Falls einer gedacht hat, ich würde heut nix von mir hören lassen, hat er – wie man sieht – falsch gedacht, denn hier komme ich schon mit meiner neuesten Brett- äähm Kartenspiel-Review! Macht euch einen schönen Samstagabend und einen schönen Sonntag am besten gleich auch noch!
Imperial Settlers
Imperial Settlers
© Pegasus Spiele
Ignacy Trzewiczek
Pegasus Spiele
Kartenspiel
Historie
1-4 Spieler
45-90 Minuten
Inhalt:
Auch wenn es die Box von Imperial Settlers auf den ersten Blick nicht vermuten lassen würde, handelt es sich zuvorderst um ein Kartenspiel, weshalb auch ein Großteil der in der Schachtel befindlichen Komponenten aus Völkerkarten sowie allgemeinen Karten besteht, dafür allerdings ergänz durch eine Vielzahl von Ressourcen-Markern, die entweder als liebevoll gestaltetes Holzutensil in Form von Arbeitern, Holzstämmen, Steinen oder Äpfeln – sprich Nahrung – oder aber als vollfarbiger Papp-Marker in Form von Gold, Schwertern und Schilden beiliegen. Neben den eigentlichen Karten sind die vier Völkertafeln (je eine für Römer, Barbaren, Japaner und Ägypter) eines der Kernelemente des Spiels und finden sich ebenso in der Box wie der Wertungsplan mit Siegpunktleiste und Rundenzähler. Alles in allem wartet die Box mit folgenden Spielmaterialien auf:
- 1 Wertungsplan
- 1 Rundenzählerplättchen
- 4 Völkertafeln
- 4 Völkerplättchen
- 30 Völkerkarten Römer
- 30 Völkerkarten Barbaren
- 30 Völkerkarten Japaner
- 30 Völkerkarten Ägypter
- 84 allgemeine Karten
- 16 Angriffskarten (für das Solospiel)
- 4 ägyptische Spezial-Plättchen
- 32 Holz-Marker
- 32 Stein-Marker
- 32 Nahrungs-Marker
- 40 Arbeiter-Marker
- 24 Gold-Plättchen
- 18 Zerstörungs-Plättchen
- 10 Verteidigungs-Plättchen
- 6 Vervielfältigungs-Plättchen
- 4 Spielübersichten
- 1 Startspieler-Plättchen
- 1 Spielregel
Rezension:
Ein erster Blick auf das bewusst knuffig gehaltene Imperial Settlers vermag schnell zu trügen, denn der glückliche Siedler, den man dort mit seinem Hund spazieren gehen sieht, entspricht nicht einmal annähernd dem, was man während des Spiels geboten bekommt – was aber in keiner Weise negativ gemeint sein soll – , denn was sich hier als fröhlich-locker-leichtes Aufbauspiel präsentiert, bei dem es sich de facto mehr um ein Karten- denn ein Brettspiel handelt, wenn auch jeder Spieler eine Völkertafel sein Eigen nennt und eine Vielzahl Marker und Plättchen zum Einsatz kommen, ist hinter dieser Fassade ein ungemein taktisch ausgelegtes und durchdachtes Strategiespiel, das wie so oft zwar einfach zu erlernen, aber nur schwer zu meistern ist. Dem zupass kommt insbesondere, dass es insgesamt zunächst vier Völker gibt, die gegeneinander antreten, namentlich die Römer, Ägypter, Japaner und Barbaren, die nicht nur jeweils einen eigenen Völkerkartenstapel mit ihnen eigenen Bauten besitzen, sondern sich auch hinsichtlich Taktik und Vorgehensweise teils massiv voneinander unterscheiden. „Zunächst“ bezieht sich im Übrigen darauf, dass bereits Erweiterungen zu dem bestehenden Grundspiel geplant sind, bei denen dann auch weitere Völker in den Ring steigen und sich die Möglichkeit eröffnen wird, eigene Völker aus den bestehenden Karten-Decks zusammenzustellen, doch darum soll es hier noch nicht gehen.
Ein Haufen Arbeiter vor malerischer Kulisse der Wertungsleiste
Ziel des Spiels ist es wie so häufig schlichtweg, am Ende die meisten Siegpunkte zu besitzen und dadurch die Mitspieler zu übertrumpfen. Möglichkeiten, an Siegpunkte zu gelangen, gibt es derweil in Imperial Settlers viele, denn nicht nur gibt es eine ganze Reihe Gebäude, mit denen man je Runde Siegpunkte generieren kann, zählt auch jedes Gebäude, was zum Ende des Spiels noch steht, jeweils einen beziehungsweise zwei Siegpunkte (so es sich nämlich um ein völkerspezifisches Gebäude handelt), weshalb ein etwaiger Vorsprung auch auf den letzten Metern zunichte gemacht werden kann. Gespielt wird dabei über gerade einmal fünf Runden, was sich zunächst nach einem schnellen Spiel anhört – und die Packung gibt die Spieldauer auch mit gerade einmal 45-90 Minuten an – doch kann dieser Eindruck täuschen, wenn man strategisch denkende Menschen mit am Tisch sitzen hat, so dass sich unsere längste Partie beinahe über vier Stunden erstreckt hat, was aber die Ausnahme bleiben sollte. Diese doch immense Dauer liegt darin begründet, dass man je Runde im Grunde so viele Aktionen durchführen kann, wie man möchte, so man denn die erforderlichen Rohstoffe, Arbeiter und dergleichen besitzt, um die entsprechenden Aktionen auch durchzuführen, doch beginnen wir von vorn.
Ablauf einer Runde – die vier Phasen
Eine Runde Imperial Settlers gliedert sich jeweils in vier Phasen, deren erste darin besteht, dass jeder Spieler eine neue Karte von seinem Völkerstapel zieht sowie zwei Karten aus dem allgemeinen Vorrat erhält. Bei diesen Karten handelt es sich samt und sonders um Gebäude oder weiter gefasst Örtlichkeiten, die man an seine Völkertafel anbauen kann. Diese Orte wiederum gliedern sich in drei unterschiedliche Rubriken, nämlich Produktionsorte, Fähigkeitenorte und Aktionsorte, wobei hier jeweils der Name Programm ist und kaum einer Erklärung bedarf, so dass man mittels Produktion die eigene Rohstoff-Erwirtschaftung ankurbeln kann, Orte der Kategorie Fähigkeit meist einen passiven Bonus, eine Fähigkeit eben verleihen und Orte der Kategorie Aktion in die Lage versetzen, geben Abgabe unterschiedlicher Rohstoffe und Waren spezielle Aktionen durchzuführen. Sind die Karten, von denen man auch während der Runde durchaus noch welche erwerben kann, verteilt, endet diese erste Phase bereits.
Nicht nur Gold, auch Rohstoffe wie Holz und Stein sind begehrte Güter
In der zweiten, der Ertragsphase nun erhält jeder Spieler Rohstoffe anhand seiner Völkertafel sowie etwaiger Produktionsorte. Dabei kann es sich um Arbeiter handeln, Rohstoffe wie Holz, Stein oder Nahrung, Gold als Universalrohstoff sowie Zerstörungsplättchen – Schwerter eigentlich – , die dazu dienen, gegnerische (oder auch zuweilen eigene) Gebäude zerstören zu können, wohingegen die Verteidigungsplättchen (Schilde) ebendies erschweren. Zudem gibt es im weiteren Spielverlauf auch die Möglichkeit, direkt in der Erwerbsphase Siegpunkte zu generieren, die direkt auf dem Wertungsplan vermerkt werden. Last but not least gibt es aber auch Gebäude, die zu diesem Zeitpunkt das Ziehen weiterer Karten erlauben, wobei man sich hier in den meisten Fällen frei entscheiden kann, ob dies vom Völkerkartenstapel oder dem allgemeinen Stapel erfolgen soll. Ist dies geschehen, steht jedem Spieler ein Grundstock an Rohstoffen und Waren zur Verfügung, um die laufende Runde zu bestreiten, denn am Ende müssen mit Ausnahme der Karten, von denen man beliebig viele besitzen kann, und den Siegpunkten alle Waren abgeworfen werden, wobei jedes Volk genau eine Ware hat, die es zu lagern imstande ist, also in die folgenden Runden hinüberretten kann.
Was zu tun ist – Kernaspekte des Spiels
Die Barbaren, sprichwörtlich in Aktion
An die Ertragsphase nun schließt sich der eigentliche Kern des Spiels, die Aktionsphase an. Reihum hat nun jeder Spieler die Möglichkeit, genau eine Aktion durchzuführen, wobei dies so lange fortgeführt wird, bis jeder Spieler gepasst hat, also nichts mehr tun kann. Dabei stehen fünf mögliche Aktionen zur Verfügung, die aber auch beliebig oft je Runde genutzt werden können, sich also nicht erschöpfen, wobei es auch hier natürlich wieder Ausnahmen gibt. Zunächst einmal besteht natürlich die Möglichkeit, einen Ort zu bauen, wofür man die auf der jeweiligen Karte aufgedruckten Baukosten abgibt und das Gebäude neben seine Völkertafel an die entsprechende Stelle legt. Besonders ist hier hinsichtlich der Produktionsgebäude, dass diese beim Bau auch direkt produzieren, so dass man durchaus mehrfach pro Runde währenddessen neue Rohstoffe erhält, um weitere Aktionen durchzuführen. Ebenso weisen viele Karten eine Bauprämie auf, die man ebenfalls in exakt dem Moment bekommt, wenn das Gebäude ausgelegt wird.
Analog zum Bau hat man aber auch die Möglichkeit, Gebäude zu zerstören, indem man zwei Zerstörungsplättchen abgibt, um ein gegnerisches Gebäude niederzureißen, oder nur eins, wenn das Ziel ein eigenes Gebäude sein soll, was manchmal durchaus Sinn macht, denn die Zerstörung bringt auch immer eine Belohnung mit sich, die auf der jeweiligen Karte aufgedruckt ist. Zudem bekommt der Besitzer des zerstörten Gebäudes ein Holz aus dem Vorrat und behält das Fundament in seiner Auslage, was später für den Bau neuer Gebäude von Vorteil sein kann, denn insbesondere die völkerspezifischen Orte erfordern es häufig, dass man ein eigenes Gebäude aus der Auslage abwerfen muss, um dieses bauen zu können.
Produktionsgebäude der römischen Bevölkerung
Daneben besteht noch die Möglichkeit, Handelsabkommen zu treffen, wofür man eine seiner völkerspezifischen Karten – die allesamt am unteren Rand ein Rohstoffsymbol enthalten – gegen Abgabe von einer Nahrung umgekehrt unter seine Völkertafel legen kann und fortan in der Ertragsphase den entsprechenden Rohstoff zusätzlich bekommt, also im Grunde die eigene Produktion erhöht, wobei man auch hier direkt beim Treffen des Handelsabkommens die aufgedruckte Ware erhält. Zuletzt kann man seine Aktion dazu nutzen, einen seiner Aktionsorte zu aktivieren oder – diese Fähigkeit besitzt jedes Volk – gegen Abgabe von zwei Arbeitern ein Holz, ein Stein, ein Nahrung oder eine Karte zu erhalten.
Aktionen werden wie gesagt so lange durchgeführt, bis keiner der Spieler noch etwas tun kann oder möchte und passt, wobei Spieler, die gepasst haben, bis zum Ende der Runde vor Angriffen ihrer Mitspieler geschützt sind, sich aber auch zu keinem Zeitpunkt wieder in das Geschehen einklinken dürfen, auch wenn sie dies könnten oder möchten. Es schließt sich die Aufräumphase an, in der alle genutzten und ungenutzten Waren abgeworfen werden, sofern sie nicht gelagert werden können. Zuletzt wird das Startspielerplättchen weitergereicht und der Rundenzähler auf die nächste Runde gelegt, woraufhin die nächste Runde beginnen kann.
Das Römische Reich in all seiner Pracht
Vier Völker im Konkurrenzkampf
Ihr seht, im Grunde ist das Ganze recht simpel und überschaubar gehalten, auch hinsichtlich dessen, was man zu tun imstande ist, doch ergeben sich durch die Kombination der insgesamt 84 allgemeinen Karten nebst den völkerspezifischen Karten – jeweils 30 – oftmals interessante Synergieeffekte, zumal jedes Volk seine eigene Taktik erfordert, die Barbaren beispielsweise oftmals über enorm viele Arbeiter verfügen, aber kaum Rohstoffe, geschweige denn Gold generieren, wohingegen die Ägypter zuvorderst an Gold und Steine gelangen, viele ihrer Kartenfähigkeiten aber auch beispielsweise Gold erfordern, um sie voranzubringen, während die Römer schneller an Zerstörungsplättchen gelangen und ihr mageres Rohstoffauskommen durch Plünderungen aufzuwerten wissen werden, wohingegen die Japaner die Möglichkeit besitzen, ihre Gebäude mit Samurai zu schützen und in der Lage sind, an fremden Handelsabkommen zu partizipieren. Insbesondere die Römer und Barbaren sind dabei auch speziell für Einsteiger gut spielbar und schnell verstanden, derweil die Japaner gleich mit einer ganzen Anzahl Sonderregeln aufwarten, was damit beginnt, dass auch ihre Völkerkarten Ziel eines Angriffs werden können, während diese bei den anderen Völkern unangreifbar sind. Die Ägypter bewegen sich irgendwo dazwischen, haben mir aber auch bei der letzten Partie, als ich sie das erste Mal gespielt habe, schlussendlich den Sieg eingebracht.
Was wäre Rom ohne eine Gladiatorenschule?
So wirken die Völker, so unterschiedlich sie auch sein mögen, durchaus enorm ausgeglichen und es wird am Ende eine Frage des eigenen Spielstils sein, welche Ausrichtung man favorisiert, wobei es natürlich für eine vierköpfige Runde unerfahrener Imperial Settlers-Neulinge zunächst ein wenig blöd sein kann, dass zwei davon gezwungen sind, mit den schwieriger zu meisternden Japanern oder Ägyptern spielen zu müssen, doch was sich anfänglich als Manko darstellt, wird mit jeder weiteren Partie eine der großen Stärken des Spiels, da die Völker so unterschiedlich gewichtet sind und man sich gerade bei voller Spieleranzahl darauf einstellen muss, von unterschiedlichsten Seiten auf unterschiedliche Art und Weise beharkt zu werden, denn auch wenn in der Spielregel eine Option für eine friedliche Variante enthalten ist, kann ich diese nicht wirklich empfehlen, denn das Zerstören fremder Gebäude und die gleichzeitige Stärkung der eigenen Position ist durchaus einer der Kernaspekte des Spiels, auch wenn man das wie gesagt aufgrund der knuffigen Bildchen zunächst nicht glauben mag, weshalb ich diesen Aspekt auch nicht missen wollen würde, denn dieser gesunde Konkurrenzkampf vierer an die Spitze strebender Völker gibt diesem Spiel erst die richtige Würze, zumal man ja durch geschicktes Agieren und Taktieren durchaus in der Lage ist, für derartige Übergriffe schnell Rache zu nehmen.
Für den einen oder anderen interessant sein mag auch noch die Solo-Variante, der sich die Anleitung auf zwei Seiten widmet, die nämlich hier tatsächlich durchdacht und messbar geraten ist und eine Menge Freude macht – mir zumindest – auch wenn es zugegebenermaßen extrem selten vorkommt, dass ich so viel Zeit und Muße habe, mich alleine einem Spiel zu widmen, doch wem das gefällt, der findet hier endlich einmal ein durchdachtes und motivierendes Konzept, was später auch sicherlich dazu taugen mag, eigens zusammengestellte Völker auf Herz und Nieren zu prüfen, doch das wird wie gesagt erst ein Thema werden, wenn die angekündigte(n) Erweiterung(en) hierzulande aufschlagen. Bis dahin allerdings ist man – egal ob allein, zu zweit, zu dritt oder viert, auch mit dem Grundspiel von Imperial Settlers zunächst vorzüglich bedient, zumal es durchaus einiger Durchläufe mit ein und demselben Volk bedarf, um sich die richtig großartigen Taktiken zurechtzulegen, von denen man bei der ersten Partie wahrscheinlich noch nicht einmal etwas ahnt.
Imperial Settlers
-
Spielkonzept/-mechanismen
-
Ausstattung/Qualität
-
(Langzeit-)Spielspaß
Fazit & Wertung:
Während sich Imperial Settlers bewusst leichtfüßig präsentiert, verbirgt sich dahinter ein ungemein taktisches und forderndes Kartenspiel mit einer Vielzahl ausgereifter und ineinandergreifender Mechanismen, die zwar auch vom Kartenglück abhängen, aber ebenso eine gewiefte und durchdachte Strategie erfordern. Vier sich gänzlich unterschiedlich spielende Völker runden den durchweg positiven Eindruck gekonnt ab und versprechen – auch im Hinblick auf künftige Erweiterungen – eine Menge Langzeitspielspaß mit einer gesunden Portion Konkurrenzkampf.
Weitere Details zum Spiel findet ihr auf der Seite von Pegasus Spiele.
– – –
Das Imperial Settlers ist am 23.07.15 bei Pegasus Spiele erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!
Huch, Imperial Settlers ist irgendwie an mir vorbei gegangen, direkt mal auf die Amazon Wunschliste gepackt. :)