Review: See How They Run (Film)

Sogar für eine Freitagskritik hat es diese gelangt und ich bin ganz aus dem Häuschen, wie sehr sich das gerade nach "früher" anfühlt, als ich ja schließlich auch jeden Tag was neues raushauen konnte. Jetzt wünsche ich euch aber erst einmal einen guten Start ins Wochenende und dann schauen wir mal, was die neue Woche so bringt.

See How They Run

See How They Run, USA/UK 2022, 98 Min.

See How They Run | © 20th Century Studios
© 20th Century Studios

Regisseur:
Tom George
Autor:
Mark Chappell

Main-Cast:
Sam Rockwell (Inspector Stoppard)
Saoirse Ronan (Constable Stalker)
in weiteren Rollen:
Adrien Brody (Leo Kopernick)
Ruth Wilson (Petula Spencer)
Reece Shearsmith (John Woolf)
Harris Dickinson (Richard Attenborough)
Charlie Cooper (Dennis Corrigan)
David Oyelowo (Mervyn Cocker-Norris)

Genre:
Krimi | Komödie | Mystery

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus See How They Run | © 20th Century Studios
© 20th Century Studios

Im Londoner West End der 1950er Jahre kündigt sich die 100. Aufführung des beliebten Theaterstücks "Die Mausefalle" an und die Vorbereitungen für eine Film-Adaption laufen bereits, doch noch während der Jubiläumsfeierlichkeiten wird der als Regisseur für den Film verpflichtete Leo Kopernick ermordet. Das ruft die unerfahrene, aber ungleich ambitioniertere Constable Stalker auf den Plan, die Inspector Stoppard zugeteilt ist, der allerdings mehr dem Alkohol als Aufklärung von Fällen zugetan scheint. Gemeinsam bilden die beiden so etwas wie die Notbesetzung, da ein Großteil der Polizei mit den Rillington-Place-Morden beschäftigt ist. Bei ersten Befragungen wird allerdings schnell klar, dass es zahlreiche Verdächtige gibt, sei es bei der Theater-Crew oder den Filmschaffenden, denn Kopernick hatte ein ausgeprägtes Talent, es sich mit Leuten zu verscherzen, derweil ein Motiv auch sein könnte, dass endlich der Siegeszug der Aufführung gebrochen wird. Ein Film zum Stoff verbietet sich nämlich, solange das Stück noch läuft, doch warum sollte man es dann ausgerechnet auf den Regisseur abgesehen haben? Der Tatendrang von Constable Stalker reicht derweil spielend für zwei und so nehmen die Ermittlungen ihren Lauf…

Rezension:

Bereits vor anderthalb Monaten, also wiederum lediglich rund anderthalb Monate nach deutschem Kinostart ist hierzulande See How They Run bei Disney+ aufgeschlagen und auch hier baut der Streaming-Ableger des Maus-Konzerns seine Vormachtstellung auf, großartige Stoffe ohne Zusatzkosten und zunächst exklusiv unters Volk zu bringen. Mit der Exklusivität ist es mittlerweile vorbei, doch ändert das natürlich nichts an den Qualitäten des Streifens, die sich durchaus sehen lassen können, wenn man auf Meta-Spielereien und Kriminalgeschichten der eher spleenigen Art abfährt. Dabei muss ich zugeben, dass der Film auf mich zunächst wie ein waschechter Wes Anderson, was den Look des Ganzen und dessen Aufbereitung angeht. Hat aber sicherlich auch mit der namhaften Besetzung zu tun, die sich bereits prominent in diversen von Andersons Filmen verewigt sieht, ob es sich dabei um Saoirse Ronan (Grand Budapest Hotel) handelt oder den eingangs prestigeträchtig als Erzähler eingeführten Adrien Brody (The French Dispatch), der hier als Leo Kopernick alsbald zum Mordopfer avancieren wird. Das kann man als Kompliment betrachten – von mir ist es auf jeden Fall so gemeint –, aber es bringt eben auch mit sich, dass man unweigerlich Vergleiche anstellt und einen gewissen Stil erwartet, der logischerweise nur bedingt erfüllt wird. So kommt Regisseur Tom George in seinem Spielfilm-Debüt natürlich nicht annähernd an die Souveränität jahrelanger Erfahrung heran, was ich ihm aber auch gar nicht ankreiden möchte.

Szenenbild aus See How They Run | © 20th Century Studios
© 20th Century Studios

Davon nämlich einmal abgesehen, ist See How They Run ein herrlich aberwitziger Whodunit-Spaß mit gehörig ausgebauter Meta-Ebene geworden, denn tatsächlich – also im wahren Leben – hat sich Hollywood-Produzent John Woolf (hier: Reece Shearsmith, High-Rise) bereits 1952 die Filmrechte an dem realen Agatha-Christie-Stück Die Mausefalle gesichert, allerdings – wie im Film – mit dem folgenschweren Zusatz, dass ein Kinofilm erst sechs Monate nach Absetzung des Theaterstücks produziert werden dürfe, was allerdings in den darauffolgenden 67 Jahren nicht passieren sollte (erst die Corona-Pandemie setzte dem Siegeszug des Theaterstücks ein unrühmliches Ende). Der Möglichkeit also effektiv beraubt, das Christie-Stück zu adaptieren, ist eben stattdessen diese Kriminalgeschichte entstanden, die sich um genau diesen Umstand der verfahrenen Rechte-Situation kreist und gleichzeitig viele Parallelen zum Stück aufweist, die entweder daraus resultieren, dass der Killer im Film sich davon inspirieren ließ oder die eben schlicht als Hommage und Huldigung mit verbaut worden sind. Das geht so weit, dass selbst ein Großteil der Namen Querverweise beinhaltet und es wird eines breiten Wissens in Sachen Kriminalliteratur bedürfen, um auch nur näherungsweise alle Referenzen zu finden, was aber auch nicht zwingend nötig ist, aber natürlich den Spaß erhöht.

Apropos Spaß, dominiert auch hier natürlich wieder Sam Rockwell (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri) mit exzentrisch-intensivem Schauspiel, allerdings ist Saoirse Ronan ihm tatsächlich dicht auf dne Fersen und erweist sich als echte Szenendiebin. Wie so oft ist es aber natürlich speziell die Kombi, die den Reiz ausmacht, auch wenn ein Duo aus dienstbeflissenem Neuling und desillusioniertem Profi nun nicht eben neu ist und so formelhaft daherkommt, wie es in Kriminalgeschichten oft der Fall ist und wie es auch von Kopernick (im Film) und Christie (in ihrem Stück) kritisiert wird, womit sich der Meta-Kreis ein weiteres Mal schließt. So erhebt See How They Run rekursive Erzählschleifen quasi zum persönlichen Stilmittel, was durchaus clever ist und auch ein wenig darüber hinwegtröstet, dass eben beispielsweise das Timing bei den Gags nicht auf Wes-Anderson-Niveau angesiedelt ist und hier manches noch ein wenig souveräner und eleganter hätte inszeniert werden können. Für einen Debütfilm läuft hier allerdings schon dermaßen viel richtig, dass man sehr gespannt sein darf, was George als nächstes kredenzen wird, wobei ich auch nichts gegen eine Fortsetzung mit demselben Ermittler-Duo hätte, was allerdings extrem unwahrscheinlich sein dürfte.

Szenenbild aus See How They Run | © 20th Century Studios
© 20th Century Studios

Ansonsten ist die Erzählung voller Irrungen und Wirrungen, vermag jederzeit zu unterhalten und zeitweilig zu begeistern, hält vor allem aber lange hinterm Berg mit dem wahren Täter, dessen Identität sich hier auch schwerlich vorhersagen ließe. Zum Ausgang als solchen gibt es zwar eine Anzahl mehr oder minder auffälliger Hinweise, wenn man das Konzept der Geschichte von Drehbuchautor Mark Chappell (A Young Doctor’s Notebook) einmal durchschaut hat. Einen gewissen Hang zur Exzentrik und manchmal auch Blödelei sollte man dabei zwar durchaus mitbringen, aber See How They Run überrascht auch durchaus mit ernsten Tönen, die sich keineswegs deplatziert anfühlen. Ein wenig mehr inszenatorischer Feinschliff hätte derweil aus einem sehenswerten einen großartigen Film gemacht, was aber keineswegs heißen soll, dass man sich diese gut aufgelegte und mit einem Augenzwinkern versehene Mördersuche entgehen lassen sollte!

Fazit & Wertung:

Regisseur Tom George und Drehbuchautor Mark Chappell huldigen mit See How They Run auf beispiellose Weise Agatha Christie und ihrem Stück Die Mausefalle, das zwar selbst nicht verfilmt werden durfte, hier aber als Inspiration für ein bestens aufgelegtes Whodunit fungiert, das mit Spleenigkeit und Meta-Spielereien zu punkten vermag, was auch an dem Darsteller-Duo Ronan und Rockwell liegt.

7,5 von 10 dringend Tatverdächtigen

See How They Run

  • Dringend Tatverdächtige - 7.5/10
    7.5/10

Fazit & Wertung:

Regisseur Tom George und Drehbuchautor Mark Chappell huldigen mit See How They Run auf beispiellose Weise Agatha Christie und ihrem Stück Die Mausefalle, das zwar selbst nicht verfilmt werden durfte, hier aber als Inspiration für ein bestens aufgelegtes Whodunit fungiert, das mit Spleenigkeit und Meta-Spielereien zu punkten vermag, was auch an dem Darsteller-Duo Ronan und Rockwell liegt.

7.5/10
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See How They Run ist seit dem 14.12.22 bei Disney+ verfügbar.
vgw

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