Review: Das Gebot der Rache | John Niven (Buch)

Und da wäre ich auch schon wieder und möchte diese Woche einmal mehr über einen Roman von John Niven sprechen, den ich nun auch endlich mein Eigen nenne und den ich schon lange hatte lesen wollen. Der richtig große Wurf ist es zwar nicht geworden, aber doch rundherum gelungene Unterhaltung, wenn man von Unterhaltung überhaupt sprechen darf, denn Thema und Plot des Buches sind doch ausnehmend düster geraten, aber lest selbst!

Das Gebot der Rache

Cold Hands, UK 2012, 304 Seiten

Das Gebot der Rache von John Niven | © Heyne Hardcore
© Heyne Hardcore

Autor:
John Niven
Übersetzer:
Stephan Glietsch

Verlag (D):
Heyne Hardcore
ISBN:
978-3-453-67675-6

Genre:
Thriller

 

Inhalt:

Ich schreibe mit einem Füllfederhalter, da meine rechte Hand beim Tippen immer noch zu sehr schmerzt. Sie ist von einer monströsen Narbe entstellt, die rot wird, wenn ich eine Faust balle, und sich langsam weiß färbt, wenn ich sie wieder öffne. Ich bin erst dreiundvierzig, fühle mich aber so alt, wie ich aussehe. Als hätte ich tatsächlich zwei Leben gleichzeitig geführt.

Donald Miller hat es nicht schlecht getroffen im Leben, nachdem er eine schwierige Kindheit in ärmlichen Verhältnissen im weit entfernten Schottland hinter sich gelassen hat und nach Kanada gezogen ist, denn gemeinsam mit seiner wohlhabenden Frau und dem gemeinsamen Sohn Walt bewohnt er ein repräsentativ luxuriöses Anwesen und führt ein Leben, wie es sich viele wohl wünschen würden. Als aber eines Tages der Hund der Familie nicht aufzufinden ist und Donald dessen übel zugerichtete Leiche im Schnee findet, beginnt die Ahnung an ihm zu nagen, dass etwas Böses in sein Leben getreten ist. Während dies zunächst nur dunkle Vorahnung bleibt, häufen sich alsbald die Zeichen, dass Donald Recht behalten würde, doch ist dies erst der Anfang seines ganz persönlichen Alptraums…

Rezension:

Der schottische Autor John Niven ist mir ja nun kein Unbekannter und es ist gar nicht mal so lange her, dass ich mich seinem Buch Old School gewidmet habe, derweil Alte Freunde sich längst auf meinem Stapel ungelesener Bücher befindet, doch galt es zunächst einmal, seinen ursprünglich im Jahre 2012 erschienenen Ausflug ins Thriller-Genre nachzuholen, der hierzulande als Das Gebot der Rache vermarktet worden ist. Meiner besseren Hälfte zum Dank befand sich nun dieser Roman jüngst unter dem Weihnachtsbaum und entsprechend gespannt war ich, wie mir Niven ohne seine Albernheiten, seinen Sarkasmus und die scharfzüngige Satire gefallen würde. Und ja, der Autor besticht auch hier wieder mit seiner prägnanten Sprache, derweil Stammübersetzer Stephan Glietsch einen erwartungsgemäß überzeugenden Job abliefert, das Geschilderte einzudeutschen, doch erfindet Niven mitnichten das Genre neu und weiß daher noch am ehesten zu überzeugen, wenn es mit ihm durchzugehen scheint, was in etwa dem letzten Drittel des Buches der Fall ist, denn hier nehmen sowohl Tempo als auch Härte gehörig zu.

Ich wartete einen Moment und winkte dem Bus hinterher, bevor ich mich auf den Rückweg machte. Die Krähen erhoben sich gemächlich in die Luft, als ich mich ihnen näherte, und ließen sich dann in einiger Entfernung nieder, um mich zu beobachten.

Bis dahin allerdings ist es zwar nicht unbedingt ein langer Weg, aber dennoch einer, den man zu gehen hat und der gerade zu Beginn irritierend behäbig beschritten wird, denn einerseits nutzt der Autor den Tod eines geliebten Haustiers als Aufhänger, um deutlich zu machen, dass es im Leben des Protagonisten Donald Miller alsbald nicht mehr so rosig zugehen wird, andererseits drosselt er nach diesem auch emotional gelungenen Auftakt das Tempo noch einmal merklich und taucht gemeinsam mit dem Leser zunächst einmal in die Alltagswelt der Hauptfigur, aus deren Sicht übrigens der gesamte Roman geschildert wird. Das ist mitnichten langweilig, doch nicht unbedingt das, was ich mir von einem – auch von vielen Kritiker-Stimmen – gefeierten Thriller erwartet hätte, der wohl am ehesten so gut funktioniert, da er mit gerade mal 300 Seiten angenehm knackig daherkommt und durchaus Page-Turner-Qualitäten besitzt, die das Lesen des Bandes in einem Rutsch durchaus begünstigen.

Donald ist dabei eine durchaus gelungene Hauptfigur mit beschwerlicher Kindheit, die in Form von Rückblenden immer wieder aufs Trapez gebracht wird, wobei ich persönlich mich wohl noch am ehesten mit seinem Job als Film-Kritiker identifizieren konnte. Um aber noch einmal bei den Rückblenden zu bleiben, gelingt es Niven hier vortrefflich, die Diskrepanz zwischen der von Armut, Vernachlässigung und Gewalt geprägten Kindheit Donalds und dem luxuriösen, sorgenfreien Leben, das er nun führt, herauszuarbeiten. Diesbezüglich muss man kein Genie sein, um früh zu erahnen, dass es die Geister seiner Vergangenheit sind, die ihn einholen und ihm das Leben zur Hölle machen, doch als weitaus enttäuschender erweist sich, dass, ist der Knoten erst einmal geplatzt und das "Geheimnis" gelüftet, Das Gebot der Rache kaum noch wirklich zu überraschen weiß und sich vor allem an allerhand Klischees aus Film und Fernsehen schadlos hält, was die das letzte Drittel dominierende Auseinandersetzung betrifft. Vielleicht hatte Niven auch hier eine Art satirische Überhöhung im Sinn, doch gemessen daran, wie ernst er seinen Thriller ansonsten aufbereitet, wirken manche der ach so überraschenden und schockierenden Wendungen wie einem Groschenroman entliehen.

Während ich überlegte, was wir Walt sagen würden, starrte ich aus den blau getönten Fenstern in die weiße Landschaft. Als mein Blick über den Waldrand streifte, verspürte ich ein wachsendes Unbehagen, als könnte ich die kalten Augen eines Raubtiers auf mir spüren, das immer noch dort lauerte, geräuschlos durchs Unterholz schlich, geduckt, mit hechelnder Zunge zwischen mächtigen Kiefern, aus denen dampfend der Geifer zu Boden tropfte, die Schnauze blutverschmiert, Fleischfetzen zwischen den Zähnen.

Ungeachtet der vielen (und berechtigten) Kritik hatte ich allerdings meine gehörige Freude an dem Buch und konnte es kaum aus der Hand legen, auch wenn sich zugegebenermaßen spätestens nach Beendigung der Lektüre eine gewisse Ernüchterung breitzumachen begann, denn wie gesagt, Neues oder Unerwartetes hat Das Gebot der Rache kaum zu bieten und mancherorts stören die vielen Rückblenden auch mehr, als dass sie nützen, doch dank der konsequent knappen Inszenierung und allgemein Nivens "Erzählton" wurde es eben auch nie langweilig mit dem Buch, das ich jetzt insbesondere ausgewiesenen Thriller-Fans nicht unbedingt empfehlen würde, dem man sich aber mit der richtigen Erwartungshaltung an einem verregneten Wochenende durchaus einmal widmen kann, denn selbst die klischeebehafteten Momente werden in der Summe dann doch so charmant transportiert, dass hier eben trotz allem irgendwie der Niven’sche Schelm durchschlägt, der sich ohnehin im reißerischen wie gleichermaßen blutigen Finale vermehrt Bahn bricht und sichtlich Spaß am Exzess beweist, der dann auch für den vergleichsweise gemächlichen – aber kurzweiligen – Einstieg entschädigt.

Fazit & Wertung:

Mit Das Gebot der Rache hat sich Autor John Niven in für ihn unbekannte Gefilde gewagt und liefert einen Thriller ab, der zwar weit weniger mit einem überraschenden Plot, dafür aber mit einem souveränen Erzähler und kurzweiliger Aufbereitung zu punkten weiß. Mitnichten ein großer Wurf, aber grundsolide Thriller-Kost, deren Tempo und Spannungskurve im letzten Drittel noch einmal rasant nach oben schnellt.

7 von 10 ins Unterbewusstsein verbannten Erinnerungen

Das Gebot der Rache

  • Ins Unterbewusstsein verbannte Erinnerungen - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

Mit Das Gebot der Rache hat sich Autor John Niven in für ihn unbekannte Gefilde gewagt und liefert einen Thriller ab, der zwar weit weniger mit einem überraschenden Plot, dafür aber mit einem souveränen Erzähler und kurzweiliger Aufbereitung zu punkten weiß. Mitnichten ein großer Wurf, aber grundsolide Thriller-Kost, deren Tempo und Spannungskurve im letzten Drittel noch einmal rasant nach oben schnellt.

7.0/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Heyne Hardcore. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Das Gebot der Rache ist am 09.06.14 bei Heyne Hardcore als Taschenbuch erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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