Review: A Ghost Story (Film)

Ihr ahnt es fast, zum Wochenende habe ich wieder etwas Besonderes und tendenziell Aktuelles im Gepäck, wobei ich mich im Vorfeld lange auf den Film gefreut habe, ohne wirklich viel darüber zu wissen, außer, von und mit wem er sein würde. Umso schöner, völlig unvorbelastet an diesen eigenwilligen wie einzigartigen Film herangehen zu können, von dem ich euch nachfolgend berichten möchte.

A Ghost Story

A Ghost Story, USA 2017, 92 Min.

A Ghost Story | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Regisseur:
David Lowery
Autor:
David Lowery

Main-Cast:
Casey Affleck (C)
Rooney Mara (M)

Genre:
Drama | Fantasy | Romantik

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus A Ghost Story | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Er – C – und sie – M – führen eine liebevolle Beziehung, auch wenn es bei den beiden zuweilen kriselt, wenn es um ihren Wunsch geht wegzuziehen, während C lieber bleiben möchte und ein diffuses Gefühl der Verbundenheit zu dem Haus spürt. Dann aber kommt C bei einem Autounfall ums Leben und völlig aufgelöst muss M ihren Mann identifizieren, der sich allerdings – vom Krankenhauspersonal unbemerkt – mitsamt ihm bedeckendem Laken von seiner Bahre erhebt und sich auf den Heimweg macht. Unfähig, Kontakt zur trauernden M aufzunehmen oder sich überhaupt bemerkbar zu machen, bleibt er als stiller Beobachter ihres Schmerzes und muss mitansehen, wie sie zunehmend in Lethargie verfällt. Zeit vergeht, M findet neues Glück und zieht schließlich aus, nicht ohne zuvor einen Zettel in der Wand des Hauses zu hinterlassen. Der Geist von C ist nicht in der Lage, ihr zu folgen und so verbleibt er in dem Haus, das alsbald neues Leben in sich beherbergt. Mehr Zeit vergeht, die Jahre kommen und gehen und C verharrt…

Rezension:

Es fällt beinahe schwer, sinnstiftend über David Lowerys Film A Ghost Story zu reden, da dieser sich in so vielen Belangen so vehement den üblichen Konventionen und Herangehensweisen sperrt, dass es mehr als sonst individuelles Empfinden sein mag, ob man dem Film etwas abgewinnen kann oder schlichtweg gelangweilt wird. So beginnt die Erzählung genauso unaufgeregt, wie kurze Zeit später Cs Ableben inszeniert wird, denn den eigentlichen Unfall sieht man nicht, der dazu führt, dass Casey Affleck fortan und für den Rest des Films – sparsam eingesetzte Rückblenden ausgenommen – unter dem weißen Bettlaken verschwindet. Dem Umstand geschuldet, dass Geister nicht sprechen können – wenn überhaupt kommunizieren sie untereinander (ein großartiger Kniff!) mittels Untertitel – ist Lowerys Film auch überwiegend dialogfrei geraten, zumal die Hinterbliebene M nicht unbedingt dazu neigt, Selbstgespräche zu führen. So kann aber auch ich mich nicht ganz davon freimachen, in der ersten halben Stunde des Öfteren ein Gähnen unterdrückt haben zu müssen, denn so überzeugend und intensiv die Darstellung auch sein mag, passiert hier im Grunde herzlich wenig, so dass auch eine in der IMDb referenzierte Szene, in der Rooney Mara als M einen ganzen Pie verdrückt, mich jetzt nicht nachhaltig beeindruckt hat.

Szenenbild aus A Ghost Story | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Damit hätte ich aber auch – für mich eher untypisch – bereits im ersten Absatz die gröbsten Mängel von A Ghost Story zusammengetragen, zumal selbst die beinahe einschläfernde Inszenierung ihre dramaturgische Bewandtnis hat, denn gemeinsam mit dem wortkargen C-Geist, der trauernden M und der nur marginal vorhandenen Sprache driftet man auch als Zuschauer immer weiter in eine gleichermaßen elegische wie melancholische Stimmung, da ganz dem Denken und Fühlen Cs folgt, der sich außerstande sieht, irgendetwas anderes zu tun als zu beobachten, wobei sich in seltenen Momenten eine archaische Wut Bahn bricht, die sich – ganz den Geisterfilm-Klischees verschrieben – tatsächlich aus dem Jenseits ins Diesseits überträgt und Schranktüren knallen und Teller zerspringen lässt, wenn C in seiner Ohnmacht zu wüten beginnt. Diese tiefe Traurigkeit – auf beiden Seiten – so erfahrbar zu machen, schafft ein Film in dem Ausmaß selten und gleichsam muss ich Regisseur und Drehbuchautor David Lowery allein für seinen ungewöhnlichen Ansatz loben sowie den Schneid, den es erfordert, einen solchen Film so kompromisslos zu inszenieren.

Ansonsten kommt es ihm sicherlich sehr zupass, dass er gleich zwei bekannte wie versierte Gesichter für sein Projekt hat gewinnen können, mit denen er schon vier Jahre zuvor bei The Saints zusammenbearbeitet hat. Fairerweise muss man natürlich sagen, dass anstelle von Casey Affleck (Auge um Auge) auch so ziemlich jeder andere Schauspieler die Rolle von C hätte stemmen können, denn seine wirkliche Leinwandpräsenz als "Mensch" beschränkt sich auf wenige Minuten und dadurch, dass er sich auch noch allerhand Zeug hat umhängen müssen, um der Kontur des klassischen Geistes zu entsprechen, ist von ihm unter dem Bettlaken wirklich gar nichts mehr zu sehen, wobei es für die Ausstrahlung der Figur tatsächlich förderlich ist, zu wissen, wer sich darunter verbirgt, ganz ähnlich wie es beispielsweise mit Michael Fassbender in Frank der Fall gewesen ist. Rooney Mara (Una und Ray) als trauernde M steht dem freilich in nichts nach und transportiert ebenfalls eine endlose Traurigkeit, wobei es A Ghost Story noch weitaus mehr hilft, dass die Chemie der beiden untereinander in den wenigen gemeinsamen Szenen so natürlich und glaubhaft daherkommt, dass man mit beiden im Bild – sie als Mensch, er als Geist – tatsächlich trotz de runterschiedlichen Daseinsebenen zuweilen ein Knistern zu spüren meint.

Szenenbild aus A Ghost Story | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Fernab der Besetzung sind es aber auch formale Aspekte, die A Ghost Story zu einem emotionalen Erlebnis machen, wenn man denn willens und fähig ist, sich auf die ungewöhnliche Geschichte einzulassen, die schon mit dem beinahe quadratisch anmutenden Vollformat beginnen, das mit seinen ausgrauenden Ecken des diffuse Gefühl von Enge, von Beklemmung noch verstärken, das Gespenst wiederum in jeder Szene außerordentlich unterstreicht, selbst wenn es nur am Rande der Szene in Erscheinung tritt, was man gut und gerne als Metapher für dessen immerwährendes Dasein und die ungebrochene Präsenz interpretieren kann. In Sachen Interpretation ist es zudem noch Lowerys Ansatz zu zeitlichen Abläufen, der mich letzthin zu begeistern wusste, auch wenn ich hier nicht viel vorwegnehmen möchte, doch wird man zumindest schnell merken, dass die Zeit sich in unterschiedlicher Geschwindigkeit voran bewegt. Hinzu kommen ein paar wirklich eindringliche Szenen, die das grundsätzlich enorm entschleunigte Geschehen kurzweilig aus seiner mäandernden Attitüde zu reißen wissen, ob es sich dabei um eine gefühlvolle Ballade handelt oder einen flammenden Monolog seitens Will Oldham, dessen Figur bezeichnend lediglich als "Prognosticator" gelistet wird und der wie nebenbei gleich eine Handvoll Thesen über die Zeit, das Universum, die Zukunft zum Besten gibt, die allesamt diesem Film zugrunde liegen und ihn nach einem wirklich sehr getragenen Einstieg vermehrt in ungewöhnliche und faszinierende Richtungen treiben, bevor das Geschehen so abrupt endet, wie es das Leben von C gleich zu Beginn des Filmes tut.

Fazit & Wertung:

David Lowery beweist mit A Ghost Story gehörigen Mut bei der Inszenierung, denn nicht nur das ungewöhnliche Bildformat und die weitestgehend dialogbefreite Handlung laufen heutigen Sehgewohnheiten zuwider, doch dafür erzählt er auch eine ergreifende Geschichte von Liebe, Trauer und Verlust, die in ihrer reduzierten und simplifizierten Art nebst bewusst namenlos bleibender Hauptfiguren beinahe als allgemeingültiges Lehrstück verstanden werden kann. Gleichsam ist die Geschichte ihrem Thema geschuldet so melancholisch und anfänglich entschleunigt geraten, dass viele die aufkeimende elegische Stimmung mit Langeweile verwechseln dürften.

8 von 10 unbeteiligten Beobachtern

A Ghost Story

  • Unbeteiligte Beobachter - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

David Lowery beweist mit A Ghost Story gehörigen Mut bei der Inszenierung, denn nicht nur das ungewöhnliche Bildformat und die weitestgehend dialogbefreite Handlung laufen heutigen Sehgewohnheiten zuwider, doch dafür erzählt er auch eine ergreifende Geschichte von Liebe, Trauer und Verlust, die in ihrer reduzierten und simplifizierten Art nebst bewusst namenlos bleibender Hauptfiguren beinahe als allgemeingültiges Lehrstück verstanden werden kann. Gleichsam ist die Geschichte ihrem Thema geschuldet so melancholisch und anfänglich entschleunigt geraten, dass viele die aufkeimende elegische Stimmung mit Langeweile verwechseln dürften.

8.0/10
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A Ghost Story ist am 12.04.18 auf DVD und Blu-ray bei Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

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vgw

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