Review: Die Sirenen von Belfast | Adrian McKinty (Buch)

Und da wären wir auch schon wieder, pünktlich zum Wochenende und mit einer neuen Buch-Kritik im Gepäck. Genießt die Sonne, genießt die Freizeit und denkt dran, dass morgen wieder Gratis Comic Tag ist!

Die Sirenen von Belfast
Die Sean Duffy-Reihe 2

I Hear The Sirens in the Street, UK 2013, 387 Seiten

Die Sirenen von Belfast von Adrian McKinty | © Suhrkamp Verlag
© Suhrkamp Verlag

Autor:
Adrian McKinty
Übersetzer:
Peter Torberg

Verlag (D):
Suhrkamp Verlag
ISBN:
978-3-518-46612-4

Genre:
Krimi | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Die verlassene Fabrik wirkte wie die Vorschau auf eine ungewisse Zukunft, in der die ganze Welt so aussehen würde, eine Zeit, in der es keine Möglichkeit mehr gab, gegen Verrottung anzukämpfen, Verbrennungsmotoren oder Bildröhren zu reparieren. Auf einem Planeten aus Rost und Kerzenlicht. Vogelkot bedeckte die Wände. Vermodernder Müll türmte sich auf. Sonderbare Gerätschaften lagen auf dem Boden herum, der mit seiner Schicht aus Blättern, Öl und Glasscherben wie das Unterholz eines Regenwalds wirkte.

Nordirland im Jahre 1982: Während sich die IRA und andere gewaltbereite Paramilitärs in einer Hochphase befinden, liegt die heimische Wirtschaft am Boden und die Arbeitslosenquote nähert sich gefährlich der 20-Prozent-Marke und folglich nimmt die Unzufriedenheit und Gewaltbereitschaft der irischen Bevölkerung immer weiter zu. Und mittendrin noch immer Detective Sergeant Duffy, der mit einem Fall konfrontiert scheint, der zunächst nichts mit den politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen zu tun zu haben scheint, denn auf einem brach liegenden Industriegelände finden er und sein Partner Crabbie einen männlichen Torso, der in einem Koffer verstaut dort abgeladen worden ist. Die pathologischen Untersuchungen geben dabei erste Rätsel auf, denn es scheint, dass der Mann zunächst vergiftet und nach seinem Ableben auf unbestimmte Zeit tiefgekühlt aufbewahrt worden ist, bevor man ihn in den Koffer verfrachtete und zu verschwinden lassen versuchte.

Derweil das Empire in den Krieg um die Falkland-Inseln tritt und dafür die britische Militärpolizei aus Nordirland abzieht, was den Konflikt dort noch zusätzlich verschärft, kommen Duffy und seine Kollegen dahinter, dass der Mann Amerikaner war, wenngleich mit irischen Wurzeln und die Spur des Koffers führt Sean hinaus ins abgelegene Islandmagee, wo sich der frühere Besitzer des Koffers als kürzliches Opfer eines IRA-Attentats entpuppt. Während die Spur immer verworrener wird und die amerikanischen Kollegen Duffys Ermittlungen zu torpedieren beginnen, ist dieser gewillter denn je, dem Rätsel um den mysteriösen Mord auf die Spur zu kommen, nicht ahnend, in welches Wespennest er dadurch zu treten im Begriff ist.

Rezension:

Nachdem man mich vor nicht einmal einem halben Jahr auf den Autor Adrian McKinty und hier speziell auf Der katholische Bulle, den Auftakt der damals noch als Trilogie geplanten, sich mittlerweile aber zumindest zur Tetralogie ausgeweiteten Sean-Duffy-Reihe, aufmerksam gemacht hatte, war es mir – gerade nach einem neuerlichen literarischen Wiedersehen mit Jack Taylor (von dem ich selbstverständlich ebenfalls noch berichten werde) wieder einmal ein außerordentliches Vergnügen, dem irischen Sergeant Detective im Carrickfergus der 1980er-Jahre einen Besuch abzustatten und auch seinem zweiten großen Fall – Die Sirenen von Belfast – beizuwohnen, der, obgleich gänzlich anders gelagert als der vorangegangene Fall, diesem in kaum etwas nachsteht. Recht schnell beginnt die Geschichte mit dem vergleichsweise schnöden wie unaufgeregten Finden einer Leiche, doch allein, dass diese sich zerstückelt und zerteilt in einem Koffer befindet, der wiederum in einem Container vor sich hin vegetiert und beinahe überhaupt nicht gefunden worden wäre, macht die Sache schon zu etwas Besonderem.

Und so drohte das Ende, wie jeder Polizist wusste, meist nicht im Kampf Gut gegen Böse, sondern willkürlich in einem Bombenanschlag, einer schiefgelaufenen Verfolgungsjagd oder in einer Schießerei mit einem halb senilen Wachmann in einer verlassenen Fabrik im nördlichen Belfast. Außerdem war 1. April. Kein gutes Sterbedatum.

Mit Spuren sieht es natürlich zunächst schlecht aus und anfangs stochern Duffy und Konsorten ziemlich im Dunkeln, was allein die Identität des Opfers anbelangt, doch gibt bald der Koffer selbst erste Hinweise preis und der Aufschrei ist groß, als die Ermittler gewahr werden, dass es sich um einen amerikanischen Landsmann handelt, ein Umstand, der zweifelsohne die Presse brennend interessieren dürfte, zumal das Land natürlich noch immer ganz im Zeichen der Aufstände und Attentate steht, währenddessen die Besetzung der Falklandinseln ein nicht minder großes Thema in der Presse darstellt, ein Umstand, den ich nur deshalb gesondert erwähne, um darauf aufbauend wieder ins Schwärmen geraten zu können, wie es Adrian McKinty auch in Die Sirenen von Belfast wieder gelangt, die politischen wie gesellschaftlichen Umstände und Rahmenbedingungen der damaligen Zeit, speziell in Carrickfergus, wo McKinty selbst aufgewachsen ist, in die Geschichte zu betten, um so einen ungewohnten Realismus zu schaffen, der die Geschichte, obwohl es sich natürlich voranging um einen lupenreinen Hardboiled-Krimi handelt, auch auf anderer Ebene wieder zu einem lesenswerten Stück Literatur zu machen.

Drittes Standbein der Reihe ist hierbei natürlich der namensgebende Sean Duffy, der mir bereits im ersten Band ans Herz gewachsen ist, in seiner Art und seinem Verhalten natürlich sehr der Schablone des stoischen, unbeirrbaren, notfalls die Grenzen der Legalität ignorierenden einsamen Wolfes entspricht, aber mit seinem gedanklichen Innenleben, an dem der Autor den Leser direkt teilhaben lässt, seinem unvergleichlichen Musikgeschmack, dem ruppigen Charme und einer vorlauten Schnauze unbestreitbar sympathisch geraten ist, zumal – was mir gerade bei Kriminalromanen, wo so etwas häufig nicht der Fall ist, besonders gut gefällt – Sean auch noch immer an den vorangegangenen Ereignissen zu knabbern hat und ab und an Rückbezüge auf Der katholische Bulle enthalten sind, ohne damit allerdings den Lesefluss zu stören oder frisch hinzugekommenen Lesern die Freude zu vermiesen, denn auch wenn es sich empfiehlt und ich jedem nur raten kann, die Sean-Duffy-Reihe von Anfang an und chronologisch zu würdigen, eignet sich Die Sirenen von Belfast ebenso für Quereinsteiger und funktioniert auch für sich genommen hervorragend.

Ich deutete auf die nicht vorhandenen Schulterstreifen an meiner nicht vorhandenen Uniform, die meinen Rang als Inspector angegeben hätten.
Das machte auf Crabbie keinen Eindruck. »Ich geh da nicht rein. Auf gar keinen Fall. Die Hose ist fast neu. Madame zieht mir bei lebendigem Leib die Haut ab.«
»Werfen wir eine Münze. Kopf oder Zahl?«
»Deine Wahl. Das riecht mir ein bisschen zu sehr nach Wetten.«
»Also Kopf.«
Ich warf die Münze.
Natürlich wussten wir alle, was dabei rauskommen würde.
Ich kletterte also in den Container, an dem die Blutspur zu enden schien, aber so leicht wollten es uns die kriminellen Superhirne natürlich nicht machen, ich entdeckte nichts.

Negatives gibt es aber leider auch zu vermelden, zumindest im gewissen Maße, denn so stimmig die Geschichte inszeniert, das damalige Carrickfergus nebst Umgebung skizziert, die Dialoge gewohnt pointiert gelungen sind, wirkt die Geschichte gerade im Mittelteil leider ein wenig überkonstruiert, was sich zwar zum Ende hin ein wenig relativiert, wenn sich die Puzzleteile zu fügen beginnen, doch versandet der Fall doch ab und an zusehends, was mir, der ich die zwischenzeitlichen Schilderungen der stockenden Nachforschungen und Duffys persönlicher Unbill zu schätzen wusste, gar nicht einmal so sauer aufgestoßen ist, den versierten Krimileser aber möglicherweise verprellen könnte, denn vieles ist hier doch vom Zufall abhängig und die schlussendliche Aufklärung des Falls ist weder abschließend, noch gelingt sie ohne Hilfe Außenstehender. Dennoch ist das lediglich Jammern auf hohem Niveau, denn auch Die Sirenen von Belfast ist nun einmal ungeheuer atmosphärisch und spannend geraten, endet vor allem ähnlich nebulös und vielversprechend wie sein Vorgänger und wirft einen Blick in die Zukunft von Sean Duffy, dessen Geschichte unlängst auch hierzulande mit dem bereits erschienenen Die verlorenen Schwestern fortgeführt wird.

Fazit & Wertung:

Wenngleich Die Sirenen von Belfast ein wenig konstruierter wirkt als sein Vorgänger, ist auch der zweite Band um Sean Duffy ein würdiger Vertreter der Reihe und punktet mit einer gehörigen Portion Lokalkolorit und Zeitgeist, die natürlich darauf zurückzuführen sind, dass Autor Adrian McKinty, selbst in Carrickfergus aufgewachsen, aus erster Hand von den damaligen Um- und Zuständen zu berichten weiß und damit gekonnt in seinen Bann zuschlagen versteht, auch wenn der eigentliche Krimi-Plot ein wenig zu sehr von glücklichen Zufällen abhängig zu sein scheint.

8,5 von 10 falschen Fährten und unerwarteten Offenbarungen

Die Sirenen von Belfast

  • Falsche Fährten und unerwartete Offenbarungen - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Wenngleich Die Sirenen von Belfast ein wenig konstruierter wirkt als sein Vorgänger, ist auch der zweite Band um Sean Duffy ein würdiger Vertreter der Reihe und punktet mit einer gehörigen Portion Lokalkolorit und Zeitgeist, die natürlich darauf zurückzuführen sind, dass Autor Adrian McKinty, selbst in Carrickfergus aufgewachsen, aus erster Hand von den damaligen Um- und Zuständen zu berichten weiß und damit gekonnt in seinen Bann zuschlagen versteht, auch wenn der eigentliche Krimi-Plot ein wenig zu sehr von glücklichen Zufällen abhängig zu sein scheint.

8.5/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Suhrkamp Verlages. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Die Sirenen von Belfast ist am 07.03.15 als Taschenbuch im Suhrkamp Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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