Review: Mars Override | Richard Morgan (Buch)

Beinahe hätte ich es noch verpennt, die heutige Rezension online zu stellen, aber zum Glück bin ich dafür dann doch zu sehr im Trott, als es gänzlich zu verschwitzen. Kommen wir nun also zu meiner Buch-Kritik für diese Woche.

Mars Override

Thin Air, USA 2018, 736 Seiten

Mars Override von Richard Morgan | © Heyne
© Heyne

Autor:
Richard Morgan
Übersetzer:
Bernhard Kempen

Verlag (D):
Heyne
ISBN:
978-3-453-32022-2

Genre:
Krimi | Science-Fiction | Thriller

 

Inhalt:

Hakan Veil, ehemalige Eliteeinheit bei Blond Vaisutis, ehemaliger Söldner und Kopfgeldjäger bei Indenture Compliance, hat die Schnauze gestrichen voll vom Mars und dessen Korruption und Kriminalität im Mariner Valley. Seine Jobs wählt er mittlerweile in Eigenregie, doch fällt es zunehmend schwerer, über die Runden zu kommen, zumal die Art seiner Aufträge ihn auch immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt bringen. Eine dieser Gesetzeshüterinnen ist Lieutenant Dominica Chakana, die ihn jüngst wieder wegen eines Mordverdachts hat festsetzen lassen, doch nach der Ankündigung durch das Earth Oversight Comitee, dass die Mars-Kolonie einem umfassenden Sonderaudit unterzogen würde, findet Chakana Verwendung für den sogenannten Overrider Veil und stellt ihn dazu ab, den Bodyguard für Madison Madekwe, ein zweitrangiges Mitglied des Audit-Teams, zu geben. Veil hat kaum eine andere Wahl, als zuzustimmen, will er nicht in seiner Zelle versauern, doch was zunächst wie ein leichter Job wirkt, nimmt bald ungeahnte Ausmaße an, denn nicht damit genug, dass Madekwe das mysteriöse Verschwinden eines Lotterie-Gewinners namens Pavel Torres neu aufzurollen gedenkt, tritt bald eine weitere Interessengruppe an Veil heran, die ihrerseits dem Overrider ein Ticket zur Erde in Aussicht stellt, wenn er nur ihren Befehlen Folge leistet…

Rezension:

Eigentlich hatte ich ja gehofft, der Heyne Verlag würde nach der Neuauflage von Altered Carbon – natürlich anlässlich und pünktlich zur Adaption als gleichnamige Netflix-Serie – zunächst einmal damit fortfahren, die weiteren Bände der Takeshi-Kovacs-Trilogie neu herauszugeben, doch stattdessen sollte es nun zunächst Mars Override sein, der eigentlich Thin Air heißt und seines Zeichens den zweiten Band der Black-Man-Reihe darstellt (der erste Band ist hierzulande 2007 als Skorpion erschienen und nur noch gebraucht oder digital zu bekommen), wie ich bei nachträglicher Recherche erfahren habe. Das macht aber tatsächlich in gleich zweierlei Hinsicht nicht viel, denn einerseits liest sich der über 700 Seiten starke Band tatsächlich auch ohne Vorkenntnisse absolut schlüssig und schmissig, andererseits wirkt der hier im Mittelpunkt der Ereignisse stehende Hakan Veil dem eingangs erwähnten Takeshi Kovacs so ähnlich, dass man auch aus diesem Band mit leichten Anpassungen locker einen Kovacs-Roman hätte machen können.

Überall in der Stadt lassen Firmenlogos und COLIN-Werbeflächen die Skyline in flüssigem Kristallfeuer funkeln, tragen ihren Teil dazu bei, die anrückende außerirdische Dunkelheit zurückzuhalten. Aber die Markenloyalität und -zugehörigkeit, die man gegen diese Dunkelheit kaufen kann, ist begrenzt, und die Mächte in einem wissen das. Tief drinnen, wo das menschliche Getriebe läuft, läuft auch die Uhr – sie dreht ihre grellen Ziffern herum wie die Karten eines Verliererblatts. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man sich dessen bewusst wird. Und wenn es passiert, haucht einem die Erkenntnis kalt ins Genick.

Hakan Veil derweil ist Overrider, ein genetisch hochgezüchteter, technisch aufgemotzter Elite-Kämpfer, der einst in den Diensten von Blond Vaisutis stand und sich später als eine Art Kopfgeldjäger bei dem Mars-Unternehmen Indenture Compliance verdingte. Und auf dem Mars ist Veil auch gestrandet und wünscht sich wie viele Bewohner des roten Planeten nichts sehnlicher, als zu Mutter Erde zurückkehren zu können, zumal das Leben auf dem Mars karg wie erbarmungslos ist und nicht eben große Perspektiven bietet, zumal die kolonisierte Welt längst von den Konzernen und zahllosen gewaltbereiten Interessengruppen dominiert wird. Als sich ein Audit von der Erde ankündigt, wird Veil halb unfreiwillig dazu abgestellt, den Bodyguard für eine Vertreterin des Audit-Teams zu geben, was sich zwar nach einem einfachen Job anhört, ihn alsbald aber in schwere Bedrängnis bringt, als so ziemlich alles schiefläuft, was nur schiefgehen kann. Vor allem aber verwendet Morgan zunächst nicht nur Zeit darauf, aus der Sicht von Hauptfigur und Erzähler Veil die Begebenheiten auf dem Mars zu umreißen, nein, es gelingt ihm auch eine zunächst überschaubar scheinende Geschichte zu eröffnen, deren tiefere Schichten sich erst nach und nach, Kapitel für Kapitel offenbaren.

Würde ich jetzt anzufangen aufzuzählen, wem Veil so alles begegnet, wer sich ihm im Verlauf der Geschichte in den Weg stellt, welcher Konzern welche Spielchen treibt und welche Splittergruppe welche Ziele verfolgt, würden mir wie euch alsbald die Köpfe rauchen, doch zum Glück brauche ich gar nicht so sehr ins Detail gehen, um festzuhalten, dass weitaus mehr an der Geschichte dran ist, als es zunächst den Anschein hat. Natürlich weiß man das bei einem 700-Seiten-Wälzer auch im Vorfeld, doch die Art und Weise, wie hier am laufenden Band Erkenntnisse präsentiert, Bündnisse offengelegt und Intrigen aufgedeckt werden, lassen Mars Override zu einem echten Page-Turner werden, der ihm Übrigen vom versierten Übersetzer Bernhard Kempen wirklich kongenial ins Deutsche übertragen worden ist, wenn ich an all die Wortschöpfungen und Slang-Ausdrücke denke, die hier Verwendung finden, um diese Art dystopische Mars-Fantasie lebendig werden zu lassen. Wie bei Morgan üblich, geht es aber nicht nur reichlich vertrackt, sondern auch reichlich brutal zur Sache und Veil seinerseits kann sich glücklich schätzen, ein dergestalt aufgerüstetes Individuum zu sein, denn er gerät im Verlauf seiner Ermittlungen in weit mehr als nur ein paar brenzlige Situationen.

Eine kurze Welle panischer Bewegungen rund um den Tisch. Einer der Kraterkriecher griff nach etwas unter seiner Jacke und ließ dann wieder locker, als ein Kamerad ihm behutsam eine Hand auf den Arm legte. Hinter Sal lief das gleiche Zucken durch seinen Sicherheitstrupp – zwei Einheimische mit harten Gesichtern in lockerer Kleidung, die kaum die Masse ihrer Panzerwesten darunter erkennen ließ. Ich sah, wie die Frau auf der rechten Seite in ihre Kom-Halskette subvokalisierte, und vermutete, dass sie versuchte, mit der Tür zu sprechen.

Im Grunde ist Mars Override für all jene Pflichtprogramm, die sich schon für Altered Carbon (in der einen oder anderen Form) oder Werke wie Blade Runner und dessen nicht nur optisch opulenten (Film-)Nachfolger Blade Runner 2049 zu begeistern wussten und dank der wirklich genialen Schreibe und eben Übersetzung wird man förmlich in eine fremde Welt voller Gefahren und Geheimnisse gesaugt, weshalb mir auch der immense Umfang nicht wirklich etwas ausgemacht hat, denn jede weitere Seite bedeutet eben auch schlichtweg mehr Details und Zusammenhänge für diesen schillernd-morbiden Weltenentwurf. Dennoch muss ich einräumen, dass auf die letzten Meter der Roman dann doch ein wenig zu lang geraten wirkt. Es ist nicht so, dass der Story wirklich die Puste ausgehen würde, doch ein bis zwei Wendungen weniger hätten das Geschehen durchaus straffen können, gleichwohl der Abschluss und die Auflösung(en) durchaus befriedigend geraten sind und ich den Ausflug zum Mars nicht missen möchte. Bleibt zu hoffen, dass man bei Heyne langsam aber sicher die Schlagzahl bei der Neuauflage von Richard K. Morgans Romanen erhöht, die beinahe allesamt kaum noch zu bekommen sind, die ich nach meiner neuerlichen Begeisterung für diesen Vertreter seines Œuvres gerne allesamt lesen, um nicht zu sagen verschlingen möchte.

Fazit & Wertung:

Mit Mars Override legt Richard Morgan gleichsam einen faszinierenden Weltenentwurf des kolonisierten Mars vor, als auch eine ungemein wendungs- wie actionreiche Kriminalgeschichte vor futuristischem Setting, die vor Gefahren und Geheimnissen nur so strotzt. Der genetisch modifizierte und technisch hochgerüstete Protagonist und Erzähler Hakan Veil erinnert zwar auffallend an den aus Altered Carbon bekannten Takeshi Kovacs, doch tut das der Faszination für diese zunehmend epischer werdende Geschichte keinen Abbruch.

9 von 10 brutalen Überlebensstrategien

Mars Override

  • Brutale Überlebensstrategien - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Mit Mars Override legt Richard Morgan gleichsam einen faszinierenden Weltenentwurf des kolonisierten Mars vor, als auch eine ungemein wendungs- wie actionreiche Kriminalgeschichte vor futuristischem Setting, die vor Gefahren und Geheimnissen nur so strotzt. Der genetisch modifizierte und technisch hochgerüstete Protagonist und Erzähler Hakan Veil erinnert zwar auffallend an den aus Altered Carbon bekannten Takeshi Kovacs, doch tut das der Faszination für diese zunehmend epischer werdende Geschichte keinen Abbruch.

9.0/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Heyne. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Mars Override ist am 10.06.19 bei Heyne als Taschenbuch erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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