Schon nähert sich langsam wieder das Wochenende und folglich wird es Zeit für die nächste Film-Kritik, zumal ich ohnehin das Gefühl habe, was ungesehene Filme angeht so etwa bis Jahresende versorgt zu sein. Aber zum Glück werde ich ja nicht müde, mich kreuz und quer durch meine Schublade ungesehener Filme zu gucken, aus der ich jüngst auch nachfolgenden Film gezogen habe.
Bone Tomahawk
Bone Tomahawk, USA/UK 2015, 122 Min.
© Constantin
S. Craig Zahler
S. Craig Zahler
Kurt Russell (Sheriff Hunt)
Patrick Wilson (Arthur)
Matthew Fox (Brooder)
Lili Simmons (Samantha)
Richard Jenkins (Chicory)
Evan Jonigkeit (Deputy Nick)
Kathryn Morris (Lorna Hunt)
Michael Paré (Mr. Wallington)
Sean Young (Mrs. Porter)
David Arquette (Purvis)
Fred Melamed (Clarence)
Horror | Abenteuer | Western
Trailer:
Inhalt:
© Constantin
Nachdem Arthurs Ehefrau Samantha – ihres Zeichens praktizierende Ärztin – eines Abends aus dem gemeinsamen Haus geholt wird, um einen Schwerverletzten zu verarzten, der von grausamen Kannibalen berichtet, scheinen ebenjene Kannibalen in der Nacht in dem verschlafenen Örtchen einzufallen und am nächsten Morgen ist nicht nur Arthurs Frau verschwunden. Kurzentschlossen verkündet der, alsbald möglich die Verfolgung aufzunehmen und sowohl Sheriff Hunt als auch dessen Mitarbeiter Chicory schließen sich bereitwillig der Rettungsaktion an. Schließlich begleitet auch Revolverheld Brooder die ungleichen Weggefährten, da er es war, der Samantha nachts zuvor um Hilfe gebeten hatte und sich folglich mitschuldig an ihrem Verschwinden fühlt. Die Konsultation eines ortskundigen Ureinwohners allerdings bringt schnell erste Ernüchterung, denn nach dessen Schilderungen kann es sich bei besagten Kannibalen eigentlich kaum noch um als Menschen zu bezeichnende Wesen handeln…
Rezension:
Auf Bone Tomahawk bin ich gänzlich zufällig gestoßen, nachdem ich erstmalig von S. Craig Zahlers Brawl in Cell Block 99 gehört hatte, den ich gerne sehen wollte, der aber noch zu neu und folglich nirgends erhältlich ist, weshalb ich so bei mir dachte, dass ich doch einfach mit Zahlers Regie-Debüt aus 2015 beginnen könnte, zumal auch dieser Horror-Western sich dem Grundsatz nach ziemlich interessant angehört hat und womöglich gar das Zeug zur Genre-Perle zu haben schien. Gesagt, getan, landete die Blu-ray in meinem Einkaufskorb und dann auch prompt im Player, zumal ich jüngst durch Hardcore wieder auf den Geschmack gekommen war, auch Filmen mit 18er-Freigabe mal wieder vermehrt Aufmerksamkeit zu schenken, gleichwohl beide Filme sonst nicht viel miteinander gemein haben, wie mir bereits im Vorfeld klar war. Nicht klar war mir hingegen, wie lange es letztlich dauern würde, bis der eigentliche Horror-Aspekt des Films zum Tragen kommen würde, denn auch wenn die Genre-Verortung absolut zutreffend ist, teilt sich der Film im Grunde in zwei große Teile, die mitnichten harmonisch ineinander übergehen, sondern einem sprunghaften Paradigmenwechsel anheimfallen, dessen Unmittelbarkeit allerdings durchaus auch ihren eigenen Reiz hat.
© Constantin
Bis dahin allerdings ist es ein längerer Weg und so beginnt Bone Tomahawk – abgesehen von seiner dem Titel vorangestellten Intro-Sequenz – wie ein typischer Western und auch vergleichsweise unaufgeregt, während sich Zahler – der gleichsam auch das Drehbuch zum Film verfasst hat – ausgiebig Zeit nimmt, erst einmal die Figuren vorzustellen, was im Fall des Ehepaares Samantha und Arthur auch durchaus sinnvoll ist, denn nachdem Samantha alsbald entführt werden wird, hilft die zumindest lose emotionale Verbindung zu der Figur, Arthurs Handeln besser nachvollziehen zu können, wenn der sich allen Widrigkeiten zum Trotz auf den Weg begibt, um seine Frau zu retten.. Interessant ist auch das Gesetzesvertreter-Duo bestehend aus Sheriff Hunt und dessen rechter Hand Chicory, den das Alter schon ein wenig schusselig hat werden lassen, womit dessen Darsteller Richard Jenkins (Killing Them Softly) zu großen Teilen allein für die durchaus vorhandenen komödiantischen Aspekte in dem Reigen verantwortlich zeichnet. Fernab kleinerer Spleens und trockener Sprüche bleibt Zahlers Film dem Genre treu und kommt mit einer gehörigen Portion Ernsthaftigkeit daher, die gerade im letzten Drittel funktioniert, wenn sich plötzlich der blanke Horror Bahn bricht und mit Schauwerten überrascht, die man selbst in einem Film ab 18 Jahren in dieser Art und Weise nicht unbedingt erwartet hätte. Dass es bei Bone Tomahawk aber zuweilen derb zur Sache gehen würde ahnt man natürlich bereits im Vorfeld, doch der Weg dorthin ist lang und steinig, was auch einige kleinere Längen mit sich bringt, wobei ich eben nicht soweit gehen würde wie mancher Rezensent, den Film als "stinklangweilig" abzukanzeln. Denn gerade die gelungenen Figuren im Wechselspiel miteinander wie auch alle Begegnungen, die ihre Reise zu einer regelrechten Odyssee machen, wussten mich durchaus gut zu unterhalten, wenn es auch an mancher Stelle wirklich etwas zielgerichteter hätte inszeniert werden können. So ist der Streifen mit seinen zwei Stunden Laufzeit tatsächlich – insbesondere für einen Horrorfilm – wenigstens eine gute Viertelstunde zu lang geraten, die man im ersten oder zweiten Drittel spielend hätte einsparen können.
Davon abgesehen entfaltet dieser Western insbesondere durch seinen B-Movie-Charme und den späteren Horror-Einschlag einen unbestreitbaren Charme, den man freilich auch dem illustren Ensemble zu verdanken hat, das angeführt wird von einem gewohnt großartigen Kurt Russell, der im selben Jahr bereits John Ruth in The Hateful 8 verkörpert hatte. Heimliche Hauptfigur aber ist hier Patrick Wilson (Stretch), der den stoischen Arthur gibt, der alles daran setzt seine Frau Samantha zu retten, die wiederum von Lili Simmons verkörpert wird, welche man als aufmüpfige Amish-Tochter aus Banshee kennen könnte. Der Natur der Sache nach ist ihre Rolle allerdings dank Entführung eher klein ausgefallen, zumal das Geschehen jederzeit auf die wackeren Cowboys fokussiert bleibt und wir als Zuschauer gänzlich im Unklaren gelassen werden, ob die Rettungsaktion von vornherein zum Scheitern verurteilt ist oder in welche Art Wespennest die vier ungleichen Gefährten stoßen werden, wenn sie das abgelegene Tal der vermeintlichen Kannibalen erreichen werden. Vier Gefährten deshalb, da auch Matthew Fox (World War Z) als reichlich von sich selbst überzeugter Revolverheld mit von der Partie ist und sichtlichen Spaß an dieser für ihn so neuartigen Rolle hat, die ihm tatsächlich auch enorm gut zu Gesicht steht.
© Constantin
Um aber noch einmal auf die Kannibalen zu sprechen zu kommen, wird hier recht früh eine klare Abgrenzung zu den Ureinwohnern Amerikas vorgenommen, womit sich auch etwaige rassistische Vorwürfe in Wohlgefallen auflösen, denn diese pervertierten, überstilisiert inszenierten Kreaturen haben abgesehen von ihrer humanoiden Form kaum Menschliches an sich und sind in ihrer Inszenierung bestens geeignet, das pure Grauen zu verbreiten, zumal allein ihre Art der Kommunikation untereinander vom Einfallsreichtum Craig S. Zahlers kündet, der hier das Genre zwar nicht neu erfindet, aber ein durchaus gelungenes Mash-Up abliefert, dass sich in seiner langsam heraufziehenden Bedrohlichkeit und der sich schlussendlich eruptiv ereignenden Gewaltausbrüche durchaus sehen lassen kann, wenn man denn auch den eher ruhigen Momenten eines "klassischen" Westerns etwas abgewinnen kann, denn ansonsten herrscht hier für rund zwei Drittel des Films gepflegter Leerlauf. Wenn zwar die Dialoge sicherlich noch etwas Feinschliff hätten vertragen können und auch nicht jedes Ereignis im Verlauf der Reise gleichermaßen überzeugt, liefert Zahler mit Bone Tomahawk ein extrem atmosphärisches, dramaturgisch durchaus gelungenes Debüt vor, das gerade durch seine Ecken und Kanten und genannten B-Movie-Charme in Kombination mit einer deutlich höherwertigeren Besetzung seinen ganz eigenen Reiz entfaltet.
Bone Tomahawk
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Grausam zugerichtete Opfer - 7/10
7/10
Fazit & Wertung:
S. Craig Zahler verknüpft in seinem Regie-Debüt Bone Tomahawk das Wesen eines klassischen Western mit einem gleichermaßen ernsten und brutalen Horrorfilm, wenn es auch seine Zeit dauert, bis schließlich und schlussendlich von einem Moment auf den anderen die sprichwörtliche Hölle losbricht. Atmosphärisch dicht und elegant gefilmt, empfiehlt sich Zahler gerade durch seine unangepasst-eigenwillige Inszenierung durchaus für weitere Werke, wenn dramaturgischer Feinschliff und eine gestraffte Laufzeit dem Film doch merklich gutgetan hätten.
Bone Tomahawk ist am 21.01.16 auf DVD und Blu-ray bei Constantin Film erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!