Eben noch hatte ich das Gefühl, die Woche würde kein Ende nehmen und plötzlich ist schon wieder Bergfest (heut Mittag gewesen) und es wird Zeit für die nächste Buch-Besprechung, die diesmal allein dadurch entstanden ist, dass mich das Cover im Laden regelrecht angesprungen hat. Ich bin so leicht zu beeinflussen…
Noir
Noir, USA 2018, 416 Seiten
© Goldmann
Christopher Moore
Jörn Ingwersen
Goldmann
978-3-442-31486-7
Krimi | Komödie | Fantasy | Mystery
Inhalt:
Ich habe nicht aufgeschrien, als ich Sal’s Saloon, in dem ich arbeite, durch die Hintertür betrat und Sal im Lagerraum fand, blau wie der Tod. Flüssigkeiten sickerten aus seinen diversen Körperöffnungen und sammelten sich am Boden, neben seinem Kopf war ein kleiner Blutfleck.
Sammy, aufgrund seines schlimmen Beins, das alle Welt für eine Kriegsverletzung hält auf den Spitznamen "Two Toes" getauft, mag es zwar nicht unbedingt leicht haben im Leben, doch so richtig schlecht ergeht es ihm auch nicht als Barkeeper in Sal’s Saloon im San Francisco des Jahres 1947. Zumal sein Leben alsbald in neuem Glanz zu erstrahlen scheint, als die attraktive Stilton eines Abends in dem Etablissement erscheint und nicht nur Sammys Blicke auf sich zieht. Gleichsam bedeutet ihr Erscheinen aber auch jede Menge Ärger, in den dubiose Regierungsagenten, eine zu entsorgende Leiche, ein bisswütige Schlange und ein jähzorniger wie korrupter Polizist sein werden, ganz zu schweigen von einem Außerirdischen, der abhanden gekommen zu sein scheint. Und im Zentrum dieser aberwitzigen Verkettung von Zufällen steht der unbedarfte Sammy, der sich bald auf die Suche nach der verschwundenen Stilton machen muss, während er mit einer ganzen Handvoll anderer Probleme jonglieren lernen muss…
Rezension:
Diesmal hatte ich es mit einem wirklich beispielhaften Fall von gelungenem Marketing zu tun, denn kaum hatte ich Noir in der hiesigen Buchhandlung entdeckt, war mir klar, dass ich dieses Buch lesen muss, ohne sonst groß etwas über die Handlung zu wissen, wobei die sich nach Lektüre des Klappentextes gleichsam skurril wie vielversprechend anhörte. Dabei war mir zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht bewusst, wer dieser Christopher Moore denn sein sollte, gleichwohl mir dessen Bücher freilich schon oft aufgefallen sind – beispielsweise Die Bibel nach Biff –, um die ich jedoch tatsächlich ihrer Aufmachung wegen immer einen Bogen gemacht habe. Entsprechend kann ich dieses vergleichsweise frisch erschienene Werk nicht im Kontext der weiteren Veröffentlichungen seitens Moore beurteilen, wohl aber festhalten, dass er mich mit dieser aberwitzigen Chose mit leichtem Fantasy-Einschlag und einer gehörigen Portion Noir-Feeling gar wunderbar zu unterhalten gewusst hat.
Als er den dicken Teppich in der rotsamtenen Eleganz des Club Shanghai betrat, sah Sammy am Empfangspult Eddie Moo Shoes bei einem jüngeren Mann im Smoking stehen. Es war halb drei, und da die Band gerade Pause machte, lief eine Schallplatte von Glenn Miller. Tabakrauch und Stimmen wehten aus dem Saal des Clubs heran.
Sprachlich ist das Ganze freilich nicht unbedingt höchstes Niveau, zumal sich Moore natürlich auch gemäß seines Settings in der Zeit zurückorientiert, so dass die Frauen gern und überwiegend "Schnecke" oder "Püppi" genannt werden (wobei ihnen das hier genauso wenig in den Kram passt wie heutzutage auch), während man sich im Dialog allerlei Unflätigkeit anhören darf, was aber eben mit zu Konzept und Flair der Geschichte zählt. Die Figuren sind hierbei allesamt überspitzt und beinahe karikaturenhaft inszeniert, was mit Stilton seinen Anfang nimmt und bis hin zu den Regierungsagenten reicht, die sich in ihrer Geheimniskrämerei derweil derart verheddern, dass hier die eine Hand nicht weiß, was die andere tut und schon gar nicht warum. Lieder kommen selbige Klischee-Anzugträger (natürlich mit Sonnenbrillen!) hier ein wenig kurz und auch erst spät zum Zug, denn hier beweist Moore gehöriges Feingespür, mithilfe übertriebenster Geheimhaltungsmethoden ein ganzes (Sub-)Genre zu persiflieren. Zum Glück sind dies aber mitnichten die einzigen spleenigen Figuren, denen Protagonist Sammy im Laufe seines Abenteuers begegnet und der Autor selbst liegt goldrichtig damit, seinen Roman im Nachwort als "Blödel-Noir" zu bezeichnen, denn das trifft es schlichtweg auf den Punkt.
Aber tatsächlich hat Noir auch stilistisch und inszenatorisch einiges zu bieten, denn neben Ich-Erzähler Sammy, den man auch leicht an seiner Schwärmerei für die "Käseschnecke" Stilton erkennen kann, bedient sich die Story auch eines auktorialen Erzählers, der sich allerdings unüblicherweise direkt an das Publikum wendet und im Verlauf der Erzählung auch seine Identität offenbaren wird, wobei ich da nichts vorwegnehmen möchte. Fest steht aber auch, dass Moore sich hier einiges an aberwitzigem und absurdem Zeug hat einfallen lassen und die auf den ersten Blick kaum zusammenpassenden Versatzstücke kunstvoll miteinander vereint, wenn man bis dahin auch ein wenig Geduld beweisen muss. Für Kurzweil und Unterhaltung ist also gesorgt, wobei ich zugeben muss, dass ich mir tatsächlich mehr Witz und Humor erwartet hätte, denn bei der Lektüre gelächelt habe ich beinahe unentwegt, geschmunzelt – geschweige denn gelacht – jedoch eher selten. Aber da sind wir auch wieder beim leidigen Thema, dass gerade Komik immer auch im Auge des Betrachters liegt und da waren mir hier einfach zu viele platte Zoten und wenig waghalsige Witze, als dass es mich vom Hocker hätte reißen können.
Während Sammy sich mit seinem Gehstock einen Weg bahnte, dachte er an diese Stilton, die Käseschnecke. Die hatte was. Sie war hübsch anzusehen, war sie wirklich, wenn auch keine Granate – aber irgendwie süß, so eine Braut, die man seiner Mom vorstellen konnte, um sie dann im Gästezimmer unter aufgeregtem Wispern durchzuvögeln, während Mom sich nebenan Schnaubend bei Dad über sie ausließ, was für ein Flittchen sich wie ein stinkender Käse nannte.
Spaß hatte ich mit Noir freilich trotzdem, doch bedient Moore hier zugegebenermaßen eine sehr eigenwillige Sparte, denn nicht jeder Freund von Noir-Geschichten wird seinen Witz zu schätzen wissen und auch die zögerlich zutage tretenden Fantasy-Elemente dürften nicht jedem gefallen, denn das ohnehin schon absurde Geschehen wird dadurch freilich noch eine ganze Spur abgedrehter. Ich für meinen Teil freue mich, dergestalt an diesen Autor herangeführt worden zu sein, denn ich vielleicht viel zu lange aus den falschen Gründen vernachlässigt habe, denn auch wenn sein Witz nicht immer zu zünden wusste – die schwarzhumorigen Einschläge immerhin empfand ich samt und sonders als äußerst gelungen –, ist es doch ein ganz und gar eigenwilliger und einzigartiger Noir-Krimi, der mit wendungsreich konstruierter Geschichte und allerhand exzentrischen Charakteren zu überzeugen weiß. Derweil unterstreichen insbesondere die im Nachwort befindlichen Ausführungen zu den realen Vorbildern der einzelnen Schauplätze noch einmal, wie viel Mühe sich Moore hinsichtlich Setting, Lokalkolorit und Zeitgeist gegeben hat, um "seine" Version des San Francisco von 1947 zum Leben zu erwecken.
Noir
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Aberwitzige Zusammenhänge - 7/10
7/10
Fazit & Wertung:
Christopher Moore liefert mit Noir seine ganze eigene Variation des namensgebenden Genres ab, dass er für sich und in seinem Fall treffend als "Blödel-Noir" beschreibt, denn die Vielzahl an skurrilen und karikaturesken Figuren in Kombination mit so manch aberwitzigem bis fantastischem Element sucht wahrhaft ihresgleichen und verhilft zu einem kurzweiligen Lesevergnügen, das allerdings für meinen Geschmack auf humoristischer Ebene nicht immer voll überzeugt.
Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Goldmann. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.
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Noir ist am 15.10.18 bei Goldmann erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!