Review: Dirty Cops | Adrian McKinty (Buch)

Nach mehrjähriger Abstinenz kehre ich heute (endlich) zur Sean-Duffy-Reihe zurück und berichte vom nunmehr sechsten Band, der zwar ein wenig behäbig in die Gänge kommt, dafür umso mehr im weiteren Verlauf zu überzeugen weiß.

Dirty Cops
Die Sean Duffy-Reihe 6

Police at the Station and They Don’t Look Friendly, UK 2017, 396 Seiten

Dirty Cops von Adrian McKinty | © Suhrkamp Verlag
© Suhrkamp Verlag

Autor:
Adrian McKinty
Übersetzer:
Peter Torberg

Verlag (D):
Suhrkamp Verlag
ISBN:
978-3-518-46842-5

Genre:
Krimi | Thriller

 

Inhalt:

Dieses Land hat keine Zukunft.
Die Zukunft gehört den Männern mit den Waffen hinter mir. Von mir aus. Die letzten fünfzehn Jahre habe ich mein Bestes gegeben, um gegen die Entropie anzukämpfen und im Meer des Chaos für ein kleines Inselchen Ordnung zu sorgen. Ich bin daran gescheitert. Und nun zahle ich den Preis für dieses Scheitern.

Nordirland im Jahre 1988: In dem von Anschlägen und Armut, Aufbegehren und Resignation geschwängerten Land kommt es zu einem mehr als ungewöhnlichen Mordfall, als ein Drogendealer mit dem Bolzen einer Armbrust getötet wird. Während die meisten darauf drängen, den Fall alsbald zu den Akten zu legen und die Schuld bei der IRA oder einer ihrer Splittergruppen zu suchen, verbeißt sich Detective Inspektor Sean Duffy regelrecht in den Fall und ist nicht willens und geneigt, die Angelegenheit einfach auf sich beruhen zu lassen. Die Spuren allerdings sind mehr als dünn und auch die Freundin des Ermordeten scheint keine große Hilfe zu sein, zumal ohnehin niemand von der verschüchterten Bevölkerung gewillt ist, einem "dreckigen Bullen" bei seinen Ermittlungen zu helfen, doch Duffy bleibt am Ball, nicht ahnend, in was für eine Art Wespennest er da sticht und dass er sich ob seiner Anstrengungen alsbald gefesselt im Wald und mit dem eigenen Tode konfrontiert wiederfinden wird…

Rezension:

Lange Zeit habe ich nun – nach anfänglicher und eigentlich ungebrochener Euphorie – die Sean-Duffy-Reihe sträflich vernachlässigt und kehre nun mit Dirty Cops, dem sechsten Band der Reihe, zu dem kultverdächtigen Detective nach Carrickfergus der 1980er-Jahre zurück, wo der sich ein weiteres Mal mit einem rätselhaften Mordfall konfrontiert sieht, der ihm erneut einiges abverlangen und ihn persönlich involvieren wird. Die Faszination der ersten fünf Bände muss dabei zunächst einmal aber ein wenig weichen, wobei ich nicht sicher bin, ob es an mir und meiner langen Abstinenz oder dem Buch an sich gelegen haben mag, denn trotz reißerischem Prolog, der Sean mit dem drohenden Ableben konfrontiert, dauert es so lange wie nie, bis sich dieselbe, liebgewonnene Faszination Bahn bricht und Autor Adrian McKinty damit rauszurücken beginnt, in welche Richtung er die Geschichte diesmal zu steuern gedenkt. Auch der langsame, noch bewusst rätselhaft gehaltene erste Teil der Geschichte weiß dabei durchaus zu gefallen und ist durchzogen von Duffy melancholischem Humor, seinem immer wieder durchscheinenden Fatalismus und der politisch hochspannenden Hintergründe, in denen er sich bewegt, doch dauert es eben, bis die Geschichte so richtig in Fahrt zu kommen versteht.

Er faltet eine auf dickes, grobes Papier selbstgezeichnete Landkarte auseinander. Eine solche Kartografie habe ich noch nie gesehen, voller esoterischer Symbole und Piktogramme, rätselhafter, sich überschneidender Pfade und Linien. Der Typ ist ein Exzentriker, der sich seine eigenen Landkarten zeichnet. Unter anderen Umständen würden wir wahrscheinlich prima miteinander auskommen.

Nichtsdestotrotz ist McKinty hier wieder spürbar in seinem Metier und ohne Frage längst Meister seines Fachs, was sich auch daran belegen lässt, dass der Alltagstrott und die gewohnte Ermittlungsarbeit hier nie langweilig zu werden drohen, nur, dass er etwas länger als sonst benötigt, um dem eigentlichen Kriminalfall die erhoffte Aufmerksamkeit und Doppelbödigkeit angedeihen zu lassen, während es zunächst einmal viel auch um Seans persönliche Querelen mit Freundin Beth und Tochter Emma geht, denn insbesondere Beth kann sich nicht vorstellen, ihr Leben in der seit Band 1 bekannten Coronation Road zu verbringen, zumal man ihr dort – anders als dem katholischen Bullen Duffy – noch mit reichlich Skepsis und Argwohn begegnet. Derweil wirkt vieles in Dirty Cops altbekannt, woran sich auch geringfügige Abnutzungserscheinungen einer solch langlebigen Reihe belegen lassen, denn von den noch immer grassierenden Problemen mit Armut und Unmut, Protesten und IRA-Anschlägen bis hin zu den Konversationen Duffys mit seinen Ermittler-Kollegen McCrabban und Lawson versprüht das alles zwar immer noch reichlich Flair und ist interessant zu lesen, wirkt aber längst nicht mehr so unvermittelt frisch und unverbraucht wie noch in Sean Duffys frühesten Ermittlungsfällen.

Lesen sollte man Dirty Cops – im Original übrigens deutlich pointierter als Police at the Station And They Don’t Look Friendly betitelt – aber auf alle Fälle und sei es nur, um einerseits mit der Reihe fortzufahren und den Boden für Cold Water zu bereiten, andererseits aber, da McKinty nach gemächlichem Start in der zweiten Hälfte wieder zu Höchstform aufzulaufen versteht, was nicht nur die Auflösung des über allem drohend hängenden Prologs betrifft, sondern auch die Richtung allgemein, in die sich die Geschichte ab einem gewissen Moment zu entwickeln beginnt. Und hier spielt der Autor wieder all seine Stärken aus, die die Reihe groß gemacht haben, denn wer meint, Sean Duffy würde nur im Belfast der ausklingenden Achtziger agieren, weil es ein spannendes und vergleichsweise unverbrauchtes Setting darstellt, wird hier einmal mehr eines Besseren belehrt, wenn sich nicht nur die Handlung und der Fall, sondern auch Umgebungsfaktoren wieder eng an das halten, was in Nordirland seinerzeit im Argen gelegen hat, ohne da jetzt detailreich Dinge vorwegnehmen zu wollen.

Ein klarer, urwüchsiger Wind weht von der Hügelspitze herunter. Ich trage nur Jeans, T-Shirt und Doc Martens. Wenigstens ist es mein Glücks-T-Shirt, Che Guevara, handgedruckt und von Jim Fitzpatrick höchstpersönlich signiert. Wenn in ein paar Jahren ein Hundehalter oder ein Wanderer auf meine Leiche stößt und die Baumwolle bis dahin nicht verrottet ist, dann können sie mich vielleicht anhand des T-Shirts identifizieren.

Und spätestens im adrenalingeschwängerten, vor Überraschungen, Wendungen und Offenbarungen nur so strotzenden Drittel weiß man dann auch wieder, weshalb Sean Duffy mitnichten ein Ermittler nach Schema F ist, sondern ein ganz und gar eigensinniger und einzigartiger Detective, denn McKinty zieht hier nicht nur alle Register, sondern überzeugt vor allem mit einer sorgsam konstruierten, aber mitnichten über die Maßen unglaubwürdigen Geschichte, wenn Sean einmal mehr in ein regelrechtes Wespennest sticht und nicht willens und bereit ist, den Fall einfach ruhen zu lassen, wie es ihm von mehreren Seiten und nachdrücklich geraten wird. Ebenfalls im letzten Drittel und nach einem ungemein spannenden wie überzeugenden Showdown verortet, finden sich dann auch Ausblicke auf die Zukunft des Detective, die mit Spannung den siebten Band der Reihe erwarten lassen, der wiederum den Auftakt einer finalen Sean-Duffy-Trilogie markieren wird, wie Adrian McKinty selbst in seinem Blog verlauten ließ. Und ich freue mich sehr, nach der unfreiwillig langen Auszeit auf zumindest noch drei weitere Duffy-Fälle warten zu können, denn auch wenn die leise mitschwingende Kritik und der eher gemächliche Auftakt des Geschehens hier anderes vermuten lassen, war ich auch von Dirty Cops mehr als angetan, mit dem feinen Unterschied, dass sich hier die echten Qualitäten beinahe samt und sonders in der zweiten Hälfte verbergen, während das Geschehen zuvor "nur" ausgezeichnete Kriminalliteratur mit gehörig Lokalkolorit und Zeitgeist gewesen ist.

Fazit & Wertung:

Mit Dirty Cops knüpft Adrian McKinty durchaus an die Qualität und Faszination seiner fünf Vorgängerbände der Sean-Duffy-Reihe an, mit dem feinen Unterschied allerdings, dass er rund die Hälfte des Buches benötigt, um all Figuren und Interessengruppen in Stellung zu bringen und erst in der zweiten Hälfte vollumfänglich wieder in seinen Bann zu schlagen versteht. Das allerdings macht er mit gewohnter Souveränität, weshalb ich nach Beendigung die nächsten Fälle des katholischen Bullen in Carrickfergus wieder einmal kaum erwarten kann.

8 von 10 falschen Fährten und unerwarteten Offenbarungen

Dirty Cops

  • Falsche Fährten und unerwartete Offenbarungen - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Mit Dirty Cops knüpft Adrian McKinty durchaus an die Qualität und Faszination seiner fünf Vorgängerbände der Sean-Duffy-Reihe an, mit dem feinen Unterschied allerdings, dass er rund die Hälfte des Buches benötigt, um all Figuren und Interessengruppen in Stellung zu bringen und erst in der zweiten Hälfte vollumfänglich wieder in seinen Bann zu schlagen versteht. Das allerdings macht er mit gewohnter Souveränität, weshalb ich nach Beendigung die nächsten Fälle des katholischen Bullen in Carrickfergus wieder einmal kaum erwarten kann.

8.0/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Suhrkamp Verlages. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Dirty Cops ist am 11.03.18 als Klappenbroschur und am 14.07.19 als Taschenbuch im Suhrkamp Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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