Review: The Northman (Film)

Da bin ich auch mal wieder und möchte meine Euphorie mit euch teilen, denn ich habe endlich einen der wohl großartigsten Filme der letzten Jahre nachgeholt.

The Northman

The Northman, USA/CN/UK 2022, 137 Min.

The Northman | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Regisseur:
Robert Eggers
Autoren:
Sjón
Robert Eggers

Main-Cast:

Alexander Skarsgård (Amleth)
Nicole Kidman (Queen Gudrún)
Claes Bang (Fjölnir the Brotherless)
Anya Taylor-Joy (Olga of the Birch Forest)
Ethan Hawke (King Aurvandil War-Raven)
Björk (Seeress)
Willem Dafoe (Heimir the Fool)

Genre:
Abenteuer | Drama | Fantasy | Historie | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus The Northman | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Als Junge muss Wikinger-Spross Amleth mitansehen, wie sein eigener Vater König Aurvandil von dessen Bruder Fjölnir ermordet wird, um selbst den Thron zu besteigen und Anspruch auf Aurvandils Frau Gudrún, Amleths Mutter, zu erheben. Nur mit Mühe gelingt dem Jungen die Flucht, doch schwört er, dereinst zurückzukehren und seinen Vater zu rächen und seine Mutter zu befreien. Jahrzehnte vergehen und Amleth ist Teil einer marodierenden Wikinger-Horde geworden, die im Blutrausch ganze Ortschaften verwüstet und deren Bewohner versklavt. Eines Tages erfährt Amleth vom Verbleib Fjölnirs, der sein geraubtes Reich mittlerweile wieder verloren hat, und nimmt voll grimmiger Entschlossenheit zur Kenntnis, dass einige der neuen Sklaven zu Fjölnirs Farm nach Island verschifft werden sollen. Kurzentschlossen mischt sich Amleth unter die Gefangenen, zu denen auch die Seherin Olga gehört, und begibt sich auf seinen persönlichen Rachefeldzug…

Rezension:

Nachdem es jetzt tatsächlich bald beinahe dreieinhalb Jahre sind, seit mich Robert Eggers mit seinem vielbeachteten Spielfilm-Debüt The Witch zu faszinieren gewusst hat, habe ich es nun endlich – und vergleichsweise zeitig – geschafft, mich auch seinem neuesten Werk The Northman zu widmen und nach Genuss des nicht ganz zweieinhalbstündigen Wikinger-Epos verstehe ich nur allzu gut, weshalb sich an diesem Film die Geister scheiden. Das wird zum Einen – mal wieder – mit der Erwartungshaltung zusammenhängen und damit, dass man sich aufgrund einschlägiger Film- und Fernseherfahrungen sicherlich auch mühelos ein blutgetränktes Schlachtenepos erwarten könnte, zum Anderen damit zu tun haben, wie Eggers seine Geschichte erzählt und welcher Bildsprache er sich hierbei bedient. Recht früh kam mir hierbei der Gedanke, der Film würde eine Optik offerieren, die an den stilisiert-epischen Stil von 300 denken ließe, wenn der fürs anspruchsvollste Feuilleton gedreht worden wäre. Weit spannender ist in dem Zusammenhang aber auch die Verquickung aus "alltäglichem" Wikingerdasein und dem Übernatürlichen, das seinerzeit einfach zum (er-)Leben dazugehört hat und so ganz selbstverständlich Teil der Wahrnehmung ist, auch wenn manch unglaubliche Begegnung im Nachhinein doch noch entzaubert wird. Eggers kommuniziert das nicht gesondert, macht es aber bildlich eindrucksvoll deutlich, so dass man nicht davon sprechen könnte, hier einen Fantasyfilm vorgesetzt zu bekommen, auf entsprechende Einschübe aber dennoch nicht verzichten muss.

Szenenbild aus The Northman | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Ansonsten basiert The Northman (lose) auf der von dem dänischen Historiker Saxo Grammaticus überlieferten Sage von Amleth (oder Amlethus), die wiederum für Shakespeares Hamlet Pate gestanden hat, doch sind die Änderungen schon teils gravierend, derweil auch der Regisseur zahlreiche weitere Sagen und selbst Conan den Barbar als Einflussfaktoren für seinen Film nennt. Was er und Drehbuchautor Sjón sich aber an "Freiheiten" bei der Zusammenstellung seiner Story genommen hat, macht er durch eine inszenatorische Akkuratesse wett, die ihresgleichen sucht, denn nicht damit genug, dass er gleich mehrere historische Berater hinzugezogen hat, sind dem Vernehmen nach auch die Sets und Kostüme so nahe an dem, wie es damals gewesen sein mag, wie es nur möglich gewesen ist. Das mag man ganz selten in aller Ausführlichkeit sehen und damit würdigen können (die UHD-Fassung des Films immerhin hilft dabei!), doch merkt man dem Gesamtwerk seine ungemeine Detailverliebtheit und Akribie jederzeit an. So ist es gar nicht so sehr die klassische und durchaus eher geradlinig inszenierte Rachestory, die hier zuvorderst fasziniert, sondern die einzigartig liebe- und huldvolle Art der Inszenierung. So meint der schwedische Archäologe Professor Neil Price beispielsweise, "the Northman might be the most accurate Viking movie ever made." – und das glaube ich ihm nach diesem Film vorbehaltlos.

Und dieser unbedingte Stilwille zieht sich natürlich durch und ich möchte mir das Trainingsprogramm von Hauptdarsteller Alexander Skarsgård nicht einmal vorstellen, so anstrengend vermute ich es, derweil seine Physis hier noch beeindruckender als schon bei Legend of Tarzan erscheint. Darauf ruht er sich aber mitnichten aus und überzeugt auch darstellerisch mit einer immensen, ja geradezu urtümlichen Präsenz. Bevor es allerdings soweit ist, dass Skarsgård, der Jahre zuvor schon den Vampir gewordenen Wikinger Eric Northman in True Blood verkörpern durfte, die Szenerie betritt, darf sich noch Ethan Hawke (Moon Knight) als Amleths Vater Aurvandil die Ehre geben und gemeinsam mit Willem Dafoe (The Card Counter) den Prolog bestreiten, bevor es zum schicksalhaften Einschnitt in ihrer aller Leben kommt, der Ausgangspunkt für Amleths Racheschwur wird. Es versteht sich, dass auch die weiteren Beteiligten, von Nicole Kidman (Destroyer) bis Claes Bang (Locked Down) als Brudermörder Fjölnir überzeugen, doch nimmt auch hier wieder Anya Taylor-Joy (The Menu) eine Ausnahmeposition ein, die gesonderte Erwähnung verdient, obgleich ihre Screentime, gemessen an der Wichtigkeit ihrer Figur Olga, kurz ausfällt. Das macht die Schlüsselmomente zwischen ihr und Amleth aber nur umso gewichtiger und intensiver, ohne dass es dafür sonderliche Finesse in Sachen Inszenierung bedürfte.

Szenenbild aus The Northman | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Ganz anders verhält es sich da bei einer von wenigen, aber dafür umso schwelgerischer angelegten Schlachtenszenen, die Eggers als große, minutiös choreografierte und durchgetaktete Plansequenz inszeniert, die mit der Kamera immer nah an Protagonist Amleth bleibt und dennoch in jeder freien Ecke und Nische den Schrecken skizziert, der sich in einem von den Wikingern heimgesuchten Dorf Bahn bricht und dem sich keiner der Bewohner entziehen kann. Hier lässt der Ausnahmeregisseur inszenatorische Muskeln spielen und empfiehlt sich auch künftig für höher budgetierte Projekte, während The Northman, zuvor mit rund 60 Millionen US-Dollar veranschlagt, durch Corona-Restriktionen letztlich auf etwa 90 Millionen hochgetrieben, bisher noch die (ruhmreiche) Ausnahme darstellt. Schlussendlich ist die größte Stärke hier aber, dass sich Optik und Inszenierung, Schauspieltalent und übergeordnete Vision zu etwas vereinen, das größer ist als die Summe seiner Teile und damit ein geradezu klassisches Racheepos ergibt, das in seiner kompromisslosen und eindringlichen Art locker das Zeug zum Genre-Klassiker haben dürfte, den man sich noch in Jahren schwärmend gegenseitig empfiehlt (so man nicht zu denen gehört, die sich etwas ganz anderes erwartet haben und deshalb mit diesem Nordmann so gar nichts anzufangen weiß, was ich nicht hoffen will).

Fazit & Wertung:

Robert Eggers liefert mit The Northman wohl einen der authentischsten und gleichermaßen kompromisslosesten Wikingerfilme überhaupt ab und bedient sich der klassischen altdänischen Sage, die schon Shakespeares Hamlet inspiriert hat, um die Geschichte in einem gänzlich neuen und mythologisch überhöhten Licht erscheinen zu lassen. Inszenatorisch wie dramaturgisch ein klassisches, aber auch blutiges, grimmiges Rache-Epos vor rauer Naturkulisse voll betörender Schönheit.

9 von 10 geflüsterten Racheschwüren

The Northman

  • Geflüsterte Racheschwüre - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Robert Eggers liefert mit The Northman wohl einen der authentischsten und gleichermaßen kompromisslosesten Wikingerfilme überhaupt ab und bedient sich der klassischen altdänischen Sage, die schon Shakespeares Hamlet inspiriert hat, um die Geschichte in einem gänzlich neuen und mythologisch überhöhten Licht erscheinen zu lassen. Inszenatorisch wie dramaturgisch ein klassisches, aber auch blutiges, grimmiges Rache-Epos vor rauer Naturkulisse voll betörender Schönheit.

9.0/10
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The Northman ist am 07.07.22 auf DVD, Blu-ray und 4K UHD Blu-ray bei Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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