Review: Mank (Film)

Lange habe ich Finchers neuem Film entgegengefiebert und dennoch wäre der schlussendlich beinahe unbemerkt an mir vorbeigerauscht. Dem Internet sei Dank bin ich aber zum Glück noch zeitnah darauf gestoßen worden, dass nun eben nachfolgend zu besprechendes Werk bei Netflix zum Abruf bereitsteht. Und auch wenn ich mich als ausgewiesener Fan des Regisseurs betrachte, denke ich doch, dass meine Wertung nicht allzu sehr davon beeinflusst worden ist, denn selbst bei kritischer Betrachtung ist dieses Werk schlichtweg über die meisten Zweifel erhaben und allein inszenatorisch in klassischem Schwarz-weiß ein echter Hochgenuss.

Mank

Mank, USA 2020, 131 Min.

Mank | © Netflix
© Netflix

Regisseur:
David Fincher
Autor:
Jack Fincher

Main-Cast:

Gary Oldman (Herman Mankiewicz)
Amanda Seyfried (Marion Davies)
Lily Collins (Rita Alexander)
Arliss Howard (Louis B. Mayer)
Tom Pelphrey (Joe Mankiewicz)
Sam Troughton (John Houseman)
Ferdinand Kingsley (Irving Thalberg)
Tuppence Middleton (Sara Mankiewicz)
Tom Burke (Orson Welles)
Joseph Cross (Charles Lederer)
Jamie McShane (Shelly Metcalf)
Toby Leonard Moore (David O. Selznick)
Monika Gossmann (Fraulein Freda)
Charles Dance (William Randolph Hearst)

Genre:
Biografie | Komödie | Drama

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Mank | © Netflix
© Netflix

Im Jahre 1940 bekommt der abgehalfterte und jüngst nach einem Autounfall ans Bett gefesselte Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz von dem aufstrebenden Orson Welles ein reizvolles Angebot: er soll für dessen Regie-Debüt das Drehbuch schreiben, allerdings hat die Sache gleich mehrere Haken, denn "Mank" – wie er von allen nur genannt wird – soll einerseits auf die Autoren-Nennung im fertigen Film verzichten und hat andererseits lediglich zwei Monate Zeit, das fertige Skript abzuliefern. Ungeachtet der Warnungen seines Bruders Joe, dass er es bereuen werde, auf die Nennung zu verzichten, macht sich Mank mit der britischen Schreibkraft Rita und im Beisein der deutschen Krankenschwester Freda inmitten der Mojave-Wüste ans Werk. Dabei hat Mank nichts weniger im Sinn, als mit Hollywood und seinen früheren Weggefährten abzurechnen und erinnert sich an die umtriebige Zeit in der Traumfabrik der 1930er-Jahre. Hier finden sich zahlreiche Vorbilder für die Figuren seiner Geschichte. Insbesondere die Parallelen zu Zeitungsmogul William Randolph Hearst und der von ihm protegierten Schauspielerin Marion Davies sind dabei nicht von der Hand zu weisen, doch auch MGM-Studioboss Louis B. Mayer, in dessen Wirkkreis Mank sich bewegte, bekommt sein Fett weg. So erregt das Skript zu Citizen Kane einiges an Aufsehen und beschert Mank einiges an Aufmerksamkeit, aber auch Groll, während sich seine Zusammenarbeit mit Orson Welles zunehmend prekärer gestaltet…

Rezension:

Es gibt wohl kaum einen Regisseur, der mich über die Jahre – mittlerweile Jahrzehnte – so beeindruckt und begeistert hat wie David Fincher, was mit Sieben seinen Anfang nahm (obwohl ich damals eigentlich noch viel zu jung war für den Film), gefolgt von Fight Club, der zudem mein seit Jahren ungebrochene Faible für Schriftsteller Chuck Palahniuk begründete. Und tatsächlich muss man auch für die Geschichte von Mank zurück zu Finchers Anfängen als Regisseur und Filmemacher, denn das Skript zu dieser nunmehr dritten Biografie unter Finchers Federführung stammt tatsächlich von dessen Vater Jack Fincher, der – wie so viele Journalisten und Kritiker auch – Citizen Kane über alle anderen Filme erhob. Damals jedoch wollte kein Studio den vergleichsweise gewagten Film produzieren und so führte das von dem ehemaligen Journalisten verfasste Skript ein unbeachtetes Dasein in einer Schublade, bevor sich nun David Fincher daran erinnerte, als er von Netflix das verführerische Angebot bekam, bei seinem nächsten Film gänzlich freie Hand zu haben. Witzigerweise finden sich hier deutliche Parallelen zu Citizen Kane, denn auch Orson Welles war über die Einflussnahme von Studio oder Geldgebern erhaben und lieferte ein für die damalige Zeit ungemein sperriges, ambitioniertes Werk, was gleichsam auch für Mank gelten darf, der inszenatorisch und visuell mehr als unterschwellig seinem großen Vorbild und Ideengeber huldigt.

Szenenbild aus Mank | © Netflix
© Netflix

Damit vermag Fincher tatsächlich so etwas wie eine Meta-Hommage par excellence zu schaffen, denn angefangen damit, seinen neuesten Film in schwarz-weiß inszeniert zu haben, referenziert er auch in Sachen verschachtelter Erzählweise das große Vorbild, dessen Entstehung hier erörtert werden soll, während man auch auf das Überblendungszeichen zum Ende eines Akts (und damit einhergehend dem bevorstehenden Wechsel der Filmrolle) nicht verzichten muss, was schon Tyler Durden der jüngeren, filmaffinen Generation in Fight Club erklärt hat. Nicht zuletzt ist sicherlich auch die Mono-Tonspur auffällig, an die man sich nach heutigen Gewohnheiten auch erst einmal gewöhnen muss, die aber auch das beabsichtigte Flair nachdrücklich unterstreicht. Im Gegensatz zu den zwei vorangegangenen Biografien von Fincher, einerseits Zodiac sowie andererseits The Social Network, gibt Mank sich zugegebenermaßen aber auch deutlich sperriger und auch wenn man die Geschichte auch ohne Vorkenntnisse und cineastisches Wissen genießen kann, lohnt es natürlich, mit Welles‘ Citizen Kane und bestmöglich der Hollywood-Riege der 1930er vertraut zu sein, zumal sich Fincher gar nicht erst die Mühe macht, all die in Erscheinung tretenden Figuren überhaupt nur namentlich zu erwähnen. Nun kann ich von mir auch nicht behaupten, sonderlich mit dieser Hollywood-Ära vertraut zu sein und dennoch entfaltet der Film einen geradezu sogartigen Reiz, der eine alles überschattende, unbeirrbare Liebe zum Film, zum Kino erkennen lässt, was natürlich auf der Meta-Ebene auch ein Augenzwinkern bietet, wenn man berücksichtigt, dass ausgerechnet dieses Werk exklusiv für einen Streaming-Giganten gefertigt worden ist.

Hauptattraktion und zu großen Teilen verantwortlich dafür, dass Mank dermaßen überzeugt und mitreißt, ist aber natürlich Gary Oldman (Planet der Affen: Revolution), der mit seiner dermaßen exaltierten, zynischen, aber auch spitzbübischen und charmanten Verkörperung des immer öfter dem Alkohol zusprechenden Herman J. Mankiewicz alle Register zieht und eine jede Szene dominiert, zumal es kaum einen Moment in dem mehr als zweistündigen Reigen gibt, in der er nicht zu sehen wäre. Ausgehend von seiner Ankunft auf der Farm inmitten der Mojave-Wüste – übrigens exakt der Ort, an dem wirklich das Drehbuch zu Citizen Kane entstanden ist – bewegen wir uns alsbald in der Zeit zurück und lernen die weiteren Akteure kennen. Speziell hinsichtlich der weiblichen Besetzung wurde hier zwar unlängst Kritik laut, die sich nur schwerlich von der Hand weisen lässt, dass beispielsweise Tuppence Middleton als Manks Frau Sara besetzt wurde, obwohl sie und Oldman 29 Lebensjahre trennen, während die Eheleute Mankiewicz im selben Alter gewesen sind, doch ändert das zumindest nichts an ihrem darstellerischen Talent und daran, dass sie hier weit mehr zu tun bekommt als noch in Edison – Ein Leben voller Licht. Ansonsten brilliert freilich auch Amanda Seyfried (Anon) als Schauspielerin Marion Davies – hier passt das Alter auch näherungsweise – und liefert eine vielschichtige und einnehmende Darstellung ab, während Mank in der "Gegenwartshandlung" des Films – also 1940 – Lily Collins (To the Bone) als aufopferungsbereite Schreibkraft Rita zur Seite steht, hinsichtlich der Funktion ihrer Rolle allerdings arg reglementiert bleibt.

Szenenbild aus Mank | © Netflix
© Netflix

Einer lohnenden Erwähnung allerdings bedürfen wenigstens noch Tom Burke (Utopia) als Orson Welles sowie der gewohnt charismatisch und eindringlich aufspielende Charles Dance (The Widow) als Medienmogul William Randolph Hearst, der Mank überhaupt erst zu Citizen Kane inspiriert und die zunehmende Abscheu des Zynikers und Trinkers auf sich zieht. Dabei ist Mank aber weit weniger Biopic als vielleicht eher Zeitgeist-Dokument, das auf virtuose Art und Weise das Hollywood vergangener Tage wiederauferstehen lässt, inklusive aller Schattenseiten, Dünkel und Schwächen, über die Mank sich gerne wortgewandt und gewaltig echauffiert. Und auch hier schafft es der Film, sich augenzwinkernd selbst zu referenzieren, wenn Mank zu Protokoll gibt, dass sich ein ganzes Leben mitnichten in das Korsett eines zweistündigen Films pressen lasse, wobei Finchers neuester Wurf ohnehin oft mit süffisant-zurückhaltendem Witz daherkommt, für den beinahe ausnahmslos die scharfe Zunge von Mank – mancherorts aber auch dessen alkoholbedingte Gefühlsausbrüche – verantwortlich zeichnen. Es ist ein oft bitteres Porträt, ein zynischer Abgesang, eine beißende Betrachtung damaliger Zeiten, dennoch irritierend aktuell, wenn fingierte Interviews eine Wahl manipulieren sollen, vor allem aber ein superb inszeniertes Stück Filmgeschichte, bei dem es eine Wohltat ist, dass man Regie-Größe David Fincher hat schalten und walten lassen wie es ihm beliebt, so dass er sich sechs Jahre nach Gone Girl nun mit einem Paukenschlag zurückzumelden vermag.

Fazit & Wertung:

David Fincher stellt mit Mank einmal mehr unter Beweis, dass er einer der großen Virtuosen unter den Filmemachern ist, denn obwohl er inszenatorisch einiges wagt und erzählerisch einiges fordert, gelingt ihm ein höchst einnehmendes, für Kenner wie Laien faszinierendes Biopic, dass sich so wenig den Regeln des Genres beugt, wie der Film sich einer klassischen Dramaturgie unterwirft. So entstehen gleichsam Huldigung, Reminiszenz und Abgesang, die in jedem Moment die Liebe zum Film spürbar machen und insbesondere Gary Oldman als Verkörperung von Herman J. Mankiewicz zu Höchstform treiben.

10 von 10 Erinnerungen eines zynischen Alkoholikers

Mank

  • Erinnerungen eines zynischen Alkoholikers - 10/10
    10/10

Fazit & Wertung:

David Fincher stellt mit Mank einmal mehr unter Beweis, dass er einer der großen Virtuosen unter den Filmemachern ist, denn obwohl er inszenatorisch einiges wagt und erzählerisch einiges fordert, gelingt ihm ein höchst einnehmendes, für Kenner wie Laien faszinierendes Biopic, dass sich so wenig den Regeln des Genres beugt, wie der Film sich einer klassischen Dramaturgie unterwirft. So entstehen gleichsam Huldigung, Reminiszenz und Abgesang, die in jedem Moment die Liebe zum Film spürbar machen und insbesondere Gary Oldman als Verkörperung von Herman J. Mankiewicz zu Höchstform treiben.

10.0/10
Leser-Wertung 7/10 (1 Stimme)
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Mank ist seit dem 04.12.2020 exklusiv bei Netflix verfügbar.

vgw

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Eine Reaktion

  1. Stepnwolf 5. Januar 2021

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