Review: Rain Dogs | Adrian McKinty (Buch)

Widmen wir uns heute einem alten Bekannten, der mittlerweile in seinem fünften Fall ermittelt, wobei es Sebastian von Stuffed Shelves (siehe unten bei den "Meinungen") zu verdanken ist, dass ich überhaupt Wind von der Veröffentlichung bekommen habe, denn irgendwie war die mir gänzlich durchgerutscht. Jetzt aber!

Rain Dogs
Die Sean Duffy-Reihe 5

Rain Dogs, UK 2016, 404 Seiten

Rain Dogs von Adrian McKinty | © Suhrkamp Verlag
© Suhrkamp Verlag

Autor:
Adrian McKinty
Übersetzer:
Peter Torberg

Verlag (D):
Suhrkamp Verlag
ISBN:
978-3-518-46747-3

Genre:
Krimi | Thriller

 

Inhalt:

Ich stand mit einem halben Dutzend anderer Bullen auf einer erhöhten Plattform, damit wir die kleine Gruppe der National-Front-Skinheads besser im Auge behalten konnten, die von der Absperrung aus, die ihretwegen neben dem Marks-&-Spencer-Supermarkt aufgestellt worden war, Schmähungen herüberbrüllten. Es waren nicht mehr als zwanzig, mit Perücke oder Hut hätten sie sich locker unter die Menge mischen können – doch solcher Einfallsreichtum überstieg wohl ihre geistigen Fähigkeiten.

Nordirland im Jahre 1987: Während die Troubles in Ulster unbeirrt weitergehen, der gefeierte Schwergewichts-Boxer Muhammad Ali der Insel einen Besuch abstattet und U2 ihr fünftes Studioalbum veröffentlicht haben, findet sich eine Gesandtschaft finnischer Geschäftsleute in Belfast ein, um Nordirland für die Mobilfunkindustrie zu erschließen und einige der heruntergekommenen Fabrikanlagen in Augenschein zu nehmen. Ein zunächst unscheinbares Verbrechen – der Diebstahl der Brieftasche eines der finnischen Herren – ruft auch Detective Inspector Sean Duffy auf den Plan. Im Hotel der finnischen Delegation begegnet Duffy auch der Journalistin Lily Bigelow und staunt nicht schlecht, als diese kurz darauf im Innenhof von Carrickfergus Castle tot aufgefunden wird, denn wie es scheint, hat er es hier erneut mit einem "locked room mystery" zu tun und geht folglich zunächst von einem Selbstmord aus. Kleinigkeiten allerdings geben dem findigen Ermittler zu denken auf und im Zuge seiner Nachforschungen kommt er langsam dahinter, was es wirklich mit dem Tod von Lily Bigelow auf sich haben könnte…

Rezension:

Mit Grauen denke ich an die Zeit zurück, in der die Sean Duffy-Reihe noch als Trilogie – später Tetralogie – konzipiert war, denn nicht erst seit kurzem hat sich der "katholische Bulle" im Irland der 80er Jahre zu einem der mir liebsten Ermittler gemausert und da ist es schön zu wissen, dass auch mit dem vorliegenden Rain Dogs – immerhin nunmehr fünfter Band der Reihe – ein Ende noch längst nicht in Sicht ist, schließlich wurde jüngst (vor ziemlich genau einer Woche) bereits dessen Nachfolger Police at the Station and They Dont Look Friendly im englischen Original veröffentlicht. Nun soll es ja aber zunächst einmal um Band fünf gehen und der hat es – ganz den Erwartungen entsprechend – wieder in sich, wenn auch kurzzeitig zu befürchten stand, mit einer Wiederholung des "locked room mystery würde sich abzeichnen, dass McKinty langsam aber sicher die Ideen ausgehen – gab es einen dem Grunde nach ähnlich gelagerten Fall schließlich schon zwei Bände zuvor in Die verlorenen Schwestern – , doch weit gefehlt, läuft der Autor hier erneut zu Höchstform auf, selbst wenn man berücksichtigt, dass die Fälle in ihrem Aufbau und ihrer Struktur schon einem mittlerweile hinlänglich bekannten Schema folgen.

Carrickfergus konnte eine peinlich hohe Zahl an leerstehenden Fabrikanlagen vorweisen, die alle in den optimistischen Sechzigern errichtet, in den pessimistischen Siebzigern geschlossen worden waren und in den apokalyptischen Achtzigern, in denen wir uns jetzt befanden, langsam zu Ruinen wurden.

Diesmal verschlägt es uns also in das Belfast von 1987 und bevor die eigentliche Geschichte, der neue Fall ins Rollen kommt, lässt es sich McKinty auch diesmal nicht nehmen, zunächst einmal eine Prise Zeitkolorit zu streuen und Duffys private Probleme anzureißen, was vielleicht im ersten Moment ein wenig belanglos wirken mag, im späteren Verlauf aber samt und sonders noch aufgegriffen werden wird und selbstredend teils mit dem sich hieran anschließenden Fall in enger Verbindung steht, was man freilich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht zu verorten weiß. Vor allem aber gelingt es Rain Dogs, den rätselhaften Fall der hinter verschlossenen Türen zu Tode gekommenen Frau absolut glaubhaft und stimmig in den Kosmos eines Sean Duffy zu überführen, der nämlich ähnlich wie der Leser so seine Zweifel daran hat, ob es wirklich möglich sein kann, dass ein einfacher Kerl wie er tatsächlich zwei Mal im Laufe seiner Karriere vor solch ein ungewöhnliches Rätsel gestellt wird.

Die ähnlich gelagerte Fallkonstellation bleibt aber zum Glück nicht die einzige Referenz auf frühere Fälle und so ist schön zu sehen, wie sich völlig organisch einerseits eine fortlaufende Geschichte entspinnt, bei der McKinty auch immer wieder Bezug auf zeitgeschichtliche Ereignisse nimmt, die andererseits aber auch losgelöst von den anderen Bänden zu bestehen weiß. Fall und Inszenierung hin oder her, ist es aber zuvorderst Protagonist Sean Duffy, der hier mit seinen lakonischen Gedankengängen und Sprüchen, seiner aufopferungsvollen wie hartnäckigen Art und insbesondere im Zusammenspiel mit seinen Kollegen Lawson und Crabbie erneut zu begeistern weiß, denn das mir eine Romanfigur so ans Herz gewachsen ist, ich jedem neuen Band so entgegenfiebere wie hier, das ist selten genug der Fall. Vor allem aber hatte ich es hier mit dem Fall zu tun, dass mir gleich zwei für die Auflösung des Rätsels nicht gerade unwichtige Plot-Details zu einem frühen Zeitpunkt der Lektüre im Grunde bereits klar waren (und ich mit meinen Mutmaßungen auch noch Recht hatte) und Adrian McKinty mich dennoch zu überzeugen, im Nachgang gar zu überraschen wusste, denn mit der Ermittlung und Anklage des Täters ist es bekanntlich bei ihm nicht getan, womit er sich erneut angenehm von dem Einheitsbrei an Kriminalroman abhebt und dem Geschehen immer eine angenehm persönliche Note verleiht.

Chief Superintendent John Edward »Ed« McBain kam gerade die Treppe herunter. Ein nervöser, schlaksiger Storch von Mann mit einer trotzigen Glatzenkaschierfrisur aus den frühen Siebzigern. Er war der leitende Kommandant aller Polizeireviere in East Antrim, einer der wenigen hohen Tiere, mit denen ich gut auskam. Ich ließ ihn beim Snooker im Polizeiklub immer gewinnen, und einmal hatten Sergeant McCrabban und ich seinen weggelaufenen Köter aufgesammelt, bevor er überfahren wurde oder, wie seine Frau Jo befürchtet hatte, »diesen Teufelsanbetern« in die Hände gefallen war, »von denen man in der News of the World andauernd liest«. Seitdem war der große Ed McBain dem Carrickfergus CID auf ewig dankbar.

Als würde all das aber nicht reichen, verschlägt es Duffy in Rain Dogs zudem nach England sowie Finnland, gerät der halsstarrige Detective einmal mehr in Lebensgefahr, legt sich mit der Obrigkeit an und wettert gegen die Kollegen anderer Reviere, während er immer noch Zeit findet, seiner Leidenschaft für Musik und Wodka Gimlets zu frönen, was nur die Spitze seiner Laster darstellt, derweil es seine Nachbarin noch immer auf ihn abgesehen zu haben scheint und er nicht müde wird, seinen Wagen jedes Mal aufs Neue auf mögliche Autobomben hin zu untersuchen. Das mögen alles nur kleine Details sein, die in der Summe aber enorm dazu beitragen, dass man sich in dieses zerrissene Nordirland der damaligen Zeit zurückversetzt fühlt, dass man jederzeit mit dem gewieften Ermittler und gutherzigen Kerl mitfiebert und auch dieses Buch kaum zur Seite legen mag, derweil erneut das Nachwort einige erhellende Einblicke gibt, von welchen realen Ereignissen sich McKinty auch hier wieder hat inspirieren lassen, ohne dass der Plot dadurch übermäßig konstruiert oder an den Haaren herbeigezogen wirken würde.

Fazit & Wertung:

Auch der fünfte Fall für Detective Inspector Sean Duffy weiß gänzlich zu überzeugen und Adrian McKinty gelingt mit Rain Dogs das seltene Kunststück, gleichermaßen eine eigenständige Geschichte zu erzählen und sich dennoch auf die vorangegangenen Ereignisse zu stützen, derweil der hartnäckige Vertreter der Carrickfergus RUC erneut zu Hochform aufläuft und einen gewohnt kniffligen und undurchsichtigen Fall zu lösen hat, dessen Hintergründe weit tiefer reichen, als es zunächst den Anschein hat.

9 von 10 falschen Fährten und unerwarteten Offenbarungen

Rain Dogs

  • Falsche Fährten und unerwartete Offenbarungen - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Auch der fünfte Fall für Detective Inspector Sean Duffy weiß gänzlich zu überzeugen und Adrian McKinty gelingt mit Rain Dogs das seltene Kunststück, gleichermaßen eine eigenständige Geschichte zu erzählen und sich dennoch auf die vorangegangenen Ereignisse zu stützen, derweil der hartnäckige Vertreter der Carrickfergus RUC erneut zu Hochform aufläuft und einen gewohnt kniffligen und undurchsichtigen Fall zu lösen hat, dessen Hintergründe weit tiefer reichen, als es zunächst den Anschein hat.

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Meinungen aus der Blogosphäre:
Stuffed Shelves: 10/10 Punkte

Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Suhrkamp Verlages. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Rain Dogs ist am 06.02.17 als Klappenbroschur im Suhrkamp Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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