Review: Wie meine Frau einundfünfzig Prozent ihrer Seele rettete | Andrew Kaufman (Buch)

Heute erzähle ich euch dann mal wieder von einem Buch von Andrew Kaufman, das man wohl eher als Büchlein bezeichnen könnte, was aber nichts daran ändert, wie lohnenswert und interessant ich allein die Prämisse wieder empfunden habe.

Wie meine Frau einundfünfzig Prozent ihrer Seele rettete

The Tiny Wife, CA 2011, 112 Seiten

Wie meine Frau einundfünfzig Prozent ihrer Seele rettete von Andrew Kaufman | © btb
© btb

Autor:
Andrew Kaufman
Übersetzerin:
Eva Bonné

Verlag (D):
btb
ISBN:
978-3-442-71565-7

Genre:
Drama | Fantasy

 

Inhalt:

An einem schicksalsträchtigen Tag werden die Besucher eine Bankfiliale von einem mehr als merkwürdigen Räuber bedrängt, ihm jeweils das Stück mit dem größten emotionalen Wert zu übergeben. Schließlich erfahren sie von ihm, dass er ihnen damit jeweils einundfünfzig Prozent ihrer Seelen geraubt habe und sie lernen müssten, diese zu regenerieren, da sie ansonsten dem Tod geweiht seien. Auch die Frau des Erzählers ist hiervon betroffen und beginnt tags darauf zu schrumpfen. Über eine eilends ins Leben gerufene Selbsthilfegruppe erfährt der Erzähler auch von den Schicksalen der anderen Filial-Besucher, derweil seine Frau immer weiter und immer schneller an Körpergröße verliert…

Rezension:

Bei der heutigen Buch-Rezension muss ich – Achtung, Übertreibung – regelrecht aufpassen, dass mein Artikel nicht länger wird als das eigentliche Buch, denn obwohl Andrew Kaufmans Bücher noch nie zu den umfangreichsten gehört haben, schießt er nun mit Wie meine Frau einundfünfzig Prozent ihrer Seele rettete den Vogel ab und offeriert ein Büchlein von knapp über hundert Seiten Umfang, das noch dazu mit einem gehörigen Weißanteil und einigen seitenfüllenden Schatten-Zeichnungen "gestreckt" wird, was in Anbetracht des Preises sicherlich Unmut erregen könnte. Die Qualität eines Buches bemisst sich aber freilich nicht an dessen Umfang oder Preis und so bin ich persönlich froh, auch diesem neuesten Vertreter des literarischen Schaffens von Kaufman meine Zeit gewidmet zu haben, denn auch hier wieder gelingt ihm mit einer denkbar ungewöhnlichen Prämisse eine Aneinanderreihung von mehr als ungewöhnlichen Miniaturen und Momenteindrücken, die durch die Geschichte der namensgebenden Frau locker zusammengehalten werden. Eigentlicher Erzähler allerdings – erschließt sich ja ebenfalls aus dem Titel – ist deren Ehemann, der als quasi unbeteiligter Beobachter davon erzählt, wie seine Frau zu schrumpfen beginnt, nachdem ihr ein mehr als merkwürdiger Bankräuber einundfünfzig Prozent ihrer Seele geraubt hat.

Der Überfall sollte nicht ohne Folgen bleiben. Im Gegenteil, erst die Folgen verliehen dem Überfall seinen Sinn. Es war nie um Geld gegangen. Der Räuber wollte gar keines. Dass er eine Bank überfallen hatte, war reiner Zufall. Er hätte genauso gut auch einen Bahnhof oder eine Schule oder das Musée d’Orsay überfallen können. So etwas kommt vor, es wird immer wieder passieren, und am Mittwoch, dem 21. Februar, passierte es um kurz nach 15 Uhr in der Filiale 117 der British Bank of North America.

Mit der Frau in der Bankfiliale anwesend waren allerdings noch eine ganze Reihe weiterer Figuren, denen nun ebenfalls der Großteil ihrer Seele fehlt, was sich in ganz und gar differierenden, aber samt und sonders superb-skurrilen Begebenheiten niederschlägt, ob nun eine Tätowierung lebendig wird oder jemand von der Geschichte seines Elternhauses niedergedrückt wird (im wörtlichen Sinne). Und all diese Szenen lesen sich so dermaßen kurzweilig, dass sie – neben dem geringen Umfang – der eigentliche Hauptgrund sind, dass man Wie meine Frau einundfünfzig Prozent ihrer Seele rettete in einem Rutsch verschlingen wird, so man sich denn für den märchenhaft-abgehobenen Erzählton eines Andrew Kaufman erwärmen kann. Neulingen würde ich diesbezüglich also eher zu Geborene Freaks raten, der zwar ähnlich ungewöhnlich, aber eben ein wenig "reichhaltiger" daherkommt, denn die Art des Erzählens sowie die Struktur der Geschichte führen hier schon dazu, dass die Charaktere fernab ihrer ungewöhnlichen Probleme doch eher unnahbar und schablonenhaft bleiben, weshalb leider auch die im Kern des Ganzen thematisierte Ehe zwischen dem Erzähler und dessen schrumpfender Frau leider emotional nicht so packt, wie sie das womöglich hätte tun können.

»Nun denn, dies ist ein Überfall …«, sagte der Räuber. Er sprach mit breitem britischen Akzent, wie er bei Nordamerikanern schnell das Gefühl der Fremdscham auslöst. Er schüttelte ruckartig den Kopf, eine Wolke aus Gipsstaub erhob sich. »Ich verlange von jedem Einzelnen hier nur das Eine: den Gegenstand aus seinem Besitz, der für ihn den größten sentimentalen Wert hat.«

So wirkt Wie meine Frau einundfünfzig Prozent ihrer Seele rettete ein Stück weit eben auch wie eine literarische Fingerübung, die zwar vor Einfallsreichtum strotzen mag, aber eben auch eher oberflächlich bleibt und damit viel von ihrem Faszinations-Potential verspielt. Ich für meinen Teil habe das Büchlein sehr gerne gelesen, doch ist es eben auch ein sehr kurzes Vergnügen, zumal die Zeichnungen von Tom Percival ebenfalls sehr schematisch geraten sind und kaum den Platz rechtfertigen, der ihnen innerhalb des Büchleins reserviert wird. Nichtsdestotrotz schafft Kaufman es aber eben auch immer wieder, mich zu überraschen und zum Staunen zu bringen, was natürlich an der ungewöhnlichen Themenwahl seiner Bücher liegt, doch kann ich das eben in dem Ausmaß von sonst keinem Autor behaupten. Entsprechend faszinierend mag eben der Ansatz des Ganzen sein, doch trotz einer gelungenen Auflösung ließ mich das Gelesene eben auch mit dem Gefühl zurück, dass man hier noch weitaus mehr draus hätte zaubern können, zumal manche Passage durchaus als kryptisch zu bezeichnen ist und ich erwartet hätte, dass man zumindest noch ein wenig mehr über Herkunft und Ansinnen des seltsamen Bankräubers erfährt, der statt Geld eben Seelen-Anteile raubt.

Fazit & Wertung:

Andrew Kaufman wusste mich mit Wie meine Frau einundfünfzig Prozent ihrer Seele rettete wieder einmal zu überzeugen und zu begeistern, was in der absurden Prämisse und dem überbordenden Einfallsreichtum des Autors begründet liegt, doch bleibt die kaum hundert Seiten umfassende Story auch leider reichlich oberflächlich und zuweilen fragmentarisch, was der Faszination einen gewissen Abbruch tut, denn aus der Idee hätte man sicherlich noch einiges mehr machen können. Nichtsdestotrotz ein märchenhaft-faszinierendes, kurzweiliges, aber eben auch viel zu kurzes Lesevergnügen.

7 von 10 Auswirkungen des Seelenverlusts

Wie meine Frau einundfünfzig Prozent ihrer Seele rettete

  • Auswirkungen des Seelenverlusts - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

Andrew Kaufman wusste mich mit Wie meine Frau einundfünfzig Prozent ihrer Seele rettete wieder einmal zu überzeugen und zu begeistern, was in der absurden Prämisse und dem überbordenden Einfallsreichtum des Autors begründet liegt, doch bleibt die kaum hundert Seiten umfassende Story auch leider reichlich oberflächlich und zuweilen fragmentarisch, was der Faszination einen gewissen Abbruch tut, denn aus der Idee hätte man sicherlich noch einiges mehr machen können. Nichtsdestotrotz ein märchenhaft-faszinierendes, kurzweiliges, aber eben auch viel zu kurzes Lesevergnügen.

7.0/10
Leser-Wertung 0/10 (0 Stimmen)
Sende

Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von btb.

– – –

Wie meine Frau einundfünfzig Prozent ihrer Seele rettete ist am 13.08.18 bei btb erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

Sharing is Caring:

Hinterlasse einen Kommentar