Review: Die Stadt der Dolche | Walker Dryden (Buch)

Da bin ich doch tatsächlich schon wieder und wäge mich beinahe in einem Lauf, der – das wäre ja was – womöglich sogar noch anhalten wird.

Die Stadt der Dolche
Die Tumanbay-Saga 1

City of a Thousand Faces (Book 1), UK 2020, 640 Seiten

Die Stadt der Dolche von Walker Dryden | © Blanvalet
© Blanvalet

Autor:
Walker Dryden
Übersetzer:
Urban Hofstetter

Verlag (D):
Blanvalet
ISBN:
978-3-734-16321-0

Genre:
Abenteuer | Drama | Fantasy

 

Inhalt:

Während er auf die Wüste hinausblickte, bemerkte Basim durch den Dunstschleier eine lange Reihe schwer beladener Kamele, die langsam durch den Sand auf die Straße zustapften. War das eine Händlerkarawane oder vielleicht die Abordnung? Ihm wurde bewusst, dass er keine Ahnung hatte, wie eine Delegation aus den Provinzen aussehen könnte. Er fragte sich, ob sie eine Fahne bei sich führten.

Tumanbay, eine schillernde Metropole inmitten der Wüste, hinter deren Mauern sich aber auch einiges an Elend und Armut verbirgt. Auf den Schultern von Sklaven errichtet, sind sie es allerdings auch, die sich zuweilen zu Regenten aufzuschwingen wissen und die Geschicke der Stadt leiten. Es ist eine Welt des Opportunismus, voller Verrat und Intrigen, an deren Spitze Sultan al-Ghuri thront, der selbst durch den frühen Tod seines eigenen Bruders an die Macht kam. Doch seine Macht wird bedroht von der Rebellenfürstin Maya, die ihren Gesandten Effendi Rot mit einem "Geschenk" in den Palast schickt, das eine mehr als deutliche Sprache spricht. Meisterspion Gregor sieht sich mit der beispiellosen Herausforderung konfrontiert, den Schergen Mayas auf die Schliche zu kommen, derweil sein Schicksal eng verknüpft scheint mit dem der jüngst nach Tumanbay gelangten Sklavin Sarah und dem Sklavenhändler Ibn Bai, der auf das Eintreffen seiner Frau und Tochter wartet. Die Zukunft der Stadt scheint ungewiss und ebenso derer, die in ihr leben…

Rezension:

Zugegebenermaßen ist es jetzt schon ein kleines Weilchen her, dass ich die Lektüre von Die Stadt der Dolche beendet habe, doch der positive Gesamteindruck ist über die Zeit hinweg erhalten geblieben, zumal es durchaus praktisch ist zu wissen, dass ich mich nun bereits jederzeit dem zweiten Band Der vergiftete Thron widmen könnte, der zwischenzeitlich – Mitte Juni – ebenfalls bereits erschienen ist. Nun bin ich einerseits Fantasy-Reihen dem Grunde nach positiv gestimmt, wenn sie denn mit einem gewissen Alleinstellungsmerkmal aufwarten, andererseits aber immer skeptisch, wenn eine Geschichte mit "Dramatis Personae" beginnt und mir erst einmal zu vermitteln müssen meint, wem ich denn da so begegnen werde. Und tatsächlich finden sich im Netz einige stimmen, die kritisieren, dass der Einstieg nicht besonders leicht fiele, wohingegen ich sagen muss, dass ich selten ein zugänglicheres Werk erlebt habe, denn gerade der stete Charakterwechsel und die vielen, vergleichsweise kurzen Kapiteln – oftmals nicht mehr als zehn Seiten – ermöglichen eine vergleichsweise leichtfüßige Lektüre.

Der Hafen war das Erste, was viele Neuankömmlinge von Tumanbay sahen. Auch bei Ibn Bai war es so gewesen, als er an Deck einer im Wind krängenden Dau an den langen Molen entlanggesegelt war, die drei Wegestunden oder weiter in den Golf hineinragten und sich zu einer Hafeneinfahrt verjüngten, durch die höchstens fünf Schiffe gleichzeitig passten.

Zugegeben, es mag trotzdem seine Zeit brauchen, bis man sich in der Welt von Tumanbay zurechtfindet, doch gilt das wohl ausnahmslos für alle Fantasy-epen, zumal man es hier zunächst einmal "nur" mit einer Stadt zu tun hat. Da liegt für mich aber leider auch einer der Kritikpunkte, denn so schillernd und faszinierend, bedrohlich und prächtig Tumanbay als Handlungsort beschrieben und in Szene gesetzt wird, so sehr bleibt man im Unklaren, wie der Rest der Welt gestaltet sein möge. Man erfährt hier herzlich wenig über Ländereien und deren Herrscher*innen, politische Verflechtungen oder sonst dergleichen, was dann auch jeden Ausflug über die Grenzen der Stadt hinaus ein wenig so wirken lässt, als wanderten sie über unbeschriebenes Papier. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn es im weiteren Verlauf auch noch zu einigen Zeitsprüngen kommt, was beispielsweise Truppenbewegungen betrifft, denn auch wenn man meinen würde, die Heere wären seit Tagen und Wochen unterwegs, befinden sich deren Heerführer dann urplötzlich wieder im Stadtzentrum von Tumanbay.

In meinen Augen wird hier noch am ehesten die Podcast-Herkunft von Die Stadt der Dolche deutlich, denn die kurzen, aneinander gereihten Szenen mögen im engen Verbund und Kontext einer Stadt wie Tumanbay trefflich funktionieren, doch wenn man versucht, Ereignisse außerhalb der Stadt hier chronologisch sinnvoll mit unter einen Hut zu bringen, wird es schon kniffliger. Damit wären wir auch schon bei einem der Alleinstellungsmerkmale der Reihe, denn das Ganze basiert auf dem BBC-Podcast Tumanbay, so dass auch der Autor Walker Dryden lediglich das Pseudonym der Autoren Mike Walker und John Scott Dryden ist, welche eben auch für die Podcast-Staffeln verantwortlich zeichnen. Insbesondere die erste der vier Staffeln, die auch gleichzeitig dem Buch als Handlungsvorlage dient, hat reichlich Lob erfahren und es kommt wahrscheinlich mitnichten von ungefähr, dass der letzte Sultan des Mamluken-Sultanats, von dem man sich maßgeblich hat inspirieren lassen, auf den Namen Tuman Bay gehört hat und von Sultan al-Ghuri zum Vizekönig ernannt worden war. Konzeptionell allein also alles schon überaus spannend und – wie ich finde – enorm packend umgesetzt, auch wenn man sich mitnichten von den vollmundigen Werbeversprechungen "Eine epische Saga – voller Sklaven, Spione, Attentate, Wüsten, Sex und Gewalt." blenden lassen sollte.

Der gigantische Audienzsaal war als der Saal der Tausend Säulen bekannt. So viele waren es sicher nicht, doch in jeder Richtung erstreckten sich Gänge mit Pfeilern und aufwändig verzierten Bogen, die das Auge des Betrachters täuschten und verwirrten, bis er jeden Versuch, sich zu orientieren, aufgab und von der schieren Größe und Herrlichkeit des Raums überwältigt wurde.
Rot wurde bis zu seiner Position vor einem mit Gold und Perlen bestickten Vorhang geschleift und in die Knie gezwungen.
»Effendi Rot«, verkündete Basim, so ergriffen von der Bedeutung dieses Augenblicks, dass ihm die Stimme ein wenig brach. »Der Emissär von Maya, der Witwe des verstorbenen Gouverneurs der Provinz Amber.«

Doch auch wenn man diese reißerischen Ankündigungen vergebens sucht, weiß Die Stadt der Dolche, wie The City of a Thousand Faces etwas unbeholfen übersetzt worden ist, zu fesseln und zu begeistern. Einzig der erzählerische Misston, dass man sich noch zu Beginn viel Zeit zum Erzählen, Entwickeln und Wirken lässt, während es im letzten Drittel alles vergleichsweise gehetzt wirkt, ist mir ein wenig negativ in Erinnerung geblieben. Hingegen sowohl die Charakterisierungen als auch das Worldbuilding kann ich nur loben, wohlwissend, dass wir in diesem Auftaktband noch nicht allzu viel von den umliegenden Ländereien erfahren haben und hier entsprechend noch deutlich mehr drin gewesen wäre. Bei den Charakteren indes gibt es eine Handvoll Kandidat*innen, aus der Masse hervorzustechen und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, doch allen voran dürfte es Gregor sein, der als Meisterspion des Sultans und Anführer der Eliteeinheit, die den Palast bewacht, ein wenig das verbindende Element in der Erzählung darstellt, was nicht heißen soll, dass nicht ein jedes der (vielen kurzen) Kapitel zu überzeugen wüsste.

Fazit & Wertung:

Mit Die Stadt der Dolche offerieren die Autoren Mike Walker und John Scott Dryden eine mehr als überzeugende Adaption der ersten Staffel ihres BBC-Podcasts, auch wenn man dem Roman hie und da seine Herkunft durchaus anmerkt. Das ändert aber nichts an dem spannenden Worldbuilding und der wendungsreichen Geschichte, deren volles Potential sich sicherlich erst im weiteren Verlauf der Reihe ausloten lassen wird.

8 von 10 Gefahren und Geheimnisse in Tumanbay

Die Stadt der Dolche

  • Gefahren und Geheimnisse in Tumanbay - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Mit Die Stadt der Dolche offerieren die Autoren Mike Walker und John Scott Dryden eine mehr als überzeugende Adaption der ersten Staffel ihres BBC-Podcasts, auch wenn man dem Roman hie und da seine Herkunft durchaus anmerkt. Das ändert aber nichts an dem spannenden Worldbuilding und der wendungsreichen Geschichte, deren volles Potential sich sicherlich erst im weiteren Verlauf der Reihe ausloten lassen wird.

8.0/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Blanvalet. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Die Stadt der Dolche ist am 18.04.22 im Blanvalet Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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