dass mich Das Spiel der Götter 9: Gezeiten der Nacht so zu überzeugen wissen würde, doch wie so oft bei den zweigeteilten Fantasy-Bänden aus dem Hause Blanvalet verhält es sich auch hier so, dass das vorhergehende Buch im Grunde nur die Exposition für die nun folgenden Ereignisse gebildet hat und folglich steigt Eriksons Werk direkt mit hohem Tempo in die Geschichte ein, die zuvor mit einem Paukenschlag geendet hat, denn immerhin hat sich ein neuer Imperator aus den Reihen der Tiste Edur erhoben und beginnt nun allzu rasch seinen Feldzug gegen das Volk und Reich von Lether. Weiter verlässt sich Erikson dabei auf die unterschiedlichen Bruder der verfeindeten Fraktionen, um Anknüpfungs- und Identifikationspunkte für den Leser zu bieten und das Konzept geht auch hier auf, wenn man dabei zudem bedenkt, dass es sich im Grunde um ein und dasselbe Buch handelt, dessen zweiter Teil nun vorliegt.

Brys, der herbeigerufen worden war, um sich zum Ceda ins Cedarium – in das Zimmer der Fliesen – zu gesellen, stieg die letzten Stufen bis zum Absatz hinab und begab sich dann auf den erhöhten Laufgang. Kuru Qan ging anscheinend völlig in Gedanken versunken auf der Plattform am hinteren Ende im Kreis herum, wobei er leise vor sich hin murmelte.
»Ceda«, rief Brys, als er zu ihm trat, »Ihr wolltet mich sehen?«
»Unerfreulich, Finadd, alles höchst unerfreulich. Es übersteigt das Begriffsvermögen. Ich brauche einen klugen Kopf. Nicht meinen, mit anderen Worten. Vielleicht Euren. Kommt her. Hört zu.«

Vor allem aber ist es erneut Tehol, einer der drei Brüder Beddict auf Seiten der Letherii, der gemeinsam mit seinem Diener Bagg für einen Großteil des Unterhaltungswertes von Gezeiten der Nacht verantwortlich zeichnet und unterstreicht, welch feines Gespür Erikson für geschliffene und spitzfindige Dialoge hat, die mehr als einmal zum Schmunzeln einladen, ohne dabei die eigentliche Ernsthaftigkeit der gewohnt als episch anzusehenden Geschichte auch nur einen Moment zu unterminieren. Weitaus stoischer und wortkarger geht da Brys Beddict zu Werke, der das Geheimnis des toten Mädchens auf dem Friedhof zu lösen trachtet, dessen Schicksal nicht nur eng mit den dort eingeschlossenen magischen Energien, sondern gleich dem Schicksal von ganz Letheras verknüpft ist.

Beinahe noch spannender gestaltet sich derweil der Konflikt von Trull Sengar mit seinem jüngst zum Imperator aufgestiegenen – und vom Verkrüppelten Gott gefügig gemachten – Bruder Rhulad, der mit seinem vermehrten Dahinscheiden und der unweigerlichen Wiederkehr von den Toten mehr und mehr dem Wahnsinn anheimfällt, so dass Rhulads Letherii-Sklave und auserwählter Diener Udinaas, der selbst mit einem Haufen Geheimnisse bewehrt durch die Geschichte stolpert, oftmals zum eigentlichen Fixpunkt der Story erhoben wird, denn schließlich ist er es, auf den der innerlich zerrissene, vom Leben und später seinen Liebsten verratene Imperator noch am ehesten hört. Ein ähnliches Konzept verfolgt Erikson in Gezeiten der Nacht auch auf Seiten der Letherii, denn dass Tehols Diener Bagg weit, weit mehr ist als ein einfacher Diener, ahnte man spätestens seit man ihm in Kinder des Schattens das erste Mal begegnet ist und bekommt nun eine Auflösung präsentiert, die stimmiger kaum in die Handlung hätte geflochten werden können, zumal sich auch am Hofe des Königs von Letheras noch Gestalten verstecken, die nicht das sind, was sie zu sein scheinen.

Ein helles Lachen erklang von irgendwo in der Nähe des Eingangs zum Turm.
Er blickte auf.
Das Mädchen tauchte aus dem Schatten des Turms auf. »Ich kenne dich. Ich bin denen gefolgt, die dir gefolgt sind. Und habe sie getötet.«
»Was ist hier geschehen?«
»Schlimme Dinge.« Sie kam näher, von Schimmelflecken übersät und ungepflegt. »Bist du mein Freund? Ich sollte ihm helfen, am Leben zu bleiben. Aber er ist trotzdem gestorben, und jetzt sind sie damit beschäftigt, sich gegenseitig zu töten. Außer dem einen, den der Turm ausgesucht hat. Er will mit dir sprechen.«

Nimmt man den Vorgängerband gedanklich dazu, da es sich ja um den ersten Teil der Geschichte handelt, hat Erikson diesmal ein wenig gebraucht, um mich abzuholen, vielleicht aber auch nur, weil ich möglicherweise nicht darauf gefasst war, an diesem Punkt des Epos an einen weiteren Schauplatz geführt und in eine Geschichte mit beinahe gänzlich unbekannten Figuren geworfen zu werden, denn die Anknüpfungspunkte zu den Schauplätzen und Figuren der ersten sieben Bücher sind hier noch weitaus geringer als in den genannten Vertretern der Reihe Das Spiel der Götter, zumal selbst das Konzept der Drachenkarten und den damit verbundenen Häusern und Gottheiten auf dem Kontinent von Letheras gänzlich unbekannt zu sein scheint. Hier nun ist es Erikson erneut gelungen, mich vollumfänglich in den Bann seiner stetig wachsenden Welt zu ziehen und einmal mehr zu beweisen, wie virtuos es ihm gelingt, eine Vielzahl Handlungsstränge stimmig miteinander zu verbinden, denn auch mit den Namen der Figuren kam ich diesmal natürlich auch wieder weit besser zurecht, kannte ich sie schließlich nun schon aus Teil 1 der Geschichte. Einziger Wermutstropfen wird wie immer sein, dass es im jüngst erschienenen zehnten Band Die Feuer der Rebellion wieder an einen anderen Ort gehen wird, genauer zurück ins Reich der sieben Städte, doch harren auch dort nach zahllose unter den Nägeln brennende Fragen ihrer Beantwortung.

Fazit & Wertung:

Auf den Ereignissen des Vorgängers aufbauend, entfaltet sich in Das Spiel der Götter 9: Gezeiten der Nacht vom ersten Kapitel an eine beinahe soghaft wirkende Geschichte, die Erikson wieder einmal mit einer Vielzahl magischer wie epischer Geschehnisse anreichert, über all die schmerzhaften wie überraschenden Wendungen aber auch nicht vergisst, mit einer gehörigen Portion Humor aufzuwarten, der die Story merklich auflockert, ohne sie indes zu verwässern. Nach einem nicht vollends überzeugenden Start der Geschichte im Vorgängerband zieht er hier erneut alle Register und punktet mit einer bis ins kleinste Detail durchkomponierten Geschichte.

9 von 10 magischen Gewirren

Das Spiel der Götter 9: Gezeiten der Nacht

  • Magische Gewirre - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Auf den Ereignissen des Vorgängers aufbauend, entfaltet sich in Das Spiel der Götter 9: Gezeiten der Nacht vom ersten Kapitel an eine beinahe soghaft wirkende Geschichte, die Erikson wieder einmal mit einer Vielzahl magischer wie epischer Geschehnisse anreichert, über all die schmerzhaften wie überraschenden Wendungen aber auch nicht vergisst, mit einer gehörigen Portion Humor aufzuwarten, der die Story merklich auflockert, ohne sie indes zu verwässern. Nach einem nicht vollends überzeugenden Start der Geschichte im Vorgängerband zieht er hier erneut alle Register und punktet mit einer bis ins kleinste Detail durchkomponierten Geschichte.

9.0/10
Leser-Wertung 7.5/10 (2 Stimmen)
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Blanvalet. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Das Spiel der Götter 9: Gezeiten der Nacht ist am 20.07.15 bei Blanvalet erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!


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