Review: Marriage Story (Film)

Heute dann noch ein spätes Highlight dieses Jahr, das ich glücklicherweise noch kurz vor knapp auf Termin habe setzen können, wobei ja immerhin am Dienstag noch ein letzter Beitrag zum Thema Film folgen wird, bevor das Jahr 2020 beginnt.

Marriage Story

Marriage Story, USA/UK 2019, 136 Min.

Marriage Story | © Netflix
© Netflix

Regisseur:
Noah Baumbach
Autor:
Noah Baumbach

Main-Cast:
Scarlett Johansson (Nicole)
Adam Driver (Charlie)
in weiteren Rollen:
Laura Dern (Nora Fanshaw)
Alan Alda (Bert Spitz)
Ray Liotta (Jay Marotta)
Julie Hagerty (Sandra)
Merritt Wever (Cassie)

Genre:
Drama | Romantik | Komödie

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Marriage Story | © Netflix
© Netflix

Zehn Jahre waren Charlie und Nicole das Traumpaar schlechthin und wurden auch in ihrem Umfeld stets als untrennbare Einheit wahrgenommen, doch so stark die Gefühle einst füreinander gewesen sein mögen, so stark ist jetzt auch die wechselseitige Aversion und Frustration, die sich bei den beiden breitgemacht hat. Nichtsdestotrotz sind beide gewillt, die Ehe zu einem sauberen und einvernehmlichen Abschluss zu bringen und während sich Charlie seiner Arbeit als Regisseur am Theater in New York widmet, zieht Nicole zunächst mit dem gemeinsamen Sohn Henry nach Los Angeles, wo sie die Rolle in einem Serienpiloten bekommen hat. Angekommen in Los Angeles, rät man Nicole gleichwohl, eine Anwältin hinzuziehen und obwohl sie sich ursprünglich geeinigt hatten, das Ganze ohne juristischen Beistand abzuwickeln, lässt sie sich letztlich überzeugen. Charlie staunt bei seinem Besuch nicht schlecht und fühlt sich hintergangen, doch wohl oder übel wird auch er sich nun um anwaltlichen Beistand bemühen müssen, denn Nicoles Anwältin ist gewillt, mit harten Bandagen zu kämpfen. Insbesondere die Frage, ob Sohn Henry nicht womöglich dauerhaft in Los Angeles bleiben sollte, führt dazu, dass die Fronten sich zunehmend verhärten…

Rezension:

Vor Jahresende haut Netflix tatsächlich noch einmal einiges an Highlights und lang erwarteten Perlen raus, auch wenn ich mich bekanntermaßen an der Diskussion, ob solche Filme nicht weit eher zunächst eine Kinoauswertung verdient hätten, gar nicht beteiligen mag, doch Fakt ist, dass nach The Irishman nun eben kurz vor Jahresende auch Marriage Story beim Streaming-Dienst aufgeschlagen ist. Der stammt, sowohl was Regie als auch Drehbuch anbelangt, von Noah Baumbach, aus dessen Œuvre ich tatsächlich bislang nur den doch eher durchschnittlichen Gefühlt Mitte Zwanzig (ebenfalls mit Adam Driver) kenne, doch dessen ungeachtet würde ich nach Sichtung des Dramas gar so weit gehen, von seinem bisherigen Magnum Opus zu sprechen, weil ich mir schlichtweg nicht vorstellen kann, das ihm bereits ein derart großer, feingeistiger und bis ins Detail überzeugender Wurf gelungen sein kann, wie er ihn hier kredenzt. Sicherlich mag der Film dramaturgisch zwar auch nicht im wortwörtlichen Sinne perfekt geworden sein und verzettelt sich innerhalb seiner stolzen Laufzeit von 136 Minuten doch ein wenig, was den stringenten Fortgang des zunehmend garstiger und verletzender werdenden Scheidungskrieges anbelangt, doch emotional vermag er einen so dermaßen abzuholen, dass man darüber locker hinwegsehen kann.

Szenenbild aus Marriage Story | © Netflix
© Netflix

Gerade aber ein dergestalt auf seine zwei Protagonisten fokussierendes Drama steht und fällt aber natürlich zuvorderst mit seiner Besetzung und wer in Adam Driver nur noch den Kylo Ren aus Star Wars sowie in Scarlett Johansson nur noch Black Widow aus den Marvel-Filmen zu erkennen meint, darf sich hier umfassend eines Besseren belehren lassen, ganz davon abgesehen, dass beide auch schon in der Vergangenheit in so manchem Drama zu überzeugen wussten. Um aber erst einmal eine gemeinsame Grundlage zu schaffen, lässt Baumbach in Marriage Story die beiden Ehepartner zunächst aus dem Off über die Vorzüge, Spleens und Liebenswürdigkeiten des jeweils anderen referieren, nur um dann zu offenbaren, dass dies Hausaufgabe eines Mediators gewesen und die Liebe längst am Ende ist. Nichtsdestotrotz fühlen sich Charlie und Nicole durch den gemeinsamen Sohn Henry (Azhy Robertson, Juliet, Naked) verbunden und ihm gegenüber verpflichtet, weshalb sie bei aller Gefühlskälte und Frustration eine saubere, pragmatische und für beide Seiten zufriedenstellende Trennung ohne Anwälte (!) anstreben.

Dass es dabei nicht bleibt, braucht wohl nicht gesondert erwähnt werden und zunächst ohne bösen Hintergedanken gerät Nicole an die findige Scheidungsanwältin Nora Fanshaw, in deren Rolle Laura Dern (99 Homes) ab der ersten Minute zu brillieren versteht, was ihr jüngst dann auch eine verdiente Golden-Globe-Nominierung als beste Nebendarstellerin eingebracht hat. Und diese Anwältin mag zwar findig sein, Worte und Taten in ihrer Bedeutung zu verdrehen, setzt sich aber unverkennbar ganz für das Wohl ihrer Klientin ein, ohne als einhellig böse charakterisiert zu werden. Ähnlich ergeht es auf der Gegenseite Charlie, der sich von der Tatsache, dass Nicole entgegen ihrer Absprachen nun doch eine Anwältin eingeschaltet hat, zunächst völlig überrumpelt sieht – allein die Überreichung der Scheidungspapiere gerät zu einem der tragikomischen Glanzmomente von Marriage Story – und der alsbald an den nicht minder skrupellosen Anwalt Jay Marotta (Ray Liotta, The Place Beyond the Pines) gerät, von dem ich gerne noch mehr gesehen hätte. Dessen Rolle ist nämlich leider vergleichsweise klein und kompakt angelegt, was aber auch damit zusammenhängt, dass Charlie zunächst von dessen resolutem Auftreten eingeschüchtert ist und sich zeitweilig von dem deutlich gutmütigeren Bert Spitz (Alan Alda) vertreten lässt.

Szenenbild aus Marriage Story | © Netflix
© Netflix

Dabei gerät Marriage Story aber zu keiner Zeit zum Gerichts- oder Anwalts-Drama und beide Parteien, Fanshaw wie auch Marotta sind letztlich nur Symptome eines auf ultimative Trennung ausgerichteten Systems, dass merklich dem Ansatz der verbrannten Erde folgt, obwohl es doch eigentlich Ziel sein sollte, eine gemeinsam gütliche Lösung auszuhandeln und für ein Begegnen auf Augenhöhe sorgen soll, sich aber in den gegenseitigen Be- und Anschuldigungen zunehmend hoch schaukelt und dabei ganz bewusst über das Ziel hinausschießt, wie Baumbach an mehr als nur einer Stelle gekonnt im Handlungsverlauf herausarbeitet. Die eigentlichen Höhepunkte und damit auch Kernaspekte des Films aber liegen darin, auf beiden Seiten den Umgang mit der geänderten Lebensrealität zu skizzieren, auch wenn die Gewichtung manchmal zugunsten von Charlie zu kippen droht. Egal aber, ob allein oder zu zweit vor der Kamera, beeindrucken Johansson und Driver gleichermaßen mit ungemein dichten, intimen und eindringlichen Monologen und Dialogen, die sich teils ohne erkennbaren Schnitt über gefühlte Ewigkeiten erstrecken oder eindringlich darstellen, wie ein harmloses Gespräch binnen weniger Minuten unaufhaltsam zu eskalieren vermag. Da verzeihe ich dann auch gerne, dass trotz der üppigen Länge im letzten Drittel ein wenig das Gefühl aufkommt, als würde der Plot zerfasern und sich mit überzeugenden Einzelszenen begnügen, denn davon abgesehen macht Baumbachs neuester Wurf eine superbe Figur und sollte selbst Skeptiker überzeugen können, die sich Thema und Sujet des Films nicht unbedingt zugewandt fühlen. Denn allein die beiden – natürlich ebenfalls für den Golden Globe nominierten – Hauptdarsteller und ihre herausragenden Leistungen machen den Film quasi zum Pflichtprogramm in meinen Augen.

Fazit & Wertung:

Mit Marriage Story liefert Regisseur und Drehbuchautor Noah Baumbach eine bis ins letzte Detail gekonnt durchexerzierte Chronik einer Trennung, die mit tragikomischem Charme, entwaffnender Ehrlichkeit und eindringlicher Inszenierung samt und sonders für sich einzunehmen weiß. Vor allem aber begeistert er durch das bravourös aufspielende Duo aus Scarlett Johansson und Adam Driver, die beide für sich und insbesondere gemeinsam zu Höchstform auflaufen.

9,5 von 10 sich hochschaukelnden Diskussionen

Marriage Story

  • Sich hochschaukelnde Diskussionen - 9.5/10
    9.5/10

Fazit & Wertung:

Mit Marriage Story liefert Regisseur und Drehbuchautor Noah Baumbach eine bis ins letzte Detail gekonnt durchexerzierte Chronik einer Trennung, die mit tragikomischem Charme, entwaffnender Ehrlichkeit und eindringlicher Inszenierung samt und sonders für sich einzunehmen weiß. Vor allem aber begeistert er durch das bravourös aufspielende Duo aus Scarlett Johansson und Adam Driver, die beide für sich und insbesondere gemeinsam zu Höchstform auflaufen.

9.5/10
Leser-Wertung 8.5/10 (2 Stimmen)
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Marriage Story ist seit dem 06.12.19 exklusiv bei Netflix verfügbar.

vgw

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