Review: Brimstone – Erlöse uns von dem Bösen (Film)

Passend zu den winterlichen Temperaturen entführe ich in heutiger Filmkritik gleichsam in eisige Weiten und hole einen gar großartigen Western nach, der allein aufgrund seiner Laufzeit unverhältnismäßig lange darauf hat warten müssen, dass ich ihn endlich in den Player lege.

Brimstone
Erlöse uns von dem Bösen

Brimstone, USA/UK/NL/FR/DE/BE/SE 2016, 148 Min.

Brimstone - Erlöse uns von dem Bösen | © Koch Media
© Koch Media

Regisseur:
Martin Koolhoven
Autor:
Martin Koolhoven

Main-Cast:
Guy Pearce (The Reverend)
Dakota Fanning (Liz)
Emilia Jones (Joanna)
Carice van Houten (Anna)
Kit Harington (Samuel)
in weiteren Rollen:
Paul Anderson (Frank)
William Houston (Eli)
Ivy George (Sam)
Bill Tangradi (Nathan)
Jack Roth (Wolf)
Jack Hollington (Matthew)
Carla Juri (Elizabeth Brundy)
Vera Vitali (Sally)

Genre:
Drama | Mystery | Thriller | Western

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Brimstone - Erlöse uns von dem Bösen | © Koch Media
© Koch Media

Ende des 19. Jahrhunderts lebt die stumme Liz ein zwar einfaches, aber auch glückliches Leben als Geburtshelferin in einer kleinen Stadt, während sie, ihr liebender Ehemann Eli und ihre zwei Kinder treu zueinanderstehen. Eines Tages aber betritt ein radikaler Priester die Kanzel in der Kirche des Ortes und Liz ist überzeugt, dass er nur ihretwegen in die Gemeinde gekommen ist, was ihr natürlich niemand glauben will. Als es aber bei einer komplizierten Geburt zu einem tragischen Todesfall kommt, zieht Liz nicht nur den Zorn des Familienvaters sondern auch des Priesters auf sich, der zu sadistischen Mitteln greift, ihr Leben zu zerstören. Liz wird klar, dass ihr früheres Leben sie unweigerlich eingeholt zu haben scheint, obwohl sie lange Jahre versucht hat, all die Schrecknisse zu vergessen, die ihr bereits in jungen Jahren widerfahren sind…

Rezension:

Lange schon bin ich um Martin Koolhovens Brimstone – Erlöse uns von dem Bösen herumgeschlichen, doch für dieses zweieinhalbstündige Schwergewicht von Western bedarf es freilich der passenden Zeit und der passenden Stimmung, weshalb die Blu-ray für meinen Geschmack schon wieder viel zu lange unbeachtet hier herumgelegen hat. Und ohne die früheren Filme von Koolhoven zu kennen, wage ich zu behaupten, dass er mit dem 2016 veröffentlichten "Dutch Western" sein bisheriges Magnum Opus abgeliefert hat, denn gleichwohl der Film dem Zuschauer einiges abverlangt und in vielen Passagen nur schwer zu ertragen sein mag, hat er nicht nur dank seiner verschachtelten Narrative, sondern dem Gesamtpaket aus Story, Stimmung und Setting einiges zu bieten. Entsprechend ergeben sich – so man denn bereit ist, sich auf diese metaphorische Höllenfahrt einzulassen – trotz der stolzen Laufzeit keinerlei Längen, während die in der Zeit vor und zurückspringenden vier Kapitel eben weit mehr sind als bloßes Gimmick oder inszenatorische Spielerei, sondern ein zwingender Bestandteil der Geschichte von Liz und dem sie allerorten heimsuchenden Prediger. Bei dem kann man derweil durchaus darüber ins Rätseln geraten, ob es sich in letzter Konsequenz nicht um einen Abgesandten der Hölle, einen Geist aus ihrer Vergangenheit handeln mag, der sie da ein ums andere Mal bedrängt und bedroht.

Szenenbild aus Brimstone - Erlöse uns von dem Bösen | © Koch Media
© Koch Media

Aber keine Sorge, auch wenn manche der Szenen in Brimstone direkt einem Horrorfilm entsprungen sein könnten, kommt Koolhovens Film gänzlich ohne übernatürliche Elemente aus, so dass es eben nur eine interpretative Lesart des Gezeigten darstellt, Liz würde im wortwörtlichen Sinne von dem bewusst namenlos bleibenden, schlicht als "The Reverend" bezeichneten Gottesdiener heimgesucht werden. Dabei verlässt sich Regisseur und Drehbuchautor Koolhoven mitnichten auf einschlägige Western-Motive, sondern erzählt eine ganz und gar anders geartete Geschichte, die sich eben nur hinsichtlich Handlungsort und -zeit mit "klassischen Western" vergleichen lässt und damit ganz in der Tradition von beispielsweise Sweetwater steht, wo mit January Jones eben auch eine Frau im Mittelpunkt der Ereignisse stand, ganz so wie es hier Liz ist, auf die sich im Grunde die gesamte Erzählung in all ihren Ebenen und Zeitabschnitten fokussiert. Dank der nicht-chronologischen Erzählweise lernen wir die von Dakota Fanning (Amerikanisches Idyll) verkörperte Liz zu einem Zeitpunkt in ihrem Leben kennen, an dem sie schon einiges hat erdulden und durchleben müssen und auch wenn man dies erst in späteren Kapiteln erfährt und erlebt, sind ihr die Mühsal und das Unstete ab dem ersten Moment ins Gesicht geschrieben, so dass Fanning in der Rolle zu jedem Moment zu brillieren vermag.

Ihr gegenüber steht derweil der von Guy Pearce (The Rover) verkörperte Gottesdiener, dessen moralischer Niedergang und sein zunehmender Fanatismus in ebenfalls chronologisch ungeordneter Form erzählt werden, derweil es Pearce tatsächlich gelingt, diesem Archetyp eines bigotten Antagonisten einige erhellende, ihn menschlicher erscheinen lassenden Facetten angedeihen zu lassen, was die von ihm ausgehende Bedrohlichkeit nur noch verstärkt und unterstreicht, so dass Fanning sich zwar nur schwer gegenüber seiner schieren Präsenz zu behaupten vermag, aber auch an dieser Aufgabe nicht scheitert. Ergänzt wird der Cat derweil unter anderem von den Game of Thrones-Veteranen Carice van Houten und Kit Harington, doch kommen deren Parts nur in einem kleinen Teil der Jahre umspannenden Geschichte vor, wohingegen der talentierten Emilia Jones (Utopia) gesondertes Lob gebührt für die Verkörperung der jüngeren Liz im zweiten sowie dritten Kapitel der Erzählung. Mögen aber schon die darstellerischen Leistungen in dieser finsteren wie grimmigen Erzählung ein Erlebnis für sich sein, geht deren Inbrunst Hand in Hand mit einer auch optisch formidablen Darbietung und Inszenierung, die der beklemmenden Geschichte von Patriarchat und Unterdrückung, christlicher Bigotterie, Sadismus, Schuld und Sühne den passenden Rahmen verleiht.

Szenenbild aus Brimstone - Erlöse uns von dem Bösen | © Koch Media
© Koch Media

So schwelgt Koolhoven in seinem Film regelrecht in farbentsättigten Spektren und offeriert eine vor Tristesse und stummer Bedrohlichkeit triefende Winterlandschaft bar jeder Hoffnung. Die Beklemmung scheint zu beinahe jedem Zeitpunkt greifbar und manifestiert sich zuweilen in teils schockierend eruptiven Gewaltausbrüchen und drastischen Szenen, wobei sich von selbst versteht, dass selbst eine dergestalt phantasmagorische Erzählung, die sich von Sadismus bis hin zur Pädophilie den tiefsten Abgründen menschlicher Abscheu nähert, es bei den schlimmsten Vorkommnissen bei Andeutungen belässt. Dennoch ist Brimstone zuweilen auf eine inszenatorisch zu lobende Art nur schwer zu ertragen und entwickelt in jedem der vier Kapitel eine beklemmende Eindringlichkeit, wie sie nur selten erreicht wird. Und auch wenn die Geschichte, würde sie geradlinig und chronologisch erzählt werden, sicherlich nur halb so fesselnd und einnehmend geraten wäre, spricht das gerade für den Kniff, dem sich der Regisseur und Drehbuchautor hier bedient, zumal er bis zuletzt auffallend konsequenz- und kompromisslos bleibt, was seine erschütternde wie tragische Erzählung angeht, die gleichermaßen als Anklage des Patriarchats wie auch religiösen Fanatismus verstanden werden darf und deren dramaturgische Strahlkraft in krassem Gegensatz zu ihrer optischen Darbietung steht.

Fazit & Wertung:

Martin Koolhoven geht mit seinem von ihm selbst als "Dutch Western" betitelten Brimstone – Erlöse uns von dem Bösen weit über die Konventionen und Themen eines typischen Western hinaus und inszeniert eine von Düsternis und grimmiger Entschlossenheit geprägte Erzählung in vier Akten, die vorrangig von den darstellerischen Ausnahmeleistungen seitens Dakota Fanning und Guy Pearce getragen wird, aber auch atmosphärisch über jeden Zweifel erhaben ist.

9 von 10 Heimsuchungen der Vergangenheit

Brimstone – Erlöse uns von dem Bösen

  • Heimsuchungen der Vergangenheit - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Martin Koolhoven geht mit seinem von ihm selbst als "Dutch Western" betitelten Brimstone – Erlöse uns von dem Bösen weit über die Konventionen und Themen eines typischen Western hinaus und inszeniert eine von Düsternis und grimmiger Entschlossenheit geprägte Erzählung in vier Akten, die vorrangig von den darstellerischen Ausnahmeleistungen seitens Dakota Fanning und Guy Pearce getragen wird, aber auch atmosphärisch über jeden Zweifel erhaben ist.

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Brimstone – Erlöse uns von dem Bösen ist am 07.06.18 auf DVD und Blu-ray bei Koch Media erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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