Auf und über die heutige Buch-Kritik freue ich mich diesmal ganz besonders, denn oft habe ich das Gefühl, mit all den Sachen überhaupt nicht hinterherzukommen, die ich gerne lesen und sehen und natürlich besprechen würde, doch hier hat es diesmal ausnehmend gut funktioniert, mir mehr als einen Monat vor der Veröffentlichung der gleichnamigen Verfilmung das Buch zu Gemüte zu führen, was mich doch sehr freut, zumal ich jetzt eventuell sogar noch Zeit hätte, mir den Rest der Southern-Reach-Trilogie einzuverleiben. Aber lest doch erst einmal, worum es hier eigentlich geht!
Auslöschung
Southern-Reach-Trilogie 1
Annihilation, USA 2014, 240 Seiten
© Droemer Knaur
Jeff VanderMeer
Michael Kellner
Droemer Knaur
978-3-426-51804-5
Science-Fiction | Mystery
Inhalt:
Wir waren zu viert: eine Biologin, eine Anthropologin, eine Landvermesserin und eine Psychologin. Ich war die Biologin. Dieses Mal hatten sie nur Frauen ausgesucht, Teil eines komplexen Musters von Variablen, nach dem die Expeditionen zusammengestellt wurden. Die Psychologin war etwas älter als wir anderen und fungierte als Leiterin der Expedition.
Ein nicht näher bezeichnetes Gebiet an der amerikanischen Küste ist von mysteriöser wie unbekannter Flora und Faune überwuchert worden. Wie es dazu kam oder was dies zu bedeuten hat, vermag niemand zu bestimmen, doch immerhin entsendet das Southern-Reach-Institut Expeditionen in das als Area X betitelte Areal, um Antworten zu finden und die Gegend zu erkunden, doch viele der nunmehr elf Expeditionen lehrten nicht oder auf merkwürdige Art verändert zurück, während man noch immer nicht viel mehr über das Gebiet weiß und selbst die Expeditionsteilnehmer in vielen Punkten im Unklaren gelassen werden. So ergeht es auch einer Biologin, die als Teil eines vierköpfigen Forscherinnen-Teams der zwölften Expedition angehört, die sich in die Area X begibt. Und was besagte Biologin dort entdeckt und erlebt, hält sie in ihren akribisch geführten Aufzeichnungen fest…
Rezension:
Wie sicherlich so viele andere auch bin ich erst verspätet auf die Southern-Reach-Trilogie von Jeff VanderMeer aufmerksam geworden beziehungsweise namentlich deren erster Teil Auslöschung und das aus dem Grunde, dass im März die gleichnamige Verfilmung Auslöschung von Alex Garland (Ex Machina) mit Natalie Portman und Oscar Isaac in den Hauptrollen bei Netflix starten wird. Kurzentschlossen wollte ich mich doch aber bestmöglich vor Sichtung des Films mit dem zugrundeliegenden Buch auseinandersetzen und die Lektüre liegt nun also hinter mir. Gleich vorweg, das Buch – dem Parallelen zu unter anderem H. P. Lovecraft oder der TV-Serie Lost angedichtet werden – ist sicherlich keine sonderlich zugängliche Kost und allein schon in seinen narrativen Strukturen eher ungewöhnlich, so dass man sich gleich im Vorfeld darauf einstellen kann, es entweder zu lieben oder zu hassen (so mein Bauchgefühl). Ich für meinen Teil zähle mich dankenswerterweise zur ersten Fraktion und war während und nach der Lektüre entsprechend schwer begeistert, denn ein derartiges Mysterium, wie es hier von der Area X ausgeht, sieht – beziehungsweise liest – man nicht alle Tage.
Man hatte uns eingeschärft, nach unserer Ankunft nicht zurückzuschauen, aber als die Psychologin gerade mit etwas anderem beschäftigt war, riskierte ich einen Blick. Ich weiß nicht genau, was ich sah. Es war undeutlich, verschwommen, und lag schon weit hinter uns – vielleicht ein Tor, vielleicht eine Täuschung. Nur der abrupte Eindruck eines perlenden Lichtquaders, der rasch verblasste.
So ist Auslöschung von der ersten Seite an in Tagebuch-Form verfasst und man begleitet eine namenlos bleibende Biologin in das rätselhafte, Area X genannte Gebiet, das es zu untersuchen, zu kartografieren, zu erforschen gilt. Auftraggeber ist hierbei die Organisation Southern Reach, auch wenn diese selbst vergleichsweise selten überhaupt Erwähnung findet. Grundsätzlich aber ist alles, was die Biologin niederschreibt, von Rätseln und Mysterien durchzogen, denn dafür, dass es sich bereits um die 12. Expedition handeln soll, werden die Teilnehmerinnen – in diesem Fall ist das Personal aufgrund eines "komplexen Musters von Variablen" ausnahmslos weiblich – gehörig im Unklaren gelassen, um angeblich ihre Unvoreingenommenheit zu gewährleisten, doch riecht man natürlich schnell Lunte, dass da noch einiges mehr im Gange zu sein scheint, was im Übrigen auch im vorliegenden Band auch nur annähernd erklärt oder aufgeklärt würde. Meine Begeisterung enthält so betrachtet natürlich auch einiges an Vorschusslorbeeren, denn im Grunde stehen und fallen die Mysterien des Bandes damit, ob und inwieweit in den noch folgenden Bänden Autorität und Akzeptanz noch "Aufklärungsarbeit" geleistet wird.
Dennoch lässt sich festhalten, dass Auslöschung trotz seiner Auslassungen und dem vorherrschenden Mystery-Anteil ungemein in seinen Bann zu schlagen versteht, wenn man sich auf die ungewöhnliche Erzählung einzulassen bereit ist, denn zugegebenermaßen taugt die Biologin – nicht nur aufgrund ihres unbekannten Namens – nicht unbedingt als Identifikationsfigur, was sich insbesondere im weiteren Verlauf der Geschichte bemerkbar machen wird. So bleibt eine merkwürdige und ungewohnte Distanz zur Protagonistin bestehen, was nicht jedem gefallen dürfte, auf alle Fälle aber den Eindruck verstärkt, man würde hier die Aufzeichnungen einer anderen Person betrachten. Dabei behält Jeff VanderMeer diesen Erzählton bis zuletzt konsequent bei, aber bei mancher Schilderung stößt diese Art des Erzählens natürlich an ihre Grenzen, wenn die Ereignisse sich zu überschlagen beginnen und man für sich selbst beschließen muss, dass die Biologin dies vermutlich erst im Nachgang zu einem späteren Zeitpunkt niedergeschrieben haben muss. Neben der Biologin sind im Übrigen noch eine Anthropologin, eine Landvermesserin und eine Psychologin Teil der Expedition, spielen aber allein aufgrund der Art des Erzählens nur eine untergeordnete Rolle. Dafür hingegen bekommt man durch die Schilderungen der Hauptfigur was ihre Vergangenheit und ihren Mann betrifft, nach und nach ein doch vergleichsweise verlässliches Bild ihres Lebens und Denkens geliefert, so dass sich die Erzählung nicht ausschließlich auf die Ereignisse in Area X beschränkt.
Wir hatten keine Möglichkeit, unsere Vorgesetzten von dieser Entdeckung zu informieren. Eine der Vorschriften für Expeditionen in Area X lautete, dass den Teilnehmern jeglicher Kontakt nach außen untersagt war, wohl aus Angst vor einer irreversiblen Kontamination. Wir hatten auch wenig dabei, was unserem aktuellen technologischen Stand entsprach. Keine Handys oder Satellitentelefone, keine Computer, keine Camcorder, keine komplizierten Messinstrumente, abgesehen von diesen merkwürdigen schwarzen Kästchen, die an unseren Gürteln baumelten.
Area X als Name für dieses im Umbruch begriffene und für den menschlichen Geist in vielen Aspekten kaum greifbaren Gebietes ist dabei natürlich exemplarisch für das Vage, dass VanderMeer hier wie sonst kaum etwas forciert, denn auch wenn die Biologin der Schilderung ihrer Entdeckungen und Erlebnisse nicht müde wird, stößt sie doch immer öfter an sprachliche Grenzen, wenn das, was ihr widerfährt, schlichtweg nicht in Worte zu fassen ist. Auch das allerdings ist einer der Punkte, die für mich den ganz besonderen Reiz von Auslöschung dargestellt haben, das ich übrigens kaum noch aus der Hand legen konnte, was in Anbetracht der recht knappen Seitenzahl aber auch nicht weiter tragisch gewesen ist. So bin ich nun jetzt einerseits extrem gespannt, wie der Autor seine Trilogie – die schon im amerikanischen Original seinerzeit in einem Abstand von nur wenigen Monaten komplett veröffentlicht worden ist (ähnlich hat es hierzulande der Knaur Verlag ebenfalls gehandhabt) – in den kommenden Bänden fortführen wird und ob es ihm gelingt, diesen Grad der Faszination aufrechtzuerhalten, andererseits, wie und ob es Garland gelungen sein wird, die hier geschilderten Begebenheiten und das phantasmagorische Flair der Erzählung auf Leinwand zu übertragen.
Auslöschung - Southern-Reach-Trilogie 1
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Gänzlich unbekannte Vertreter von Flora und Fauna - 9/10
9/10
Fazit & Wertung:
Jeff VanderMeer liefert mit Auslöschung einen insbesondere atmosphärisch ungemein überzeugenden Auftakt für seine Southern-Reach-Trilogie ab, hält sich aber zugegebenermaßen mit Erklärungen für das zunehmend mysteriöser und phantasmagorischer werdende Geschehen beinahe vollends zurück, was manchem Leser sauer aufstoßen könnte, in meinen Augen allerdings lediglich die ohnehin schon unterschwellig vorhandenen Gefühle von Bedrohung, Faszination, Gefahr und Unverständnis unterstreicht, welche die tagebuchartigen Schilderungen der namenlos bleibenden Biologin durchdringen.
Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Droemer Knaur.
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Auslöschung – Southern-Reach-Trilogie 1 ist am 01.03.17 bei Droemer Knaur erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!