Review: Wie Schatten über totem Land | S. Craig Zahler (Buch)

Nachdem ich kürzlich wieder einen Film von S. Craig Zahler gesehen habe, habe ich nun also – wie angekündigt – auch wieder ein Buch von ihm gelesen und demnächst – ja, richtig – kommt dann wieder ein Film von ihm. Jetzt aber erst einmal viel Spaß bei der Lektüre der heutigen Rezension.

Wie Schatten über totem Land

Wraiths of the Broken Land, USA 2013, 400 Seiten

Wie Schatten über totem Land von S. Craig Zahler | © Luzifer Verlag
© Luzifer Verlag

Autor:
S. Craig Zahler
Übersetzerin:
Madeleine Seither

Verlag (D):
Luzifer Verlag
ISBN:
978-3-958-35277-3

Genre:
Horror | Western

 

Inhalt:

Die Hoffnung, dass man sie aus ihrem furchtbaren Unglück erretten würde, war mit jedem Monat geschrumpft, und obwohl sie noch nicht ganz verschwunden war, war sie zu einem unbedeutenden Staubpartikel geworden. Wann immer sie zum Herrn sprach, bat Yvette ihn darum, Rettung zu schicken oder sie an seine Seite zu rufen. Sie hatte viel zu lange gelitten. Vielleicht war der Hund ein von ihm entsendeter Freund, der ihr Trost spenden sollte, während ihr elendes Leben zu einem Ende kam?

Eigentlich wollte Nathaniel Stromler im kaum erschlossenen Westen des US-Territoriums von New Mexico sein Glück als Hotelier machen, doch eine Verkettung von Umständen lässt den jungen Mann und seine Verlobte alsbald vor dem drohenden Ruin stehen. Da kommt ihm das Angebot von John Lawrence Plugford und dessen zwei Söhnen Brent und Stevie gerade recht, denn für gerade einmal sieben Tage Arbeit bieten sie ihm die stolze Summe von 450 Dollar. Die Töchter beziehungsweise Geschwister Yvette und Dolores wurden nämlich verschleppt und über die Grenze nach Mexiko gebracht, wie die Plugfords bereits in Erfahrung zu bringen wussten und benötigen nun die Hilfe eines kultivierten Mannes wie Nathaniel, um in das Etablissement zu gelangen, in dem Yvette und Dolores mutmaßlich festgehalten werden. Was sich nach einem im Grunde simplen Job anhört, gerät allerdings zunehmend zum Fiasko, was mitunter daran liegt, dass der bunt zusammengewürfelte Trupp, zu dem auch noch ein Koch, ein Fährtenleser und ein Revolverheld gehören, den Entführer der Plugford-Frauen gehörig unterschätzen…

Rezension:

Mehr als zweieinhalb Jahre ist es her, dass ich das seinerzeit bei Suhrkamp erschienene Buch Die Toten der North Ganson Street von S. Craig Zahler gelesen habe und hatte seinerzeit überhaupt nicht auf dem Schirm, dass Zahler eben nicht nur Autor, sondern auch Filmemacher ist, was sich ja mittlerweile zum Glück geändert hat, wobei sich sein Stil auf der Leinwand und im geschriebenen Wort sehr ähnelt und für teils knüppelharte, regelrecht schmerzende Szenen steht, die ein ums andere Mal auszuloten scheinen, was dem Zuschauer oder hier eben Leser noch zuzumuten ist. Gleich die ersten Seiten geben in dieser Hinsicht auch hier eine klare Marschrichtung vor und so ist Wie Schatten über totem Land sicherlich nicht Zartbesaiteten zu empfehlen, sondern präsentiert sich prompt als ungemein düsterer und trostloser, ja regelrecht fatalistischer Western, auch wenn sich die schockierenden oder ekligen Momente tatsächlich im weiteren Verlauf auf wenige, dafür umso effektivere Spitzen beschränken.

Der Gentleman und angehende Hotelier aus Michigan wischte sich Staub vom Revers, gab einen Klecks Öl in seine Handflächen und strich sein dünnes Haar zurück. Er überprüfte seine Zähne auf Maisreste – zwei salzige Kolben waren alles, was er an diesem Tag gegessen hatte –, stellte verärgert fest, wie viele Falten ein einfaches Grinsen in sein Gesicht malte, und brachte seine Lippe wieder in horizontale Ambivalenz.

Dabei erinnert S. Craig Zahler Roman tatsächlich ein wenig an dessen Film Bone Tomahawk, was Setting, Aufbau und Flair betrifft, derweil die Storys sich ansonsten aber natürlich in gänzlich andere Richtungen entwickeln. Nichtsdestotrotz ist auch hier die Geschichte vergleichsweise geradlinig erzählt und was man zunächst für eine Schar Gangster und Wegelagerer hält – die Gebrüder Plugford und deren Vater, der "Patriarch" – entpuppt sich alsbald als sich sorgende Familie, die nichts anderes im Sinn haben, als ihre Geschwister – respektive Töchter – aus den Fängen eines Mexikaners zu befreien, der an unbekanntem Ort ein Bordell der besonderen Bedürfnisse betreibt, in dem die Schwestern Plugford gegen ihren Willen gelandet sind und festgehalten werden. Wer nun meint, klar verteilte Rollen und somit Feindbilder präsentiert zu bekommen, liegt insoweit richtig, doch auch wenn die Plugfords mitnichten die abgebrühten Ganoven sind, für die ich sie zunächst hielt, sind sie selbst doch kaum weniger zimperlich in ihrem Vorgehen, was gleichsam für den angeheuerten Revolverhelden gilt. Als Identifikationsfigur dient derweil Nathaniel Stromler, der eigentlich davon träumt, Hotelbesitzer zu sein und seine Verlobte zu ehelichen, nun aber aufgrund von akuter Geldnot an die Plugfords gerät, die ihn zu dem Zwecke anheuern, er möge sich als wohlhabender Gentleman ausgeben, um an die Adresse des geheimen Bordells zu gelangen.

So weit, so überschaubar, liest sich Wie Schatten über totem Land erstaunlich zügig und kurzweilig, wenn man dieser beinharten Inszenierung eines Western im Pulp-Gewand denn etwas abgewinnen kann, gleichwohl ich einige Seiten brauchte, um mich mit dem Schreibstil vertraut zu machen. Und so stringent das Ganze doch aufgezogen ist, hält S. Craig Zahler für seinen Pot durchaus einige Überraschungen parat, die meist einhergehen mit erhellenden Rückblenden, oft als Erinnerungen oder Träume getarnt, die einem einerseits den Clan der Plugfords zunehmend näherbringen, andererseits zu späterem Zeitpunkt das Geheimnis lüften, wie es die beiden unbescholtenen Frauen Yvette und Dolores überhaupt zu dem Ort verschlagen hat, der bald als die "Catacumbas" identifiziert werden kann. Nichtsdestotrotz bleibt die Geschichte überschaubar, ist unverkennbar als Reißer aufgezogen und schockiert in logischer Konsequenz ein ums andere Mal erneut mit allzu grausamen Foltermethoden und einer Rücksichtslosigkeit auf beiden Seiten, die ihresgleichen sucht, zumal oben erwähnter Revolverheld namens Long Clay im wortwörtlichen Sinne keine Gefangenen macht, aber auch Zeugen oder allein nur Widerspruch nicht zu dulden gedenkt, so dass die oft überbordende Gewalt zum großen Gleichmacher wird und die Grenzen zwischen Gut und Böse zunehmend verwischt.

John Lawrence Plugford löste den Griff um seine abgesägte Schrotflinte, nahm den Flachmann von Long Clay, drehte den Verschluss auf und steckte die Öffnung in das Dickicht, das seinen verschwundenen Mund umgab. Er trank drei große Schlucke und richtete seinen Blick kurzerhand wieder auf den grauen Morgen. Wie es im letzten halben Jahr so oft der Fall gewesen war, hatte der riesige Patriarch nichts zu sagen.

Und diesen Fatalismus, dieses Unabwendbare und Unumkehrbare ist es, was Zahler zelebriert und sich auf die Fahnen schreibt, insbesondere verdeutlicht am "Dandy" Stromler, der zunächst entsetzt und voller Schrecken ist, nicht einmal je selbst eine Waffe in die Hand nehmen wollte, sich aber in Anbetracht der zunehmend eskalierenden Situation fragen muss, was er bereit ist zu tun, um sein eigenes Überleben zu sichern, vor allem aber, ob er bereit ist, den dafür fälligen Preis zu zahlen. So ist Wie Schatten über totem Land ein zunehmend brachialer werdendes Werk, dessen im Kern verhandelte Auseinandersetzung einiges an Opfern fordern wird, wenn sich der Terror zunehmend Bahn bricht, um in einem Crescendo des Schreckens zu enden, bei dem Zahler auch literarisch die Nahaufnahmen und expliziten Details gelingen, auf die er auch in seinen Filmen bekanntermaßen nicht verzichten mag.

Fazit & Wertung:

S. Craig Zahler serviert mit Wie Schatten über totem Land mitnichten leichte Kost und schon auf den ersten Seiten wird klar, dass man es kaum mit einem handelsüblichen Western zu tun bekommt, der hier weit eher in Richtung Horror kippt, ohne sich dort wirklich verorten lassen zu können, dem im Kern handelt es sich um einen reißerisch-brachialen Abgesang auf die Abgründe der Menschlichkeit. Harter Tobak ohne Frage, aber auch einnehmend beschrieben und konstruiert.

7,5 von 10 erbarmungslosen Auseinandersetzungen

Wie Schatten über totem Land

  • Erbarmungslose Auseinandersetzungen - 7.5/10
    7.5/10

Fazit & Wertung:

S. Craig Zahler serviert mit Wie Schatten über totem Land mitnichten leichte Kost und schon auf den ersten Seiten wird klar, dass man es kaum mit einem handelsüblichen Western zu tun bekommt, der hier weit eher in Richtung Horror kippt, ohne sich dort wirklich verorten lassen zu können, dem im Kern handelt es sich um einen reißerisch-brachialen Abgesang auf die Abgründe der Menschlichkeit. Harter Tobak ohne Frage, aber auch einnehmend beschrieben und konstruiert.

7.5/10
Leser-Wertung 9/10 (1 Stimme)
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Luzifer Verlag. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Wie Schatten über totem Land ist am 15.12.17 als Taschenbuch im Luzifer Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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