Review: Wilder Winter – Der erste Hap & Leonard-Roman | Joe R. Lansdale (Buch)

Hap & Leonard

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Wie bereits bei meiner Serien-Kritik der wohl finale Staffel Hap and Leonard angekündigt, gedachte ich die Gunst der Stunde zu nutzen, um mich nun baldmöglichst der Buchvorlage zu widmen, womit ich dann hiermit bereits offiziell begonnen hätte, derweil ihr ziemlich fest davon ausgehen könnt, in den nächsten Wochen und Monaten mit noch einigen Bänden – beziehungsweise deren Besprechungen – behelligt zu werden, denn natürlich bin ich spätestens jetzt mächtig angefixt.

Wilder Winter
Der erste Hap & Leonard-Roman

Savage Season, USA 1990, 204 Seiten

Wilder Winter von Joe R. Lansdale | © Golkonda Verlag
© Golkonda Verlag

Autor:
Joe R. Lansdale
Übersetzer:
Richard Betzenbichler
Katrin Mrugalla

Verlag (D):
Golkonda
ISBN:
978-3-944-72039-5

Genre:
Krimi | Thriller | Drama

 

Inhalt:

Leonard stand auf, wischte sich die großen schwarzen Hände an seiner Khakihose ab, schlenderte zu mir herüber und nahm die Flinte. Wir waren gerade dabei zu laden, als Trudy um eine Ecke des Hauses bog.

Die besten Freunde Hap – er: Kriegsdienstverweigerer, hetero, weiß – und Leonard – er: Kriegsveteran, schwul, schwarz – könnten unterschiedlicher kaum sein, sind jedoch trotz ihrer gegenseitigen Sticheleien ein Herz und eine Seele, an deren Türe das Unheil klopft, das in Gestalt von Haps Ex-Freundin Trudy daherkommt, die ihn dummerweise noch immer spielend um den Finger zu wickeln versteht. Diesmal – so verspricht sie – sei aber alles anders und sie habe einen mehr als lukrativen Job für Hap, denn im Sabine River sei ein alter Schatz versunken und dank seiner Ortskenntnisse könnte er sich als unverzichtbar erweisen für die Aktion, die von einer Handvoll angehender Revolutionäre angestoßen worden ist. Immer knapp bei Kasse, willigt Hap unter der Bedingung ein, dass Leonard ebenfalls teilnehmen kann, doch wo immer Trudy auch auftaucht, steht Ärger ins Haus und das verhält sich diesen Winter nicht anders als all die Jahre zuvor…

Rezension:

Eigentlich ist es mir selbst ein Rätsel, wie und wieso ich so lange einen Bogen um Joe R. Lansdales langlebige wie beliebte Buchreihe um die beiden Freunde Hap Collins und Leonard Pine gemacht habe, doch spätestens mit der Absetzung der gleichnamigen SundanceTV-Serie schien bei mir ein Knoten geplatzt, denn ohne Fortführung der Serie würde ich ja nie wieder Abenteuer mit den beiden erleben und das – mit Verlaub – ginge ja gar nicht an. Entsprechend habe ich mich recht zügig und kurzfristig nach deren erstem gemeinsamen Abenteuer Wilder Winter umgetan, auf dessen Handlung auch die erste Staffel Hap and Leonard basiert. Nun ist es natürlich grundsätzlich der elegantere Weg, erst das Buch zu lesen und dann die Adaption zu sichten, doch ist es dafür in dem Fall ein wenig spät, was dem Spaß an der Sache keinen Abbruch tut, denn so gelungen die Serie auch sein mag und so überzeugend speziell James Purefoy und Michael Kenneth Williams in ihren Rollen sind, gelingt es doch kaum, Lansdales pointierte wie lakonische Schreibe gänzlich auf die Leinwand zu übertragen. An dieser Stelle soll es aber natürlich vorrangig um das Buch an sich gehen, was übrigens in wertiger Klappenbroschur mit vergleichsweise eng bedruckten Seiten daherkommt, so dass die rund 200 Seiten tatsächlich mehr Lesevergnügen mit sich bringen, als man das zunächst vermuten würde.

»Du kriegst große runde Augen, glotzt treuherzig wie ein kleiner Welpe, und dann redest du nur noch über die guten alten Zeiten und laberst mich mit diesem ganzen selbstgerechten 60er-Jahre-Mist zu. Ich hab die 60er auch erlebt, Kumpel, und von den 80ern unterschieden sie sich gerade mal durch die Batik-T-Shirts.«

Vor allem gelingt Lansdale ein schnörkelloser Einstieg und es dauert keine zwei Seiten bis zu Trudys erstem Auftritt, die maßgeblich dafür verantwortlich sein wird, die Geschichte von Wilder Winter in Gang zu bringen, während sich der Autor auch im weiteren Fortgang diese Stringenz bewahrt und trotzdem die Zeit findet, Hap – aus dessen Sicht der Roman samt und sonders geschildert wird – in die Vergangenheit blicken zu lassen, um so dessen Verbindung mit Trudy zu verdeutlichen, die einerseits als klassische Femme Fatale, andererseits als Archetyp einer White-Trash-Vertreterin skizziert wird, was eine ausnehmend spannende Figur ergibt, deren Faszination sich auch dem geneigten Leser erschließt. Im Kern der Erzählung stehen aber natürlich Hap und dessen bester Freund Leonard, deren Dialoge untereinander allein schon oft zum Schießen sind und von feinsinnigem Humor mit einer ordentlichen Prise Sarkasmus künden, was sich vor allem bemerkbar macht, wenn Hap und Leonard die Bekanntschaft von Trudys Kumpanen machen, die sie in galanter Manier ein ums andere Mal auflaufen lassen, ohne sich je wirklich spöttisch zu deren Idealen und Zielen zu äußern.

So ist dieses erste Abenteuer mit Hap und Leonard aber auch eine Geschichte verpasster Chancen und verlorener Ideale, denn zumindest Hap war dereinst selbst glühender Anhänger von Love & Peace, während er nun den Revolutionären in spe nur noch ein müdes Lächeln entgegenbringt und es sich längst in seiner Mittelmäßigkeit bequem gemacht hat, was ihm wie auch Leonard des Öfteren zum Vorwurf gemacht wird. Auf alle Fälle sind beide Protagonisten vom ersten Moment an ungemein sympathisch geraten und es ist erfrischend, eben einmal nicht ausgebildete Ermittler oder Detektive in ein an den Krimi Noir angelegtes Abenteuer gezogen werden zu sehen, sondern stattdessen zwei durchschnittliche Typen, auch wenn deren Durchhaltevermögen und ihre Sturheit nicht von dieser Welt zu sein scheinen, denn was ruhig beginnt, wächst sich schnell – und dann nachhaltig – zu einer regelrechten Katastrophe aus und es erfordert gehörigen Schneid, den drohenden Gefahren irgendwie die Stirn zu bieten. Auch in diesem Punkt also bleibt Lansdale mit Wilder Winter seinem Gestus treu, denn was anfänglich wie eine unaufgeregt lakonische Erzählung aus den Südstaaten wirkt, wächst sich spätestens im letzten Drittel zu einem nervenzehrenden Thriller aus, in dem es auch reichlich brutal und kompromisslos zur Sache geht.

Einige Zeit später fing Trudy an, mich zu besuchen und jedes Mal, wenn sie mich verließ, war ich ein noch schlimmeres Wrack als beim letzten Mal. Sie versprach mir den Himmel auf Erden, dann ließ sie mich von einem Tag auf den anderen sitzen. Und immer wegen eines Mannes, der in irgendeiner Bewegung ein großes Tier war. Egal ob er Salatpflücker unterstützte oder Robben vor Baseballschlägern schützte.

Diese Unwägbarkeiten, die sich langsam hochschraubende Spannung und den damit unvermittelt einhergehenden Umschwung von Flair und Atmosphäre hat Lansdale zweifelsohne in den folgenden Jahren und Jahrzehnten noch weiter perfektioniert, doch heißt das nicht, dass dieser Ansatz hier weniger gut aufgeht, zumal es ihm auch hier schon vorbildlich gelingt, Flora und Fauna der Bottoms, dem Tiefland des Sabine River mit all seinen Sümpfen, Dickichten und Creeks so gekonnt einzufangen, dass man sich regelrecht an der Seite der beiden ungleichen Freunde wähnt, die in allen Lebenslagen unbeirrbar füreinander einstehen, was wohl eine der simpelsten, aber auch schönsten Botschaften von Wilder Winter vermitteln dürfte. Entsprechend freue ich mich darauf, demnächst auch die weiteren verfilmten Abenteuer von Hap und Leonard aus literarischer Sicht neu zu erleben und dann mit den weiteren Bänden fortzufahren, zumal auf diesem Gebiet noch längst kein Ende abzusehen ist und seitens Golkonda die deutsche Fassung des zehnten Bandes für November, seitens Mulholland Books der elfte Band für 2019 bereits angekündigt worden sind.

Fazit & Wertung:

Joe R. Lansdale liefert mit Wilder Winter einen furiosen Auftakt seiner völlig zurecht kultverdächtigen Krimi-Reihe um die beiden Hobby-Abenteurer und Freunde Hap und Leonard, die in ihrem ersten "Fall" prompt vom Regen in die Traufe und damit zwischen die Fronten geraten. Doch während sich der Thrill und die Brutalität zunehmend hochschrauben, sorgen lakonische Sprache und trockener Humor für die nötige Auflockerung. Ich persönlich fühlte mich von der ersten Seite an angefixt.

8,5 von 10 scheinbar ausweglosen Situationen

Wilder Winter - Der erste Hap & Leonard-Roman

  • Scheinbar ausweglose Situationen - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Joe R. Lansdale liefert mit Wilder Winter einen furiosen Auftakt seiner völlig zurecht kultverdächtigen Krimi-Reihe um die beiden Hobby-Abenteurer und Freunde Hap und Leonard, die in ihrem ersten "Fall" prompt vom Regen in die Traufe und damit zwischen die Fronten geraten. Doch während sich der Thrill und die Brutalität zunehmend hochschrauben, sorgen lakonische Sprache und trockener Humor für die nötige Auflockerung. Ich persönlich fühlte mich von der ersten Seite an angefixt.

8.5/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Golkonda. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Wilder Winter ist am 15.11.14 als Klappenbroschur im Golkonda Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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