Und da wären wir heute wieder einmal ungewöhnlich früh mit meinem nächsten und somit neuestem Artikel, denn wie vielleicht der eine oder andere mitbekommen haben mag via Instagram oder Facebook, habe ich kürzlich das hehre Ziel in Angriff genommen, alle sechs Star Wars-Filme einer erneuten Sichtung zu unterziehen und weil wir das an einem Tag leider doch nicht geschafft haben, warten auf mich heute gleich noch Episode V und VI, weshalb ich alles andere natürlich pflichtschuldig vorher abgehandelt wissen wollte. Daher jetzt schon viel Spaß mit meiner neuesten Film-Kritik und – sollte es die Zeit noch erlauben – gleich eventuell noch mit einem neuen Portrait. Ansonsten jetzt schon viele Grüße und einen gemütlichen Sonntagnachmittag euch allen! Und da der Trailer zum Film wieder einmal viel zu viel verrät – deutlich mehr als meine gewohnt spoilerfreie Rezension beispielsweise – kann ich euch nur raten, ihn, auch wenn er hier eingebunden ist, im Idealfall nicht anzusehen, um euch nicht die Aha- und Oho-Momente zu nehmen, zumindest einige davon.
Stonehearst Asylum
Diese Mauern wirst du nie verlassen
Eliza Graves, USA 2014, 112 Min.
© Universum Film
Brad Anderson
Joe Gangemi (Drehbuch)
Edgar Allan Poe (Buch-Vorlage)
Jim Sturgess (Edward Newgate)
David Thewlis (Mickey Finn)
Ben Kingsley (Silas Lamb)
Michael Caine (Benjamin Salt)
Mystery | Thriller
Trailer:
Inhalt:
© Universum Film
Wir schreiben das Jahr 1899 und der frisch gebackene Nervenarzt Dr. Edward Newgate erreicht am Weihnachtsabend die Tore des Stonehearst Asylum. Frisch von der Oxforder Universität kommend, sucht er hier erste praktische Erfahrungen im klinischen Umgang mit geistig Gestörten. Während ihm der Hausverwalter Swanwick zunächst ein wenig dubios erscheint, empfängt ihn zumindest der Anstaltsleiter Dr. Lamb mit offenen Armen und ist mehr als bereit, Newgate mit seinen zugegebenermaßen unkonventionellen Behandlungsmethoden vertraut zu machen. Bei der ersten Visite durch die einzelnen Bereiche von Stonehearst erblickt Newgate auch die Patientin Eliza Graves, die an Hysterie leidend seit geraumer Zeit ihr Dasein in der Anstalt fristet, und ist sofort fasziniert von der attraktiven Frau, der so gar nichts von jedweder Geistesstörung anhaftet.
Zunächst irritiert von den sich grundsätzlich frei bewegenden Patienten lässt Newgate sich von Lamb aufklären, dass er nichts von den antiquierten Foltermethoden hält und seine Patienten lieber in ihrer urtypischen Form akzeptiert und würdigt, selbst wenn sie sich beispielsweise für ein Pferd halten mögen. Newgates Irritation wächst, als er gewahr wird, dass selbst in den Angestelltenräumen die Patienten zugegen sind und während er noch versucht, sich ein Bild von der Lage zu machen, lotst ihn Eliza Graves unter einem Vorwand von den anderen weg und bittet ihn eindringlich, das Sanatorium so schnell als irgend möglich zu verlassen. Newgate allerdings weigert sich, ohne Eliza zu gehen und lässt seine Chance zur Flucht ungenutzt verstreichen, doch schon in der darauffolgenden Nacht wird er ein Geheimnis lüften, dass die gesamte Anstalt in ein neues Licht tauchen und ihn in eine unbestreitbar schwierige Position bringen wird. Zur Flucht allerdings, mag es zu diesem Zeitpunkt schon zu spät sein.
Rezension:
Im Vorfeld nicht einmal ahnend, dass Stonehearst Asylum unter der Federführung des Ausnahmeregisseurs Brad Anderson entstanden ist, den ich für und seit The Machinist durchaus ein wenig bewundere, war ich doch angenehm überrascht von dem Film, wenngleich ich einräumen muss, dass meine positive Überraschung anderen Zuschauern durchaus übel aufstoßen könnte, denn wer sich hier einen morbide-düsteren Horror-Thriller erwartet, sollte lieber gleich die Finger von dem Film lassen, bei dem es sich übrigens um die Verfilmung der Kurzgeschichte Das System des Dr. Teer und Professor Feder von Edgar Allen Poe handelt, wenngleich man zumindest mit der morbiden und düsteren Atmosphäre Recht haben dürfte, in punkto Thrill und Spannung aber vermutlich enttäuscht wäre, denn der Film ist vergleichsweise gemächlich inszeniert und gibt einen Großteil seiner Geheimnisse, die sowieso recht offenkundig und kaum schwer zu erraten sind, bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt preis, versucht also im Grunde gar nicht erst, auf eine falsche Fährte zu locken oder durch mysteriöse Anspielungen zu verwirren, sondern widmet sich ganz seiner Kernthematik, die zum Einen natürlich aus der sich entspinnenden Geschichte zwischen Newgate und Graves besteht, zum Anderen an der Kritik falscher Moral und sich über die Menschenrechte stellender Institutionen, finden sich schließlich in Stonehearst auch Demente, traumatisierte Personen oder Homosexuelle, die natürlich allesamt weder geistesgestört sind, noch weggesperrt gehören, was aber nun einmal 1899 noch gänzlich anders interpretiert worden ist.
© Universum Film
Nichtsdestotrotz ist es gerade diese Diskrepanz zwischen den vermeintlich Geistesgestörten und ihren Ärzten, die sich unter dem Vorwand der Rechtschaffenheit Greueltaten herausnehmen und Sünden zuschulden kommen lassen, die jeglicher Beschreibung spotten und sehr feinsinnig aufzeigen, wie wichtig es ist, individuell zu differenzieren und nicht alle über einen Kamm zu scheren, wie es beispielsweise der in den ersten Minuten vorgestellte und von Brendan Gleeson dargestellte Dozent zu tun pflegt und damit seine eigene Ignoranz offenkundig macht. Wie gesagt sollte der nach einer guten halben Stunde erfolgende erste Twist den geneigten Cineasten kaum überraschen, doch wäre ich auch deutlich enttäuscht gewesen, hätte man aus Poes Geschichte eine reine Horrorfabel gemacht mit billigen Schocksequenzen und einem Übermaß an Panik und Geschrei. Nein, Stonehearst Asylum ist ein ruhiger Film, der seine Kraft ganz aus seinem Thema zieht und die allesamt formidablen Schauspieler zu Höchstleistungen antreibt, trotz oder gerade wegen ihres nur teilweise ausgeleuchteten Hintergrundes, so dass Ben Kingsleys Rolle zwar zunächst deutliche Parallelen zu seiner Rolle in Shutter Island zeigt, er sich im weiteren Verlauf aber merklich davon freispielt und zu einer vielschichtigen wie dennoch undurchsichtig bleibenden Persönlichkeit entwickelt.
Ebenso ergeht es Kate Beckinsale, die Eliza Graves verkörpern durfte, die dem ursprünglichen Filmtitel nach der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist, was zwar zunächst kaum offensichtlich ist, zumal die Geschichte aus der Sicht von Edward Newgate aka Jim Sturgess geschildert wird, speziell am Ende und im Nachgang allerdings mehr als Sinn ergibt. Jim Sturgess im Übrigen versteht es wirklich, sich den Film zu eigen zu machen und agiert gewohnt charismatisch, wenn auch mit ungewohnter Optik, was die altertümliche Kleidung und den Bart anbelangt. Nicht zu vergessen Michael Caine, der erst im zweiten Drittel seinen Auftritt haben darf und mitnichten die tragende Rolle spielt, die ich mir erwartet hätte, die Szenen mit ihm aber an sich zu reißen versteht, was sich speziell in den Rückblenden und im Zusammenspiel mit Ben Kingsley bemerkbar macht, so dass allein das Erlebnis, diese zwei Schauspielgrößen in Interaktion zu erleben, die Sichtung des Films eigentlich rechtfertigt.
© Universum Film
Damit aber nicht genug, meint man bei Stonehearst Asylum zwar, recht schnell hinter das Geheimnis gekommen zu sein und wird beinahe ebenso schnell in dieser Vermutung bestätigt, wartet der Film dennoch zum Ende hin mit einem grundsoliden Twist auf, den ich nicht habe kommen sehen, der aber auch nicht so an den Haaren herbeigezogen wirkt, dass man im Nachgang das Geschehen des Films selbst in Frage stellen müsste, denn die sich ergebenden Konsequenzen wurden immer wieder und teils offenkundig in die Handlung verbaut, nur hat man sie natürlich nicht sehen können, weil man nicht wusste, worauf zu achten nötig gewesen wäre, so dass der Film bei all seiner atmosphärischen Dichte und den großartig aufspielenden Darstellern zu alledem auch noch zu einem befriedigenden wie überzeugenden Ende findet, ohne den Tenor der Erzählung zu verraten und die zuvor aufgestellten Thesen umzustoßen – den diese werden letztendlich nur noch bekräftigt, so dass der Film nicht nur einen hohen Unterhaltungswert besitzt – wenn man denn bereit ist, sich auf einen vergleichsweise ruhigen und um Schockmomente erleichterten Anstalts-Thriller einzulassen – , sondern auch eine Botschaft, die endlich einmal nicht in den Zuschauer geprügelt und dennoch verstanden wird, weil sie in der Erzählung selbst enthalten, dem Film schlichtweg innewohnt und weitaus mehr Wahrheit enthält, als man sich selbst heutzutage eingestehen möchte, wenn man sieht, wie viele Vorurteile und Vorbehalte noch immer in den Köpfen der Menschen herumspuken. Für mich eine absolute Entdeckung und Empfehlung, bin ich froh, auf Brad Andersons neuestes Werk aufmerksam geworden zu sein.
Stonehearst Asylum - Diese Mauern wirst du nie verlassen
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Grausame Foltermethoden für gemarterte Seelen - 8.5/10
8.5/10
Fazit & Wertung:
Regisseur Brad Anderson dreht schon seit jeher eigenwillige Filme und wird sicherlich auch mit Stonehearst Asylum einigen Zuschauern vor den Kopf stoßen, da der Film nicht den Horror und die Spannung bieten kann, die man sich womöglich erwartet, dafür aber eine fein- wie tiefsinnige, noch immer aktuelle Geschichte zu erzählen versteht, die sich mehr auf ihre Figuren und Kontextualisierung konzentriert, als mit billigen Schockeffekten um Aufmerksamkeit zu heischen. Das hat die Adaption der Kurzgeschichte von Edgar Allen Poe auch mitnichten nötig, funktioniert sie doch auch als Mystery-Film mit Drama-Elementen tadellos und zeigt eine ganze Riege namhafter Darsteller in Bestform.
Stonehearst Asylum ist am 30.01.15 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Universum Film erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
Klingt vielversprechend, zumal ich ebenfalls ein kleiner Anderson-Fan bin. Wenn auch kein so großer wie von Wes oder Paul Thomas. Vermutlich sollten in Zukunft nur noch Menschen mit dem Nachnamen “Anderson” Regisseure werden … ;-)
(okay, es gibt auch noch Paul W.S. Anderson, aber selbst dessen B-Movies finde ich häufig ziemlich unterhaltsam)
Hat mir auch wirklich, wirklich gut gefallen der Film, wobei der ja beispielsweise bei Moviepilot merklich abstinkt, aber da wusste glaube ich auch keiner so recht, auf was er sich da einlässt, also hinsichtlich Tempo und Ausgestaltung des Films.
Und ja, die Andersons machen wirklich (fast) alle gute Filme, aber ich glaube doch, dass mir da was fehlen würde, wenn nur noch Andersons Regie führen würden ;-)
Hi Wulf,
habe die Blu-Ray nun auch gesehen und bin ein wenig enttäuscht. Der Film ist Ok, mit Schwächen, die Blu-Ray ohne Extras! Auf meinem Blog bekam er nur 2,5 von 5 Sternen, obwohl die Voraussetzungen ziemlich gut waren.
wann kommen denn deine Reviews zu “Star Wars”, Wulf? ;-)
Das habe ich mich tatsächlich auch schon so gefragt und die Kritiken zu den ersten drei Teilen sind sogar schon fertig. Momentan tendiere ich dazu, die Kritiken außerhalb des üblichen Turnus an den kommenden sechs Sonntagen zu veröffentlichen, so als grober Plan zumindest ;-)
Irgendwie hast du ja erstaunlicherweise immer ca. ein Dutzend Reviews schon fertig aber noch nicht veröffentlicht. So ein “Polster” hätte ich auch gerne. ;-)
Ist aber – wenn dich das etwas beruhigt – auch hauptsächlich bei Filmen so. Wenn es um Bücher, Comics, Serien geht, schreibe ich die Artikel auch immer kurz vor knapp und hinke teils auch gehörig hinterher, ohne etwas fertig in der Schublade liegen zu haben. Und bei ‘Star Wars’ tat das echt Not, schon einmal vorzuarbeiten, denn hinterher sechs Filme getrennt voneinander zu betrachten wäre mir doch reichlich schwer gefallen.