Review: American Blood | Ben Sanders (Buch)

Heute habe ich mal wieder einen relativ klassischen Thriller für euch im Gepäck, der mir jüngst vor die imaginäre Flinte gelaufen ist und der mich gut zu unterhalten wusste, aber um nicht wieder etwas vorzugreifen, halte ich jetzt einfach den Mund und lass euch die Buch-Kritik lesen. Macht euch einen schönen Abend!

American Blood

American Blood, USA 2015, 432 Seiten

American Blood von Ben Sanders | © Heyne Verlag
© Heyne Verlag

Autor:
Ben Sanders
Übersetzer:
Berni Mayer

Verlag (D):
Heyne Verlag
ISBN:
978-3-453-41839-4

Genre:
Krimi | Thriller

 

Inhalt:

Manchmal lag er nachts wach und dachte an all seine Toten. Es waren die Sünden der Anderen, aber sie raubten ihm dennoch den Schlaf. Den Jungen, den sie in South Brooklyn zurückgelassen hatten. Die aufgeflogene Beschattung in Koreatown. Die vom Midtown South Precinct hatten gesagt, die Transfusion hätte ihm fast das Leben gerettet. Schöne Vorstellung, so kurz vor dem Abtreten, und du bist voller Morphium und fremdem Blut.
Die Sünden der Anderen, doch er war ihr Zeuge.
Ihr Komplize, es waren auch seine Toten.

In seinem früheren Leben war Marshall Grade beim NYPD beschäftigt und ermittelte undercover im tiefsten Sumpf des organisierten Verbrechens der Stadt, doch seine Tarnung fliegt auf und Marshall muss im Zeugenschutzprogramm untertauchen und wird prompt nach Santa Fe, New Mexico verfrachtet. Langsam aber sicher wusste sich Marshall in diesem Leben einzurichten und die Füße stillzuhalten, so dass die auf ihn angesetzten Verbrecher seiner noch nicht habhaft werden konnten, doch als eine junge Frau verschwindet, die jemandem aus seinem früheren Leben frappierend ähnelt, kann Marshall nicht anders, als sich der Sache anzunehmen, ungeachtet dessen, dass er damit seine Tarnung und Sicherheit gefährdet und sich gleich noch eine ganze Schar neuer Feinde macht…

Rezension:

Aus dem Umstand heraus, mal wieder einen schönen, handfesten und schnörkellosen Thriller lesen zu wollen, griff ich kürzlich zu Ben Sanders‘ American Blood, dass nicht von ungefähr allein vom Cover her schon ein wenig an die Bücher von Lee Child und dessen Figur Jack Reacher erinnert, mit dem Protagonist Marshall Grade bereits des Öfteren verglichen worden ist, doch ohne die literarischen Abenteuer eines Jack Reacher zu kennen, sind mir doch Eckdaten zu Stil und Art der Geschichten bekannt und kann nun zustimmen, dass dieser Vergleich nicht von der Hand zu weisen ist. So ist nun also auch Marshalls Mär als Auftakt einer Reihe gedacht, was man dem Buch allerdings in keiner Weise anmerkt, zumal ich mich in diesem Wissen des Öfteren – und natürlich speziell zum Ende hin – gefragt habe, wie man da einen zweiten Teil sinnvoll anknüpfen lassen könnte, denn die Story des Romans wirkt doch ziemlich rund und in sich geschlossen, aber diesbezüglich kann ich mich ja einfach überraschen lassen.

Regen auf dem Dach des Motels. Er saß auf der Bettkante, den Kopf in den Händen, und versuchte, sich zu konzentrieren. Weißes Rauschen flutete langsam seine Gedanken. Er überlegte, ob er nochmal die Nummer in New York wählen sollte. Er tat es nicht, aber es reichte, um die Schleife der Erinnerungen wieder in Gang zu setzen.

Sanders bedient sich bei der Inszenierung seiner Story auch einiger Kniffe, lässt unterschiedliche Kapitel aus der Sicht unterschiedlicher Figuren ablaufen oder zuweilen das gegenwärtige Geschehen in eine Rückblende münden, die sich parallel zur eigentlichen Geschichte entwickelt und nach und nach Details und Hintergründe zu Marshalls Zeit beim New Yorker Mob offenbart. Das liest sich alles recht stimmig und lässt durchblicken, dass Sanders kein Neuling in der Literaturszene ist, was nicht verwunderlich ist, hat er schließlich in seiner Heimat Neuseeland bereits die drei Bücher umfassende Auckland-Reihe veröffentlicht, die es allerdings bis dato nicht in deutscher Sprache gibt, wohingegen es sich bei American Blood – der Name spoilert es ein wenig – um sein amerikanisches Debüt handelt, was eine etwaige Übersetzung natürlich deutlich attraktiver macht. Damit aber nicht genug, sicherte sich Warner Bros. bereits 2014 die Filmrechte an dem Stoff und plant, Bradley Cooper als Marshall in Erscheinung treten zu lassen, was umso faszinierender ist, als dass der Roman selbst erst im November 2015 erschienen ist.

Um aber zum eigentlichen Buch zurückzukommen, erwartet einen bei American Blood grundsolide Thriller-Kost mit einer durchaus schneidigen Hauptfigur, doch sind die Parallelen, die einschlägigen Versatzstücke so vielfältig und mannigfach vertreten, dass dem Roman schlichtweg seine Eigenständigkeit verloren geht, denn echte Überraschungen oder Innovationen sucht man hier vergeblich, auch was die Dramaturgie des Ganzen anbelangt. So beginnt die Story zunächst beinahe verworren und schmeißt einen mitten ins Geschehen, während man seine liebe Mühe hat, die unterschiedlichen Figuren einzuordnen, um dann im sich anschließenden Mittelteil die Fäden langsam zusammenlaufen zu lassen und das Figuren-Konsortium auszudünnen, bevor alles in ein effekthascherisches und reißerisches Finale mündet. So bekommt man zwar dem Grunde nach genau das, was man sich erwarten darf, doch hätte mir da ein wenig mehr Einfallsreichtum und ein Mehr an Alleinstellungsmerkmalen doch gefallen.

Er hatte angenommen, dass der Crown Vic der Polizei von Albuquerque gehörte, aber die Akte stammte von der DEA. Er hatte gerade einen Bundesagenten bestohlen.
Zunächst waren da Notizen von der Polizei von Albuquerque, laut Datum erst wenige Tage alt. Er wusste, dass man einen Bericht erst zweiundsiebzig Stunden nach der Vermisstenanzeige verfassen durfte. Heute war Freitag. Alyce wurde seit letzten Samstag vermisst, in dem Bericht war die Rede von einer Anzeige am Dienstag. Sechs Tage vergangen, doch die Suche lief erst seit drei.

Immerhin kann man sagen, dass die Schreibe, nachdem man sich grob im Setting zurechtgefunden hat, durchaus schmissig ist und die Dialoge zu gefallen wissen, derweil ich auch speziell die Rückblenden als durchweg gelungen empfunden habe, wenn sich auch ab einem gewissen Punkt andeutet, wohin die Reise geht. Nicht zuletzt ist es aber auch Marshalls markante Art und toughe Attitüde, die gerade in den etwas derberen Szenen den Unterhaltungswert hochtreibt. Anders sieht es da schon wieder mit dem eigentlichen Plot-Aufhänger aus, dass Marshall ein Mädchen finden beziehungsweise retten möchte, das jemandem aus seinem ersten Leben erstaunlich ähnlich sieht und dafür sowohl Deckung als auch Tarnidentität gefährdet, schien mir doch zunächst nicht wirklich schlüssig. So kann man American Blood durchaus gelesen haben, verpasst meines Erachtens aber auch nichts, wenn man statt Marshall Grade einem der anderen einschlägigen Ein-Mann-Kommandos wie eben Jack Reacher einen Besuch abstattet, denn um wirklich lohnenswert zu sein, emanzipiert sich Sanders‘ Auftaktroman zu wenig von den typischen Gestaden eines mit Krimi-Plot angereicherten Thrillers.

Fazit & Wertung:

Ben Sanders‘ American Blood ist ein rundweg unterhaltsamer Thriller und bietet mit Marshall Grade einen angenehm kompromisslosen Protagonisten, doch bedient sich der Plot in weiten Teilen an zu vielen Klischees und Stereotypen, um wirklich überraschen zu können, derweil er zumindest auf inszenatorischer Seite durch geschickte Perspektiv- und Zeitenwechsel durchaus Boden gutzumachen weiß.

7 von 10 Erinnerungen an die Zeit in New York

American Blood

  • Erinnerungen an die Zeit in New York - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

Ben Sanders‘ American Blood ist ein rundweg unterhaltsamer Thriller und bietet mit Marshall Grade einen angenehm kompromisslosen Protagonisten, doch bedient sich der Plot in weiten Teilen an zu vielen Klischees und Stereotypen, um wirklich überraschen zu können, derweil er zumindest auf inszenatorischer Seite durch geschickte Perspektiv- und Zeitenwechsel durchaus Boden gutzumachen weiß.

7.0/10
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Weitere Details zum Buch und der Autorin findet ihr auf der Seite des Heyne Verlag.

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American Blood ist am 12.09.16 im Heyne Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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