Review: Mindscape (Film)

Gehen wir mit einem kleinen, eher unbekannten Genre-Film ins Wochenende, der mit ordentlich Ambitionen und toller Besetzung ins Rennen geht, nur um dann im letzten Drittel gehörig ins Straucheln zu geraten. Ausführlich(er) liest sich das wie folgt:

Mindscape

Anna, ES/USA/UK/FR 2013, 99 Min.

Mindscape | © STUDIOCANAL
© STUDIOCANAL

Regisseur:
Jorge Dorado
Autor:
Guy Holmes

Main-Cast:
Mark Strong (John Washington)
Taissa Farmiga (Anna Greene)
Brian Cox (Sebastian)
in weiteren Rollen:
Saskia Reeves (Michelle Greene)
Richard Dillane (Robert)
Indira Varma (Judith Morrow)
Noah Taylor (Peter Lundgren)
Alberto Ammann (Tom Ortega)

Genre:
Drama | Mystery | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Mindscape | © STUDIOCANAL
© STUDIOCANAL

John Washington arbeitet für Mindscape, eine der größten Detektiv-Agenturen der Welt, deren Mitarbeiter sich dadurch auszeichnen, die Fähigkeit zu besitzen, durch Berührung in die Gedanken und Erinnerungen ihrer Probanden vordringen zu können. Als allerdings eine der Sitzungen aus dem Ruder läuft erleidet John einen Schlaganfall und wird auf unbestimmte Zeit freigestellt. Als die Finanzreserven sich aber dem Ende neigen, wird Washington bei seinem Chef vorstellig und bittet ihn um einen neuen Auftrag. Der vermittelt ihn an die im Hungerstreik befindliche Anna, bei der es zu klären gilt, ob die Sechzehnjährige von etwas in ihrer Vergangenheit traumatisiert worden ist oder soziopathische Tendenzen aufweist. Langsam fasst Anna Vertrauen zu John, doch auch er lässt sich immer weiter in Annas Gedankenwelt und ihre fragwürdigen Erinnerungen hineinziehen…

Rezension:

Manchmal stößt man durch Zufall auf Filme bei denen man auf Anhieb denkt, "Oh, der müsste was für dich sein" und genauso erging es mir mit Mindscape, denn Mark Strong als gedankenlesender Kriminalpsychologe in einer nahen, nicht näher definierten Zukunft einer alternativen Realität, der sich auf ein Psychoduell mit einem entweder traumatisierten oder soziopathischen Teenagerin einlässt, schien genau mein Fall zu sein. Und ja, der von Spielfilm-Regie-Debütant Jorge Dorado inszenierte Streifen wusste mich durchaus in seinen Bann zu schlagen, bleibt aber letztlich auch weit hinter seinen Möglichkeiten zurück, was daran liegen mag, dass sich das Skript für intelligenter als den Zuschauer hält, was man durchaus noch hätte kaschieren können, doch statt geheimnisvoll zu tun, wird hier mit Hinweisen geradezu um sich geworfen und so verpufft ausgerechnet der sicherlich als Augenöffner gedachte Twist gegen Ende beinahe völlig wirkungslos und lässt mit einem müden Schulterzucken zurück, was dahingehen doppelt schade ist, dass der Film bis zu diesem Zeitpunkt eine mehr als gute Figur gemacht hat.

Szenenbild aus Mindscape | © STUDIOCANAL
© STUDIOCANAL

So ist Mindscape nicht nur atmosphärisch eine Wucht – wenn diese "Zukunft" auch gerne ein wenig futuristischer hätte ausfallen können, aber das wird wohl am Budget gescheitert sein – , sondern gerade Mark Strong (Kingsman) bekommt endlich die wohlverdiente Hauptrolle spendiert und meistert seinen Part des innerlich zerrissenen, auch selbst an einer traumatischen Erfahrung knabbernden John Washington mit Bravour, weshalb ich fernab der Qualitäten und Versäumnisse des Films unterstreichen möchte, Herrn Strong bitte gerne öfter in Hauptrollen zu sehen. Ihm zur Seite steht in diesem Fall aber die nicht minder begabte wie charismatische Taissa Farmiga, die sich längst und nicht zuletzt durch American Horror Story ihre Meriten hat verdienen können und die eine wirklich eindringliche Leistung als undurchsichtige Anna abliefert. So sind es speziell das Zusammenspiel, die Interaktion, die Annäherung der beiden ungleichen Protagonisten, die hier anfänglich die Spannung zu fördern verstehen, während jedes Gespräch, jede Sitzung beinahe unweigerlich zum mentalen Kräftemessen verkommt, was man wiederum einem durchaus intelligenten und durchdachten Skript zu verdanken hat.

So weit, so gut, macht auch Brian Cox (Planet der Affen: Prevolution) in einer zunächst unscheinbaren Nebenrolle eine solide Figur und das Geschehen nimmt langsam seinen Lauf, während Washington Annas Vergangenheit zu durchforsten beginnt und sie sich ihm im Gegenzug langsam zu öffnen scheint, doch ab einem gewissen Punkt kommen dann gewisse, beinahe schon obligatorisch zu nennende Horrorfilm-Aspekte zum Tragen, wenn Washington Gestalten zu sehen beginnt, unerklärliche Geräusche hört, immer öfter an sein eigenes Trauma, den Selbstmord der eigenen Frau denken muss, denn hier wird Mindscape leider doch sehr generisch in der Art und Weise, wie auf Teufel komm raus versucht wird, Suspense zu generieren. Als wäre dem aber nicht genug, gibt es noch weitere Aspekte und Einstellungen, die ich gar nicht en detail kommunizieren möchte, die den Zuschauer aber quasi mit der Holzhammer-Methode darauf zu stoßen versuchen, welcher Twist am Ende in den Startlöchern lauern wird.

Szenenbild aus Mindscape | © STUDIOCANAL
© STUDIOCANAL

In der Hoffnung, man würde bewusst und offensiv auf eine falsche Fährte geführt werden, blieb ich natürlich trotzdem am Ball und das dem Twist vorausgehende Finale, die dort geschilderten Zusammenhänge und der sich daraus ergebende perfide Plan waren durchaus sehr gelungen – zumal auch hier sowohl Strong als auch Farmiga erneut zu brillieren wussten – , doch allen Hoffnungen zum Trotz folgte schlussendlich der Twist, mit dem ich seit mindestens einer guten halben Stunde gerechnet hatte und das führt dann leider auch zu enormen Abzügen in der B-Note, denn so clever sich ein Film anfänglich gibt, so atmosphärisch er auch geraten sein mag, hätte es Mindscape wahrscheinlich sogar besser getan, wäre von Vornherein mit offenen Karten gespielt worden, wobei das zugegebenermaßen der inhärenten Logik des Film zuwider gelaufen wäre. Sicherlich ein Film, den man sich als Genre-Freund mal ansehen kann, der mit zwei tollen Hauptfiguren aufwartet und gehörig Flair verbreitet, dem aber im letzten Drittel so spürbar die Puste auszugehen droht, dass man sich besser im Vorfeld einfach nicht zu viel erwartet.

Fazit & Wertung:

Jorge Dorado inszeniert mit Mindscape ein zwar handwerklich überzeugendes Spielfilm-Debüt, tut sich jedoch mit dem Skript nicht unbedingt einen Gefallen, denn so spannend und vielversprechend die Prämisse einer Einheit gedankenlesender Kriminalpsychologen auf den ersten Blick sein mag, wird dieser Ansatz doch zugunsten eines nur halbgaren Twists geopfert, der die bis dahin intensive Atmosphäre und das hervorragende Schauspiel seitens Strong und Farmiga eher herabwürdigt und einen ansonsten stilsicher inszenierten Film höchst unbefriedigend ausklingen lässt.

6,5 von 10 verstörenden Erinnerungs-Fragmenten

Mindscape

  • Verstörende Erinnerungs-Fragmente - 6.5/10
    6.5/10

Fazit & Wertung:

Jorge Dorado inszeniert mit Mindscape ein zwar handwerklich überzeugendes Spielfilm-Debüt, tut sich jedoch mit dem Skript nicht unbedingt einen Gefallen, denn so spannend und vielversprechend die Prämisse einer Einheit gedankenlesender Kriminalpsychologen auf den ersten Blick sein mag, wird dieser Ansatz doch zugunsten eines nur halbgaren Twists geopfert, der die bis dahin intensive Atmosphäre und das hervorragende Schauspiel seitens Strong und Farmiga eher herabwürdigt und einen ansonsten stilsicher inszenierten Film höchst unbefriedigend ausklingen lässt.

6.5/10
Leser-Wertung 7/10 (9 Stimmen)
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Und hier nun noch im Nachgang ein kleinerer Spoiler-Part, der umreißt, warum ich ausgerechnet mit dem Ende so unglücklich gewesen bin.

SPOILER – SPOILER – SPOILER – SPOILER – SPOILER – SPOILER

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Bewusst unerwähnt gelassen habe ich in meiner Rezension Noah Taylor, denn auch er spielt hier einen der gedankenlesenden Kriminalpsychologen, wie man gleich zu Beginn des Films anhand eines Zeitungsartikels erfährt, derweil er selbst im Film quasi nicht zu sehen ist. Wer aber dessen Gesicht und Statur kennt, wird ihn recht bald immer mal wieder am Rande des Geschehens stehen sehen, wie er Washington beobachtet und da wir als Zuschauer Washington selbst schon in der Rolle des Beobachters in der Erinnerung einer anderen Person gesehen haben (damit eröffnet quasi ja schon der Film), dürfte relativ schnell klar sein, dass der von Taylor gespielte Gedankenleser Washingtons Erinnerungen durchforstet. Als wäre dies aber nicht Hinweis genug, sehen wir immer öfter Großaufnahmen von stillstehenden Uhren, beispielsweise in Washingtons Appartement, in etwa ab dem Zeitpunkt, da er Anna erklärt hat, dass solche Details in Erinnerungen gern vernachlässigt werden, woraus sich ein zweiter, extrem offensichtlicher, beinahe plakativer Hinweis ergibt.

Wer von diesem Punkt ausgehend noch ein Stück weiter denkt, braucht sich dann auch keine Fragen bezüglich Anna mehr stellen, denn warum sollte ein anderer Gedankenleser Washingtons Gehirn durchforsten, wenn Anna nicht böse wäre, sprich, ihm zumindest etwas angehängt hat. Und nachdem Anna dann ihren Plan durchgeführt hat, Washington als Mörder ihrer Eltern darzustellen passiert, was man im Grunde seit einer guten Stunde erwartet hat, nämlich dass Noah Taylors Figur auffordert aufzuwachen, was sicherlich einen beabsichtigten Aha-Moment hätte hervorrufen sollen, doch ganz ehrlich hätte mich alles andere mehr überrascht als diese naheliegende, so offensichtlich scheinende Wendung, die dem Zuschauer hier aber dem Gefühl nach als "Mind Blowing Twist" verkauft wird. Schade, denn ansonsten hat mir der Film durchaus gut gefallen.

SPOILER ENDE – SPOILER ENDE – SPOILER ENDE

– – –

Mindscape ist am 20.11.14 auf DVD und Blu-ray bei STUDIOCANAL erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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Eine Reaktion

  1. Stepnwolf 17. Dezember 2017

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