Review: Mortal Engines – Jagd durchs Eis | Philip Reeve (Buch)

Passend zum morgigen Kinostart von Mortal Engines: Krieg der Städte habe ich nun die Lektüre des zweiten Bandes des zugrundeliegenden Buch-Quartetts beendet und möchte euch folglich meine Eindrücke schildern, verspreche aber ausdrücklich, in keiner Weise die Geschehnisse des Vorgängerbandes zu spoilern, um euch nicht gegebenenfalls auch den Film zu versauen.

Mortal Engines
Jagd durchs Eis

Predator’s Gold, USA 2003, 368 Seiten

Mortal Engines - Jagd durchs Eis von Philip Reeve | ©  FISCHER Tor
© FISCHER Tor

Autor:
Philip Reeve
Übersetzer:
Gesine Schröder
Nadine Püschel

Verlag (D):
FISCHER Tor
ISBN:
978-3-596-70213-8

Genre:
Steampunk | Endzeit | Abenteuer

 

Inhalt:

Als Hester jetzt in der Septembersonne auf der Terrasse der Crumple Zone saß, eines der vielen Kaffeehäuser entlang der High Street von Airhaven, ertappte sie sich bei der Hoffnung, es könnte immer so bleiben. Sie griff unter dem Tisch nach Toms Hand, lächelte ihr schiefes Lächeln, und Tom sah sie genauso liebevoll an wie damals bei ihrem ersten Kuss im schaurigen Flackern der MEDUSA.

Nach den Geschehnissen in und um London sind rund zwei Jahre vergangen und Tom und Hester bereisen mithilfe des Luftschiffes "Jenny Haniver" noch immer die Welt und verdingen sich als Händler und Abenteurer. Insbesondere dank einer in Aussicht gestellten üppigen Bezahlung müssen die beide dann auch nicht lang überlegen, als der Schriftsteller und Alternativhistoriker Nimrod Pennyroyal um einen Platz als Passagier an Bord ihres Schiffes bittet. Insbesondere Tom ist überaus angetan von den wilden Geschichten des umtriebigen Gelehrten, doch alsbald heften sich Schiffe des Grünen Sturms – einer Splittergruppe der Antitraktionistischen Liga – an ihre Fersen und kurz darauf trudelt die "Jenny Haniver" manövrierunfähig in Richtung Eisöde. Zu ihrer aller Glück werden sie von der Traktionsstadt Anchorage aufgelesen und gerettet, die sich auf dem Weg gen Norden befindet. Denn die Margrabina Freya Rasmussen plant nichts weniger, als über die Weiten des Eismeers nach Amerika überzusetzen, denn niemand Anderes als Pennyroyal selbst berichtete einst von saftigen Weiden und Jagdgründen auf dem für tot gehaltenen Kontinent, die nun die Rettung für das in Mitleidenschaft gezogene Anchorage darstellen könnten…

Rezension:

Es ist noch gar nicht so lange her, dass mich Mortal Engines – Krieg der Städte, der erste Band des Quartetts, zu begeistern wusste und entsprechend bin ich nun einerseits gespannt auf die Verfilmung mit Hera Hilmar und war andererseits gespannt auf die Fortsetzung Jagd durchs Eis und darauf, ob sie das Niveau des Erstlings zu halten wissen würde. Gleich vorweg, wem der erste Band der Reihe zugesagt hat, der sollte auch an der Fortsetzung Gefallen finden, denn Autor Philip Reeve baut wirklich gekonnt die Welt der Traktionsstädte weiter aus, ohne die Geschichte indes zu überfrachten und erzählt ein weiteres Mal eine abwechslungsreiche und überraschende Abenteuergeschichte in einem herrlich unverbrauchten Setting, die sich einerseits natürlich zu Teilen auf vorangegangene Ereignisse stützt, andererseits aber auch für sich genommen zu bestehen weiß. Seit den Geschehnissen des ersten Bandes sind derweil rund zwei Jahre vergangen und das Duo Hester und Tom hat bereits einige gemeinsame Erlebnisse hinter sich gebracht, die hier teils wenn nur am Rande erwähnt werden, doch steht ihnen zweifelsohne bereits das nächste große Abenteuer bevor, in das sie recht unvermittelt und unverschuldet hineingeraten werden.

»Seid gegrüßt, Airhavener! Ich komme aus Arkangel, Hammer der Eisöde, Geißel des hohen Nordens, Vernichter der Statik-Stadt Spitzbergen! Pures Gold bieten wir jedem, der uns den Standort einer Eisstadt verrät! Dreißig Sovereigns für jeden Hinweis, der zum Jagderfolg führt!«

Um dies zu ermöglichen, bedient sich Reeve des Alternativhistorikers Pennyroyal, der mit seiner gestelzten Attitüde und den teils absurden Geschichten sehr zur Kurzweil von Jagd durchs Eis beiträgt, derweil dem geneigten Leser freilich schnell klar ist, dass es sich um einen windigen Aufschneider und Opportunisten handelt. Fokussierten im ersten Teil die Geschehnisse derweil noch auf das traktionistische London, ist es diesmal die sagenumwobene – allerdings auch reichlich verheerte – Stadt Anchorage, die überwiegend im Zentrum der Erzählung steht. Regiert wird selbige Stadt dabei von der noch jungen und unerfahrenen Freya, die sich der Aufgabe als Margrabina, ihr Volk zu leiten und zu beherrschen, kaum gewachsen sieht und die das Konsortium der Figuren, aus deren Sicht die Geschichte vorgetragen wird, ergänzt. Damit aber nicht genug, führt Reeve hier zudem noch eine quasi parasitär ausgerichtete Gesellschaft ein, die sich des Konzepts der "verlorenen Jungen" bedient, auch wenn deren Leben hier natürlich kaum etwas mit der aus Peter Pan bekannten Bande zu tun hat, wohl aber eine interessante und gelungene Variation darstellt, die sich ganz wunderbar in das Zeitalter des Städte-Darwinismus einfügt.

Nicht zuletzt lernen wir einige der Städte besser kennen, die bereits im ersten Band Erwähnung gefunden haben und auch die Antitraktionistische Liga, im vorliegenden Fall der Grüne Sturm, bekommt hier weitaus mehr Gewicht verliehen, ohne dass die Geschichte dadurch überladen wirken würde, denn tatsächlich greifen die einzelnen Versatzstücke die meiste Zeit wunderbar ineinander, auch wenn es natürlich einiges an aberwitzigen Zufällen geben mag, die man schlichtweg hinnehmen muss, damit das Plot-Konstrukt funktioniert. So kommt Jagd durchs Eis inszenatorisch vielleicht nicht ganz an den ersten Band heran, weil hier doch hier einiges zurechtgebogen werden muss, damit bestimmte Charaktere an bestimmten Orten aufeinandertreffen können, doch dafür wirkt die Geschichte auch vielschichtiger und abwechslungsreicher, was natürlich damit zusammenhängt, dass der Autor sich nicht mehr lang mit der Exposition seines Weltenentwurfs aufhalten muss, sondern gleich in die Vollen gehen kann.

»Verzeihung, Sir«, sagte Tom viel höflicher. »Wir haben nicht so recht verstanden, was Sie von uns möchten.«
»Oh, Entschuldigung, bitte um Verzeihung«, plapperte der Fremde. »Erlauben Sie mir zu elaborieren. Pennyroyal ist mein Name, Nimrod Beauregard Pennyroyal. Ich habe soeben eine Expedition in jene gewaltigen, grauenerregenden Feuerberge gewagt und befinde mich auf dem Weg nach Hause. Ich möchte auf Ihrem stattlichen Gefährt eine Überfahrt buchen.«

Abgesehen davon allerdings, dass wir es hier erneut mit beinahe ausnahmslos jugendlichen oder zumindest noch sehr jungen Protagonisten zu tun haben, staune ich aber doch wieder über die Gangart der Geschichte, die sie gar nicht wie ein Jugendroman wirken will, wenn ich bedenke, wie brutal es streckenweise zur Sache geht, auch wenn man jetzt diesbezüglich keine ausufernden Schilderungen zu fürchten braucht. Und natürlich freue ich mich darüber, dass sich eben nicht immer alles in Wohlgefallen auflöst, denn ohne das Gefühl der stetig lauernden Gefahr würde eine in solcherlei Setting angesiedelte Geschichte kaum funktionieren und vor allem an Glaubwürdigkeit einbüßen. Ansonsten dreht sich auch dieser Band wieder voll und ganz um Hester und Tom, wobei es mir speziell Hester dieses Mal besonders angetan hat, da in Mortal Engines – Jagd durchs Eis mehr denn je ihr fragiles und durch traumatische Ereignisse erschüttertes Innenleben unter die Lupe genommen wird, was sie zuweilen an sich selbst zweifeln lässt. Es versteht sich dabei von selbst, dass die ungleiche Beziehung zwischen den beiden nicht nur dadurch auf eine harte Probe gestellt werden wird, doch gelingt es Reeve so gut, Hesters inneren Widerstreit zu inszenieren, dass es beinahe zum Kernstück der Erzählung wird und womöglich noch Nachwirkungen auf die noch ausstehenden Abenteuer haben wird. Deren Erscheinen ist zu meiner großen Freude seitens FISCHER Tor bereits für Ende Februar beziehungsweise Ende Mai des kommenden Jahres angekündigt worden, denn nach diesem durch die Lüfte und bis ins ewige Eis führenden Abenteuer bin ich mehr denn je gespannt, wie es Tom und Hester weiter ergehen wird.

Fazit & Wertung:

Der zweite Band Mortal Engines – Jagd durchs Eis erreicht nicht ganz die inszenatorische Souveränität des Erstlings, vertieft dafür aber sowohl Setting als auch Figurenensemble der von Autor Philip Reeve ersonnenen Welt der Traktionsstädte, um in ein wendungsreiches wie überraschendes Abenteuer zu führen, an dessen Ende man das Erscheinen der Folgebände kaum noch erwarten können dürfte.

8,5 von 10 vagabundierenden Traktionsstädten

Mortal Engines – Jagd durchs Eis

  • Vagabundierende Traktionsstädte - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Der zweite Band Mortal Engines – Jagd durchs Eis erreicht nicht ganz die inszenatorische Souveränität des Erstlings, vertieft dafür aber sowohl Setting als auch Figurenensemble der von Autor Philip Reeve ersonnenen Welt der Traktionsstädte, um in ein wendungsreiches wie überraschendes Abenteuer zu führen, an dessen Ende man das Erscheinen der Folgebände kaum noch erwarten können dürfte.

8.5/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von FISCHER Tor.

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Mortal Engines – Jagd durchs Eis ist am 28.11.18 bei FISCHER Tor erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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