Review: Free Fire (Film)

Kommen wir zur letzten Film-Kritik für dieses Jahr, denn da morgen noch ein "Happy Birthday"-Artikel online geht, kann ich mir eine kleine Auszeit gönnen, ohne den täglichen Veröffentlichungsturnus unterbrechen zu müssen, doch dafür komme ich heute noch einmal mit einem kleinen Schmankerl daher, das ich von Herzen empfehlen kann und zu dem ich mich nachfolgend gewohnt ausführlich äußern möchte.

Free Fire

Free Fire, UK/FR 2016, 91 Min.

Free Fire | © Splendid Film
© Splendid Film

Regisseur:
Ben Wheatley
Autoren:
Amy Jump
Ben Wheatley

Main-Cast:
Sharlto Copley (Vernon)
Armie Hammer (Ord)
Brie Larson (Justine)
Cillian Murphy (Chris)
Jack Reynor (Harry)
in weiteren Rollen:
Babou Ceesay (Martin)
Enzo Cilenti (Bernie)
Sam Riley (Stevo)
Michael Smiley (Frank)
Noah Taylor (Gordon)

Genre:
Action | Komödie | Krimi | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Free Fire | © Splendid Film
© Splendid Film

Massachusetts im Jahr 1978: Nahe einer verlassenen Lagerhalle treffen sich der Waffenhändler Vernon und seine Schergen mit den Zwischenhändlern Ord und Justine sowie einer Gruppe Ganoven, welche die üppige Ladung entgegenzunehmen gedenken. Nach kurzem Vorgeplänkel in angespannter, aber professioneller Atmosphäre beginnt der Deal allerdings aus dem Ruder zu laufen, denn nicht damit genug, dass Vernon nach Meinung von Gangster Chris die falsche Ware geliefert hat, hat sich Stevo – ebenfalls einer der Kriminellen – in der Nacht zuvor mit einem von Vernons Leuten angelegt, was die Sache schneller eskalieren lässt, als allen beteiligten lieb sein kann…

Rezension:

Nachdem mich Regisseur und (Co-)Drehbuchautor Ben Wheatley vor etwas mehr als einem Jahr bereits mit seinem ungemein atmosphärischen und ungewöhnlichen Thriller High-Rise zu begeistern gewusst hat, wollte ich unbedingt nun auch bei seinem neuen Film Free Fire einen Blick riskieren, so dass es Martin Scorcese als ausführendem Produzenten gar nicht gebraucht hätte, um mein Interesse zu wecken, derweil Wheatley ansonsten hier eine rundweg andere Marschrichtung einschlägt, denn im Grunde, aufs Nötigste runtergebrochen, handelt es sich bei seinem Film um ein – das kaum eine Viertelstunde dauernde Vorgeplänkel miteingerechnet – neunzigminütiges Shootout in einer verlassenen Lagerhalle, so dass der Film im Grunde das, was andernorts als reißerisches Finale eines Gangsterfilmes dienen mag, zum Spielfilm auswalzt und dafür die Vorgeschichte beinahe gänzlich ausklammert. Nun liefe ein solcher Film zwar schnell Gefahr, sich zu wiederholen und damit langweilig zu werden, doch ohne dass Wheatley nebst Ehefrau Amy Jump als Autoren-Duo auf allzu weit hergeholte Twists zurückgreifen müssten, gelingt ihnen tatsächlich dennoch ein rundherum frisch und unverbraucht wirkender Streifen, der in seiner inszenatorischen Schlichtheit bis zuletzt zu überzeugen versteht.

Szenenbild aus Free Fire | © Splendid Film
© Splendid Film

Das hat freilich mehrere Gründe, denn es mag nicht von der Hand zu weisen sein, dass Wheatley sich ohne Frage an namhaften Regisseuren wie Tarantino oder Rodriguez orientiert hat, um seinen spleenigen Figuren diese gewisse Coolness zu verleihen, doch dennoch bewahrt sich Free Fire genügend Eigenständigkeit, um nicht als müder Abklatsch gelten zu müssen, zumal der Handlungsort allein eine beinahe kammerspielartige Atmosphäre schafft, auch wenn das Figurenkonsortium hier weitaus vielfältiger und zahlreicher ausfällt als bei vergleichbaren Produktionen, doch auch thematisch geht die Auseinandersetzung zwischen Waffen-Käufern und -Verkäufern in eine mehr als ungewohnte Richtung (was das Sujet des Kammerspiels angeht natürlich nur). Zudem haben die Beteiligten sichtlich Spaß an ihren exzentrischen Rollen und so darf man sich auf und über wohldosiertes Overacting freuen, wodurch speziell Sharlto Copley (Powers) wieder merklich aus der Masse hervorsticht. Als Zwischenhändler mit zunächst undurchsichtigen Ambitionen machen aber auch Armie Hammer (Codename U.N.C.L.E.) und insbesondere Brie Larson (The Gambler) eine großartige Figur, zumal Larson nebenbei noch den Umstand zu bewältigen hat, die ausnahmslos einzige Frau im Cast zu sein und trotzdem nicht im Schatten ihrer männlichen Kollegen zu stehen, was ihr aber wie zu erwarten speilend gelingt, wodurch ihre Justine ohnehin zu einer der spannendsten Figuren des Films überhaupt wird.

Apropos Spannung sind es aber bei Free Fire auch die munter wechselnden Allianzen und die unterschiedlichen Beweggründe der Figuren, die für ein viriles Momentum sorgen, denn dadurch, dass kaum eine der Gestalten auch nur eine skizzenhafte Vita spendiert bekommt, könnte sich der Film zwar den Vorwurf gefallen lassen, er würde lediglich mit Schablonen und Stereotypen arbeiten, doch vergrößert das eben auch das Rätselraten hinsichtlich persönlicher Motivationen, was das Wechselspiel der sich beschießenden und beschützenden, beschimpfenden und bescheißenden Charaktere nur umso kurzweiliger und abwechslungsreicher geraten lässt. Auf Seiten der Gangster wiederum dominieren ohne Frage Cillian Murphy (Transcendence) und Sam Riley (Stolz und Vorurteil und Zombies) das Geschehen, derweil insbesondere Riley eine weit größere Rolle hat, als seine Nennung im Cast vermuten lassen würde, aber da ich den Darsteller ohnehin sehr schätze, kommt das in meinem Fall dem Gesamteindruck des Films nur zugute, derweil Noah Taylor (Preacher) auch hier wieder mit einer kleineren Rolle vorlieb nehmen muss, doch freue ich mich ja bekanntermaßen jedes Mal sehr, ihn in jedweder Art von Film oder Serie zu sehen.

Szenenbild aus Free Fire | © Splendid Film
© Splendid Film

So sehr aber das Geschehen auch von den munter diversifizierten Figuren und Fraktionen dominiert wird, muss man Free Fire auch inszenatorisch loben, denn fernab der stimmigen 70s-Garderobe – einhergehend mit nicht minder absurden Frisuren – versprüht der Film auch in seiner Machart einen angenehm unaufdringlichen Retro-Charme und setzt auf handgemachte Effekte, die mit verstreichender Laufzeit zunehmend blutiger und derber werden und punktet mit einem angenehm dreckigen, abwechslungsreich inszenierten Shootout voller Oneliner und positiv absurder Ideen, das als finale Auseinandersetzung so manchen Gangsterfilm wunderbar hätte veredeln können, hier aber selbstbewusst als gesamter Spielfilm daherkommt und sich reichlich wenig um Genre-Konventionen und dergleichen schert, während die wechselseitigen Auseinandersetzungen bis zuletzt noch Überraschungen parat halten und angenehm konsequent zum Abschluss gebracht werden. Zweifelsohne wäre es schön gewesen, mehr zu den Figuren und ihren Hintergründen zu erfahren, hätte es nicht geschadet, dem Film noch eine vor- sowie nachgelagerte Rahmenhandlung zu verpassen, doch in diesem Fall, auch wenn Free Fire mitnichten perfekt sein mag, ist das Endergebnis in der vorliegenden Fassung ideal und geht nach extrem kurzer Exposition des Settings und der Parteien gehörig in die Vollen, so dass ich mich keine Sekunde der anderthalbstündigen Auseinandersetzung dieser schießwütigen Gesellen zu langweilen gedroht habe.

Fazit & Wertung:

Mit Free Fire inszeniert Ben Wheatley ein neunzigminütiges Shootout in kammerspielartiger Atmosphäre, das nicht nur durch seine inszenatorische Geradlinigkeit, sondern vor allem durch sein bestens aufgelegtes Darsteller-Ensemble zu begeistern versteht und trotz gewollt spleeniger, vergleichsweise oberflächlicher Figuren zu überzeugen weiß, denn langweilig wird es hier zu keiner Sekunde.

8 von 10 aberwitzigen Schusswechseln

Free Fire

  • Aberwitzige Schusswechsel - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Mit Free Fire inszeniert Ben Wheatley ein neunzigminütiges Shootout in kammerspielartiger Atmosphäre, das nicht nur durch seine inszenatorische Geradlinigkeit, sondern vor allem durch sein bestens aufgelegtes Darsteller-Ensemble zu begeistern versteht und trotz gewollt spleeniger, vergleichsweise oberflächlicher Figuren zu überzeugen weiß, denn langweilig wird es hier zu keiner Sekunde.

8.0/10
Leser-Wertung 1/10 (1 Stimme)
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Free Fire ist am 25.08.17 auf DVD und Blu-ray bei Splendid Film erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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