Nachdem ich die letzten zwei Tage die "Happy Birthday"-Artikel genutzt habe, um mit dem regulären Bloggen mal auszusetzen, widmen wir uns heute dann mal wieder einem Buch, bevor es morgen entweder mit der ersten Film-Kritik für diese Woche weitergeht oder ich zunächst einmal die Montagsfrage nachhole, die ich ja ebenfalls Anfang der Woche ausgelassen habe.
Alte Freunde
No Good Deed, UK 2017, 352 Seiten
© Heyne Hardcore
John Niven
Stephan Glietsch
Heyne Hardcore
978-3-453-26944-6
Drama | Komödie
Inhalt:
»Prost«, sagte Alan.
»Aye, prost«, erwiderte Craig und stieß mit ihm an.
Prost? Ernsthaft? Im Hinblick darauf, wie sehr Craig zweifellos vom Schicksal gebeutelt war, empfand Alan es beinahe als zynisch, mit ihm anzustoßen. Offenbar trug sein alter Freund mehrere Schichten Kleidung übereinander. Die Sohlen seiner Turnschuhe waren halb abgerissen. Seine wenigen Habseligkeiten, bestehend aus Schlafsack, Rucksack und einer Tragetasche, lagen unter dem Stuhl neben ihm.
Früher einmal war Craig ein regelrechter Rockstar und sein Freund Alan ein duckmäuserischer Mitläufer ohne sonderliches Charisma. Man muss kein Genie sein, die Lebenswege der beiden ungleichen Freunde zu prognostizieren, doch dreißig Jahre später hat sich tatsächlich so einiges geändert, denn während Alan nicht nur als Gastro-Kritiker Erfolge feiert und in diesem und jenem Komitee mitmischt, hat er mit seiner Frau ebenfalls eine gute Partie gemacht und in die feine Gesellschaft eingeheiratet, derweil es Craig nach den obligatorischen Drogenexzessen und dem Ausbleiben des weiteren Erfolges in die Gosse verschlagen hat. Als Alan eines Abends von Craig auf der Straße angesprochen wird, erkennt er diesen zunächst kaum wieder, doch natürlich ist er willens, dem alten Freund unter die Arme zu greifen und nimmt ihn bei sich zu Hause auf. Aus ein paar Tagen werden Wochen und Craig gehört mittlerweile fest zur Hausgemeinschaft, während Alan sich bemüht, ihm wieder auf die Beine zu helfen. Dumm nur, dass Craig auch eigene Pläne verfolgt, die Alan, wüsste er davon, alles andere als schmecken würden…
Rezension:
John Niven zählt ja durchaus zu den an dieser Stelle häufiger vertretenen Autoren, doch in letzter Zeit macht sich bei der Qualität seiner Schreibe durchaus ein Abwärts-Trend bemerkbar, wie ich schon bei Old School festgestellt habe, das sich in vielen Teilen schon eher wie ein Film-Drehbuch zu einem mäßig unterhaltsamen Streifen las. Nun wirkt leider auch Alte Freunde ein wenig wie eine Fingerübung und teils regelrecht so, als wäre Niven eben verpflichtet gewesen, einen neuen Roman aus dem Ärmel zu schütteln. So beginnt nämlich die Geschichte recht prompt mit dem Aufeinandertreffen der beiden namensgebenden "alten Freunde" kommt gleichermaßen aber nur schwerlich in Fahrt, denn zunächst einmal gilt es anscheinend, einige Allgemeinplätze zu bedienen. So ist das Geschehen wenig überraschend und nur mäßig packend, weshalb man am ehesten noch loben kann, dass sich die Geschichte flüssig und kurzweilig lesen lässt, aber eben eher – um den Film-Vergleich noch einmal zu bemühen – eher B-Movie-Charme verströmt, als wirklich zu fesseln.
Katie sah auf die Uhr. Fast fünf Uhr nachmittags. War der Umstand, dass sie ihn später fürs Hühnchen brauchen würde, eine hinreichende Ausrede, um die Glastür des Weinkühlschranks zu öffnen und schon mal eine Flasche Sauvignon oder Burgunder zu entkorken? Nein, vorerst würde sie sich mit einer Tasse Tee vertrösten.
Alsbald beginnt Niven dann damit, Hinweise zu streuen, dass der arme obdachlose Freund von früher vielleicht etwas im Schilde führen mag und einiges vor seinem ungleich wohlhabenderen Freund verbirgt. So nebulös und diffus diese Andeutungen auch sein mögen, legt er damit die Marschrichtung fest für das, was erst auf den letzten vielleicht etwa fünfzig Seiten des Bandes wirklich zum Tragen kommt, raubt dieser Entwicklung dann aber auch schon früh das Überraschungsmoment, denn man müsste schon hart auf den Kopf gefallen sein, um nicht zu ahnen, was da letztendlich passieren und wie es ausgehen wird. Nicht nur in dieser Hinsicht also waren Nivens frühere Werke sowohl konsequenter als auch überraschender, teils bissiger und bösartiger in ihrer Herangehensweise, denn wenn ich daran denke, wie sehr der Schriftsteller mit seinen vorangegangenen Werken anzuecken und aufzuregen wusste, wirkt die sich hier entfaltende Chose doch reichlich handzahm und nur mäßig originell.
Da helfen dann auch die mancherorts eingeflochtenen Rückblenden in Alte Freunde nicht mehr viel, die die frühere Freundschaft eingehender beleuchten sollen, im Grunde aber ebenfalls nur Beiwerk zu einer mäßig spannenden Geschichte liefern, die auch gut und gerne ohne diesen Blick in die Vergangenheit funktioniert hätte, dann sogar straffer hätte erzählt werden können, als es hier mit gerade einmal rund 300 Seiten ohnehin schon der Fall ist. So konnte ich mich des Öfteren beim Lesen nicht des Gefühls erwehren, als würden manche der beinahe schon episodisch erzählten Eskapaden als regelrechte Lückenfüller zwischen den Story-Elementen dienen, was weitaus verzeihlicher gewesen wäre, wenn Niven hier nicht auch in punkto Humor teils in absurde Untiefen abdriftet, die in seinen exzessiveren Werken vielleicht durchaus ihre Daseinsberechtigung gehabt hätten, hier aber reichlich deplatziert wirken. Um nur ein Beispiel zu nennen, obwohl ich mich ja sonst hüte, den eigentlichen Plot zu spoilern, kommt es aufgrund von akuter Verstopfung zum Überlaufen einer Toilette in einem alten Landhaus, was die versammelte Garde an distinguierten wie gutsituierten Gästen vor Ort in die wortwörtliche Scheiße schlittern lässt und das – sorry – war mir einfach zu blöd.
Alles ist irgendwie anders, dachte Craig, als er sich umschaute. Andererseits konnte er es nicht mit Gewissheit sagen, da er die paar Male, die er bislang im Groucho gewesen war, ziemlich neben sich gestanden hatte – damals, Anfang der Neunziger, als die Plattenfirmen seine Band noch heftig umwarben. »Mein Freund ist Musiker«, sagte Alan, als er ihn an der Rezeption ins Besucherbuch des Privatclubs eintrug, während Craig verlegen danebenstand und sein Bündel umklammerte.
Wenn dann wenigstens die ach so überraschende Wendung in der Geschichte gelungen inszeniert wäre, würde ich Alte Freunde ebenfalls so einiges vergeben, doch wird dieser Part nicht nur reichlich hektisch abgehandelt und hätte durchaus ein wenig mehr erzählerische Tiefe vertragen können, nein, auch die Beweggründe wirken reichlich fadenscheinig und erinnern an Westentaschen-Psychologie, womit nicht mehr viel an Nivens neuestem Werk bleibt, was so richtig überzeugen kann, weshalb es sich in meinen Augen um den bislang schwächsten Vertreter seines Schaffens handelt, den man selbst bei ausgeprägter Affinität für den Autor getrost aussparen kann, denn auch wenn Unterhaltungswert vorhanden sein mag und sich das Buch kurzweilig gibt, kann man sowohl Zeit als auch Geld sicherlich sinnvoller investieren, so leid es mir tut, das von einem Niven sagen zu müssen.
Alte Freunde
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Verklärte Erinnerungen - 5/10
5/10
Fazit & Wertung:
Mit Alte Freunde liefert John Niven einen Roman ab, der weder seinem Ruf noch bisherigen Schaffen gerecht wird und reichlich oberflächlich und platt daherkommt, während der Humor oft zu gewollt und inflationär erscheint, die eigentliche Story derweil kaum mit Tiefgang oder Überraschungen zu punkten weiß. Was bleibt, sind einige amüsante Situationen und kurzweilige Episoden, doch die allein machen eben noch lange keinen überzeugenden Roman.
Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Heyne Hardcore. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.
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Alte Freunde ist am 30.10.17 bei Heyne Hardcore als gebundenes Buch erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!