Review: Lucifer 1 (Graphic Novel)

Reden wir heute mal thematisch über was ganz anderes, denn voller Neugierde habe ich mich an eine der Heftserien begeben, die unter einendem Label das Erbe von Neil Gaimans Kultsaga weiterführen und sich hier nun einer mittlerweile auch aus Film und Fernsehen bekannten Figur widmen, deren letzte Heftreihe mich ja leider irgendwo mittendrin verloren hat.

Sandman Universe

Lucifer 1

Lucifer, #1-6, USA 2018/2019, 148 Seiten

Lucifer 1 | © Panini
© Panini

Autor:
Dan Watters
Zeichner:
Max Fiumara
Sebastián Fiumara

Verlag (D):
Panini Verlag
ISBN:
978-3-741-61529-0

Genre:
Fantasy | Drama | Mystery

 

Inhalt:

Ausschnitt aus Lucifer 1 | © Panini
© Panini

Lucifer, einst Herr der Hölle, hat es an einen merkwürdigen Ort verschlagen und nur in seinen lichten Momenten erinnert er sich überhaupt daran, wer er ist und welche Macht ihm früher zuteil ward. Derweil schlägt sich in der irdischen Gegenwart Detective John Decker mit dem Schicksal, seine geliebte Frau Penelope an einen Hirntumor zu verlieren, der sie schon längere Zeit Realität und Wahn kaum noch auseinander zu halten hindert. Und in ihren letzten Momenten erzählt sie John vom Gravely House, wo ihn Geheimnisse und Gefahren erwarten, die auch mit dem Schicksal Lucifers in Zusammenhang stehen, dessen eigenes Wirken in der Vergangenheit ihn in die missliche Lage gebracht hat, in der er sich nunmehr befindet. Den Herrn der Hölle allerdings hält nichts und niemand lange in Gefangenschaft und mit der sich regenden Erinnerung wächst auch der Wille zu entkommen zusehends…

Rezension:

Zunächst sei einmal vorausgeschickt, dass all jene, welche Lucifer bislang einzig und allein aus der – nur grob nach Motiven der von Neil Gaiman ersonnenen Figur gestalteten – TV-Serie Lucifer kennen, mit diesem Band doch eher wenig anfangen dürften, auch wenn das im Grunde für jede der Comic-Serien um seine Figur gilt. Hier trifft es aber mehr denn je zu, denn von charmantem Lebemann, geschweige denn unterhaltsamen Mordermittlungen wird man hier nichts entdecken, darf sich dafür aber auf eine herrlich mysteriöse, zuweilen regelrecht assoziativ verschachtelte Erzählung freuen, die erst spät offenbart, wie eigentlich alles zusammenhängt und was vor sich geht. Zunächst ist Lucifer also hochgradig verwirrend und gerade anfangs fragte ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, doch zumindest den das Sandman Universe vorstellenden Sonderband gelesen zu haben, statt mich direkt auf die erste von vier Heftserien zu stürzen. Jetzt kommt bei mir noch erschwerend hinzu, dass es mir bislang nicht vergönnt worden ist, der vielgepriesenen Sandman-Reihe, die Neil Gaimans Kultstatus unter den Fantasy-Autoren begründet hat, meine Aufmerksamkeit zu widmen, doch kann ich nach Lektüre des Bandes sagen, dass dies auch mitnichten vonnöten ist, um der Geschichte folgen zu können, auch wenn man anfänglich das Gefühl haben mag.

Ausschnitt aus Lucifer 1 | © Panini
© Panini

Das hängt aber weit eher damit zusammen, dass Autor Dan Watters vom ersten Moment an ein großes Mysterium zu skizzieren gedenkt und Figuren, Motive und Handlungen in die Waagschale wirft, die anfänglich kaum miteinander vereinbar sind und auch nicht erkennen lassen, auf welcher Zeitachse sie sich befinden, ob und wie sie sich untereinander bedingen oder was eigentlich genau vor sich geht. Das beginnt mit einem bärtigen, verzweifelten, von den Umstehenden nur belächelten Lucifer, dessen Ausrufe, er sei einst Herrscher der Hölle gewesen, nur mildes Lächeln hervorrufen, derweil wir zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort einem deutlich vitaleren und garstigeren Lucifer begegnen. Indes erzählt Lucifer aber auch die Geschichte von Detective John Decker, dessen Frau an einem Hirntumor erkrankt im Sterben liegt und der in seine ganz persönliche Hölle auf Erden geraten ist. Darüber hinaus hat es freilich noch einiges mehr an Gestalten und Figuren, auch wenn ich hier nicht sagen könnte, ob man sie aus der ursprünglichen Reihe bereits kennt oder ob sie neu hinzugekommen sind, abgesehen vielleicht von Dämonin Mazikeen, die man ebenfalls – dem Namen nach – aus der TV-Serie kennen könnte, die hier aber in ihrer ursprünglicheren Form in Erscheinung tritt.

Das macht aber insoweit auch nichts, da Herkunft, Bedeutung und Motivation einer jeden wichtigen Figur im Verlauf dieser ersten sechs Hefte umfassenden Sammlung aufgeklärt wird, auch wenn die damit einhergehenden Rückblenden und Erinnerungen die Lektüre von Lucifer 1 noch fordernder machen, weil sie dem Geschehen noch zusätzliche (Zeit-)Ebenen angedeihen lassen. So groß aber anfänglich auch die Verwirrung sein mag, so groß wird später auch die Faszination, wenn sich alles langsam zu einem großen Ganzen zu fügen beginnt und man dahinter steigt, was passiert sein mag und wer nun eigentlich die Fäden zieht. Entsprechend eigenwillig mag das Ganze wirken, wenn man sich entweder eine klassische Heldengeschichte oder – noch abwegiger – eine ähnliche Art Aufmachung wie das Crime-Procedural aus dem Fernsehen erhofft, denn Watters gedenkt weit anspruchsvollere Wege zu gehen und ist um kryptische Andeutungen und verwirrende Szenensprünge nicht verlegen, die allerdings nicht Mittel zum Zweck sind, sondern ganz in der verwobenen Geschichte gründen, die sich zuletzt dann auch beinahe vollständig erschließt und gleichsam mit einem Cliffhanger entlässt, der mich drängt, auch prompt zum Nachfolgeband zu greifen, auch wenn der sich neue erzählerische Spitzfindigkeiten wird suchen müssen.

Ausschnitt aus Lucifer 1 | © Panini
© Panini

Obwohl der zweite Band aber längst erhältlich ist und schon bereit liegt, werde ich mich nach Lucifer 1 aber wohl zunächst einer der anderen Serien aus dem Sandman Universe widmen, denn dieser Abstecher in höllische Gefilde ist nicht nur dramaturgisch, sondern auch optisch enorm vielversprechend und Lust auf mehr machend gewesen, was im Falle der Visualisierung an den Geschwistern Max und Sebastián Fiumara liegt. Deren grober, oft skizzenhafter, gleichsam künstlerisch anspruchsvoller und nicht selten faszinierender Stil passt perfekt zu der Art der Erzählung und gibt sich – von wenigen Panels abgesehen – ungemein sphärisch wie auch abgründig, womit der Geschichte ihre ganz eigene, unnachahmliche Note zuteilwird. Auch wenn der Einstieg also schwerfallen mag und tatsächlich für Neulinge wie auch Kenner gleichermaßen verwirrend und konfus sein dürfte, lohnt sich die Mühe hier vollends und ich kann nur jedem raten, sich einmal unvoreingenommen diesem Band zu nähern und die opulente literarische wie visuelle Qualität dieser einzigartigen Mär zu genießen.

Fazit & Wertung:

Dan Watters entwirft in Lucifer 1 eine gleichermaßen ambitionierte wie anspruchsvolle Form der Erzählung, die von Neil Gaiman erdachte Figur in einem neuen und unerwarteten Licht erscheinen zu lassen. Mag die bravourös von den Fiumara-Geschwistern bebilderte Geschichte zunächst verwirrend und ziellos wirken, lohnt es sich, am Ball zu bleiben, wenn in der zweiten Hälfte die vielen Fäden und Handlungsstränge zusammenzulaufen beginnen.

8,5 von 10 Spitzfindigkeiten des Herrn der Hölle

Lucifer 1

  • Spitzfindigkeiten des Herrn der Hölle - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Dan Watters entwirft in Lucifer 1 eine gleichermaßen ambitionierte wie anspruchsvolle Form der Erzählung, die von Neil Gaiman erdachte Figur in einem neuen und unerwarteten Licht erscheinen zu lassen. Mag die bravourös von den Fiumara-Geschwistern bebilderte Geschichte zunächst verwirrend und ziellos wirken, lohnt es sich, am Ball zu bleiben, wenn in der zweiten Hälfte die vielen Fäden und Handlungsstränge zusammenzulaufen beginnen.

8.5/10
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Lucifer 1 ist am 23.07.19 im Panini Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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