Review: Emily in Paris | Staffel 1 (Serie)

Reden für heute mal über eine Serienstaffel, die sich vor Spott und Häme kaum retten kann. Verdient durchaus, doch unterhaltsam und charmant ist das Ganze kurioserweise doch irgendwie.

Emily in Paris
Staffel 1

Emily in Paris, USA 2020-, ca. 28 Min. je Folge

Emily in Paris | © Netflix
© Netflix

Serienschöpfer:
Darren Star
Ausführende Produzenten:
Andrew Fleming
Tony Hernandez
Lilly Burns
Darren Star

Main-Cast:
Lily Collins (Emily Cooper)
Philippine Leroy-Beaulieu (Sylvie Grateau)
Ashley Park (Mindy Chen)
Lucas Bravo (Gabriel)
Samuel Arnold (Julien)
Bruno Gouery (Luc)
Camille Razat (Camille)
in weiteren Rollen:
Kate Walsh (Madeline)
William Abadie (Antoine Lambert)
Jean-Christophe Bouvet (Pierre Cadault)
Charles Martins (Mathieu Cadault)
Arnaud Viard (Paul Brossard)

Genre:
Komödie | Drama | Romantik

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Emily in Paris | © Netflix
© Netflix

Unvermittelt ergattert die in Chicago lebende und arbeitende Marketing-Verantwortliche Emily ihren absoluten Traumjob, als ihre Chefin schwanger wird und stattdessen nun Emily nach Paris abkommandiert wird, wo sie dem französischen Tochterunternehmen in Sachen Social-Media auf die Beine helfen soll. Die versnobten Franzosen allerdings können mit der forschen Emily zunächst wenig anfangen und der Umstand, dass sie quasi kein einziges Wort Französisch zustande bringt, gleichzeitig aber die Kommunikation des Unternehmens übernehmen soll, stößt ihnen freilich sauer auf. Davon allerdings lässt sich die selbstbewusste, von ihrem Talent überzeugte Emily mitnichten einschüchtern, auch wenn ihre ersten Aufträge schnell zutage fördern, dass nicht nur die Sprachbarriere einige Male sie einige Male scheitern lassen wird, denn von den kulturellen Gepflogenheiten und Umgangsformen hat die Amerikanerin ebenfalls keine Ahnung. Immerhin hat sie in Gabriel schnell einen charmanten Nachbarn und Freund gefunden, der zuweilen auch als Dolmetscher einspringen darf…

Rezension:

Was in der Literatur gilt, kann man sicherlich auch mal auf Serien anwenden: es darf auch einmal leichte Lektüre sein. Und so habe ich mich jüngst nun auch der ersten, von vielen verschmähten, von noch mehr verrissenen Staffel Emily in Paris gewidmet, einem Weltenentwurf, wie er 2020 nicht ferner wirken könnte und wahrscheinlich gerade deshalb funktioniert. Anders als die jüngst von mir hochgelobte Netflix-Produktion Das Damengambit allerdings handelt es sich hier gar nicht mal um eine Eigenkreation des Streaming-Giganten, sondern – wie der Vorspann verrät – um etwas, das für MTV produziert worden ist. Das passt, denn es ist und bleibt oberflächlich, banal, albern und verleitet des Weiteren gern zum Fremdschämen. Umso unglaublicher, dass man dran bleibt, aber gerade dieses Triviale, Leichtfüßige ist es auch, dass die Serie fernab ihrer zahlreichen und offenkundigen Schwächen sehenswert macht, natürlich nur in dem Maße, wie es ein solches Retortenprodukt überhaupt nur schaffen kann. Prestigeträchtig wird damit geworben, dass auch Sex-and-the-City-Schöpfer Darren Star mit an Bord gewesen ist, doch Parallelen zu der hochgelobten und kultigen HBO-Serie finden sich ebenfalls nur an der Oberfläche, wenn man den Hochglanz-Look, die Couture, die ausnahmslos attraktiven Menschen und natürlich das durchstilisierte Paris betrachtet, dass hier wie dem feuchten Traum eines Amerikaners entsprungen in Szene gesetzt wird.

Szenenbild aus Emily in Paris | © Netflix
© Netflix

Natürlich sind alle Männer Chauvinisten, alle Frauen lassen sich bereitwillig zum Sexobjekt machen, kokettieren mit ihren Reizen, jeder mit jedem und Fremdgehen ist mitnichten ein Tabu-Thema, während in einer Tour geraucht und gelästert wird, denn selbstredend ist auch jeder Franzose hochnäsig, versnobt und arrogant. Die Amerikanerin hingegen – immerhin – zeichnet sich ebenfalls durch ihren Unwillen aus, die Landessprache zu erlernen, tapst in jedes noch so kleine kulturelle Fettnäpfchen, verwechselt Wörter, macht sich lächerlich, hält sich aber selbstredend für ungemein kompetent und mit allen Wassern gewaschen. Das alles kann man kritisieren, auch völlig zu Recht, doch gehört dieses Klischeehafte hier eben zum Konzept der Show, zumal man immerhin darum weiß, dass es besser ist, in beide Richtungen zu feuern, anstatt nur die Franzosen zu verunglimpfen. So wirkt Emily in Paris die meiste Zeit ungemein abgedroschen und schämt sich auch nicht, jeden noch so klischeehaften Story-Brocken ebenfalls mitzunehmen. Ein Beispiel gefällig? Emily geht beim Duschen das Wasser aus und in ihrer Unfähigkeit, sich auch auf Französisch zu artikulieren, schreit sie alsbald – natürlich nur leidlich bekleidet – die Haushälterin an, als ihr – freilich attraktiver, charmanter – Nachbar Gabriel (Lucas Bravo) ums Eck kommt, der zufällig genau unter ihr wohnt.

Und keine Sorge, natürlich wird sie mit ihm anbändeln, nachdem sie in einem Nebensatz die Beziehung zu ihrem in den USA verbliebenen Freund gekappt hat, wobei Emily sich ohnehin mit einem ganzen Haufen Verehrern herumschlagen muss, denn wir wissen ja, dass die Franzosen einen alle, anscheinend ausnahmslos, ins Bett kriegen wollen. So viel Mut muss man erst einmal haben, all das – und gerade heutzutage – genau so abzuliefern, doch tatsächlich ist das manchmal sogar irgendwie charmant, charmant naiv könnte man sagen. Wie gesagt, Fremdscham spielt durchaus auch eine Rolle und straßenweite Stromausfälle hervorrufendes Sexspielzeug lockt mich jetzt humoristisch nicht unbedingt hinter dem Ofen hervor, aber es gibt eben auch Gags die sitzen und allgemein macht der "Culture-Clash" in dieser übertriebenen Form – man könnte es fast schon satirisch nennen – auch irgendwie Spaß. Vor allem aber dürfte das Ganze so gut funktionieren, weil es eben in Zeiten einer Pandemie zur exakt richtigen Zeit daherkommt und von einer Welt kündet, die nicht weit entfernt ist, gefühlt aber Dekaden zurückliegt. Hier lungert alles und jedes tatgtäglich in pittoresken Straßen-Cafés herum, man gönnt sich vormittags den ersten Wein, bevor es dann gegen Mittag das erste Mal ins Büro geht und auch wenn man in einem charmant angeranzten Altbau sein Dasein fristet, hat man natürlich Geld für Mode en masse.

Szenenbild aus Emily in Paris | © Netflix
© Netflix

Selbst beim Aufbau der Folgen bleibt man überwiegend geradlinig und nachdem Emily ihre neueste Mode – von den Franzosen natürlich naserümpfend abschätzig zur Kenntnis genommen – vorgeführt hat, gibt es meist einen Auftrag ihrer Chefin Sylvie (Philippine Leroy-Beaulieu), den Emily dann zunächst in den Sand setzt, um natürlich am Ende alles mit ihrer amerikanischen Dreistigkeit zu richten. Selbst dramaturgisch geht man also den Weg des geringsten Widerstandes und bietet objektiv noch einiges mehr an Angriffsfläche, um Emily in Paris nach allen Regeln der Kunst abzustrafen und zu verurteilen. Und dennoch, kurzweilig ist das schon, zumal dieses angenehm Erwartbare dieser Klischee-Aneinanderreihung eben auch etwas wahnsinnig Beruhigendes und Heimeliges an sich hat, das von der sympathischen Lily Collins (Love, Rosie), die sich für die Darstellung der verhuschten Emily nun sicherlich kein Bein hat ausreißen müssen, in ausreichendem Maß getragen wird. Muss es auch, denn alle weiteren Charaktere bleiben dermaßen schablonenhaft und karikaturesk, dass man sich schon wundern darf, was wohl auch einer der Gründe sein dürfte, dass ein Vergleich mit SATC vom ersten Moment an zum Scheitern verurteilt ist, denn anstelle von gleich vier Identifikationsfiguren, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten, bekommt man hier eine hoffnungsfrohe aber naive Emily, die immer ein wenig in ihrer eigenen Welt zu leben scheint und wie nebenbei noch zur Instagram-Influencerin avanciert, während sie die meiste Zeit nicht einmal versteht, was die Leute um sie herum von sich geben. Kultpotential sieht freilich anders auch, doch kann ich auf einer gewissen Ebene durchaus verstehen, weshalb die Serie so überraschend gut ankommt. Denn analog zum la petite mort, dem kleinen Tod, also Orgasmus, über den hier selbstredend reichlich schwadroniert wird, ist diese Serie nun eben la petite évasion, die kleine Flucht – vor dem Alltag, den Sorgen, der Angst, der Unsicherheit. Kein Wunder, dass prompt eine zweite Staffel in Auftrag gegeben worden ist.

Fazit & Wertung:

Nach objektiven Kriterien ist die erste Staffel Emily in Paris auf so vielen Ebenen schlecht, naiv, klischeebehaftet und uninspiriert, dass es schon nicht mehr schön ist. Das naiv-unbekümmerte der namensgebenden Hauptfigur allerdings findet sich auch in dieser regelrecht surreal anmutenden Show, in der sich stets alles zum Guten wendet. Hier liegt das Glück noch auf der Straße, wo man seine Zeit in Cafés bei Wein und Zigarette verbringt und keine größeren Sorgen zu kennen scheint, als es vor der Mittagszeit ins Büro zu schaffen. Das hat zwar mit der Realität nichts zu tun, bietet aber eine charmant-lebensfremde Auszeit vom wahren Leben.

6 von 10 Klischees der französischen Lebensart

Emily in Paris | Staffel 1

  • Klischees der französischen Lebensart - 6/10
    6/10

Fazit & Wertung:

Nach objektiven Kriterien ist die erste Staffel Emily in Paris auf so vielen Ebenen schlecht, naiv, klischeebehaftet und uninspiriert, dass es schon nicht mehr schön ist. Das naiv-unbekümmerte der namensgebenden Hauptfigur allerdings findet sich auch in dieser regelrecht surreal anmutenden Show, in der sich stets alles zum Guten wendet. Hier liegt das Glück noch auf der Straße, wo man seine Zeit in Cafés bei Wein und Zigarette verbringt und keine größeren Sorgen zu kennen scheint, als es vor der Mittagszeit ins Büro zu schaffen. Das hat zwar mit der Realität nichts zu tun, bietet aber eine charmant-lebensfremde Auszeit vom wahren Leben.

6.0/10
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Episodenübersicht: Staffel 1

01. Emily in Paris (6/10)
02. Masculin Féminin (6/10)
03. Sexy or Sexist (5,5/10)
04. Ein Kuss ist nur ein Kuss (5,5/10)
05. Faux Amis (6/10)
06. Ringarde (6/10)
07. Französisches Filmende (5/10)
08. Familienangelegenheit (5,5/10)
09. Eine amerikanische Auktion in Paris (6/10)
10. Stornierte Couture (6/10)

 
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Emily in Paris | Staffel 1 ist seit dem 02.10.2020 exklusiv bei Netflix verfügbar.

vgw

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