Heute ohne große Vorrede und weitere Worte meine nächste Film-Kritik, um dem Credo des täglichen Bloggens Rechnung zu tragen. Macht euch einen schönen Abend!
Grand Budapest Hotel
The Grand Budapest Hotel, USA/DE/UK 2014, 99 Min.
© Twentieth Century Fox
Wes Anderson
Wes Anderson
F. Murray Abraham (Mr. Moustafa)
Mathieu Amalric (Serge X.)
Adrien Brody (Dmitri)
Willem Dafoe (Jopling)
Jeff Goldblum (Deputy Kovacs)
Harvey Keitel (Ludwig)
Jude Law (Young Writer)
Bill Murray (M. Ivan)
Saoirse Ronan (Agatha)
Jason Schwartzman (M. Jean)
Léa Seydoux (Clotilde)
Tilda Swinton (Madame D.)
Tom Wilkinson (Author)
Owen Wilson (M. Chuck)
Tony Revolori (Zero)
Abenteuer | Komödie | Drama
Trailer:
Inhalt:
© Twentieth Century Fox
Im Jahre 1985 erzählt ein namenlos bleibender Schriftsteller von einer anhaltenden Schreibblockade, die ihn 1968 dazu veranlasste, in dem Grand Budapest Hotel oberhalb des Bergdorfes Nebelsbad in der osteuropäischen Republik Zubrowka einzukehren, wo er wiederum den Hotelbesitzer Zéro Moustafa kennenlernen durfte, der ihm wiederum die schier unglaubliche Geschichte zu erzählen bereit ist, wie er Jahrzehnte zuvor, genauer 1932, vom einfachen Lobby-Boy zum Besitzer dieses prunkvollen Etablissements aufzusteigen wusste. Damals nämlich zog der noch junge Zéro die Aufmerksamkeit des Chef-Concierge Gustave H. auf sich, der wiederum gehörig Schlag bei den Frauen hatte, was zu einigen heimlichen Stelldicheins mit den gut betuchten, aber oft auch sehr betagten Damen führte, die seinerzeit Gäste des Grand Budapest Hotel waren.
Gustave H.s charmante Art führte so auch dazu, dass die mit 84 Jahren verstorbene Madame D. ihm ein fünf Millionen Klubecks teures Gemälde vermacht hat, wie Gustave feststellt, als er gemeinsam mit Zéro der Testamentseröffnung in Lutz beiwohnt. Die Verwandtschaft der Madame D. scheint aber alles andere als angetan von den letzten Wünschen der alten Dame und so beschließt Gustave – um sein Erbe fürchtend – das Gemälde zu entwenden und sein Heil in der Flucht zu suchen. Doch nicht nur heftet sich ein Teil der Sippschaft von Madame D. an seine und Zéros Fersen, sondern hetzt ihm auch den Polizisten Henckels auf den Hals, dem sie bereits auf der Fahrt nach Lutz begegnet waren. Zum Glück für Gustave H. unterhalten die Concierges der unterschiedlichen Hotels ein engmaschiges Netz aus Kontakten, doch ob dies reicht, um erfolgreich zu entkommen, wird mehr als einmal infrage gestellt…
Rezension:
© Twentieth Century Fox
Nachdem mir schon mein Ausflug in Wes Andersons Moonrise Kingdom ausnehmend gut gefallen hat, stand für mich mal wieder außerfrage, dereinst auch dem Grand Budapest Hotel einen Besuch abzustatten und wem schon das fiktive Camp imponiert hat, der wird auch mit dem überbordend verschwenderischen Wahnwitz der Inszenierung des über dem Bergdorf Nebelsbad liegenden Hotels warm werden dürfen, denn während man sich von Zeitachse zu Zeitachse rückwärts in der Geschichte bewegt, begleitet dabei übrigens von drei unterschiedlichen Bildformaten, die Wes Anderson jeder seiner Epochen zuweist und derweil lauscht, wie der gealterte Autor erzählt, wie er in jungen Jahren den Besitzer des Hotels, Zéro Moustafa, traf, der ihm wiederum erzählt, wie er in jungen Jahren vom Lobby-Boy zum Besitzer des Grand Budapest wurde, merkt man schnell, dass Anderson nichts von seinem Einfallsreichtum eingebüßt hat, auch wenn man ihm in diesem Film mehr denn je vorwerfen könnte, dass er der bewusst opulenten wie farbenprächtigen Inszenierung, die sich auch in der akribischen Planung einzelner Szenen niederschlägt, wo teils gar die verwendeten Farbtöne von Figurenkostüm und Wanddekor aufeinander abgestimmt zu sein scheinen, gegenüber der eigentlichen Handlung den Vorzug gegeben hat, die sich zwar mitnichten zu verstecken braucht, aber letztlich kaum mehr als eine Aneinanderreihung bekannter Versatzstücke darstellt, hier nur dadurch geadelt, dass sie nun eben mit einer comicartigen Erzählweise und surrealer Atmosphäre dargebracht werden, doch ist das eben im Grunde auch das, was man sich von einem Wes Anderson Film erwarten würde und sollte.
© Twentieth Century Fox
Im Mittelpunkt des bunten Reigens steht nach der zweifachen Reise durch die Zeit recht schnell Ralph Fiennes (Coriolanus) als charmanter wie wortgewandter Concierge, der den von Tony Revolori gespielten Zeró alsbald unter seine Fittiche nimmt, womit diese beiden Figuren sich alsbald auch als einzige Konstante des Grand Budapest Hotel erweisen, denn während man zu diesem Zeitpunkt schon einen Großteil der kaum als Gastauftritt zu bezeichnenden Szenen mit unter anderem Tom Wilkinson, F. Murray Abraham, Jude Law und Jason Schwartzman hinter sich gebracht hat, wird ziemlich deutlich, dass Anderson zwar schlichtweg ziemliche Freude gehabt haben muss, seinen Film bis in die wirklich allerkleinsten Rollen mit allerhand hochkarätigen Stars vollzustopfen (ohne dass der Film dadurch allerdings überfrachtet wirken würde, denn dieses Schaulaufen steht ihm überraschend gut zu Gesicht), dabei aber auch nur in den seltensten Fällen auf eine Figurenzeichnung wert legt, die über ein bis zwei Eigenschaften, einen merkwürdigen Manierismus oder Spleen hinausgeht, weshalb man ein Großteil des Ensembles als lebendig gewordene Karikatur in einem sowieso schon von jeglichem Realitätsempfinden losgelösten Reigen betrachten darf, für den Anderson auf wiederum inszenatorischer Seite gar die aus der Mode gekommenen, aber ungemein schön anzusehenden Matte Paintings bemüht, um beispielsweise die Umgebung des Hotels ins rechte, sprich märchenhaft-surreale Licht zu rücken.
Doch so witzig und unterhaltsam sich das geschehen präsentiert verzichtet Regisseur und Drehbuchautor Wes Anderson in Grand Budapest Hotel nicht auf ernstere, teils beinahe tragische Zwischentöne, die sich mal mehr mal weniger gut in das nur allzu bunte und überdrehte Treiben fügen, ihn aber auch in die Lage versetzen, statt einer nur auf Charme und Wortwitz fußenden Chose aus seinem Film gleichsam noch eine Art Krimi zu zimmern, eine abenteuerliche Reise durch ein von den Folgen des Krieges gezeichnetes Land zu inszenieren und Anleihen an Spionage- und Ausbruchs-Filmen zu nehmen, um in ein unerwartet brachiales Finale zu münden. Initialzündung hierfür ist der Raub eines Gemäldes durch Concierge M. Gustave, das die mit 84 Jahren verstorbene Madame D. – in diesem Fall eine kaum wiederzuerkennende Tilda Swinton (Snowpiercer) – ihm vermacht hat, wodurch wiederum sowohl die Figur von Adrien Brody (American Heist) als auch Willem Dafoe (The Hunter) auf den Plan gerufen werden, um sich an die Fersen des Concierge und seines Lobby-Boy zu heften, ebenso wie Edward Norton (Leaves of Grass) als Polizist Henckels. So wild und teilweise regelrecht actionreich sich das Geschehen aber auch hier präsentieren mag, war es einer der Wermutstropfen des Films für mich, im Mittelteil gänzlich auf das namensgebende Grand Budapest Hotel verzichten zu müssen, während man meiner Meinung nach auch aus den ineinander geschachtelten Zeitebenen noch deutlich mehr hätte machen können, so dass der Film, so sorgsam konstruiert er zu Beginn an scheint, im Grunde doch recht stringent verläuft und abgesehen von kuriosen Einfällen in seiner eigentlichen Handlung kaum Überraschendes bereithält.
© Twentieth Century Fox
In diesem Kontext geraten dann auch die Gastauftritte von Stars wie Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Bill Murray oder auch Owen Wilson zu äußerst knapp bemessenen, schlaglichtartigen Szenen, die im Gesamtkontext kaum der Rede wert sind und zwar die Opulenz des Werks an sich untermauern, letztlich aber wenig hergeben, während einzig Saoirse Ronan (Lost River) als Zerós Freundin Agatha zu meiner Freude noch einen größeren und gewichtigeren Part bekleiden darf. Hauptkritikpunkt dieses auf überbordendem Einfallsreichtum fußenden Werkes ist es aber womöglich, dass wenn schon das Geschehen zwar im besten Sinne überfrachtet wirkt und es an jeder Ecke etwas zu entdecken geben scheint, die emotionale Komponente demgegenüber aber doch trotz der teils tragikomischen Note merklich hintenansteht und ich mit M. Gustave und Zeró – um nur von den Hauptfiguren zu sprechen – nicht annähernd so mitfühlen konnte wie eben im direkten Vergleich mit den jungen Liebenden Sam und Suzy in Wes Andersons vorangegangenem Film, doch fallen derlei Dinge bei einem solch immensen Unterhaltungswert, wie ihn eben auch Grand Budapest Hotel zu bieten hat, kaum störend ins Gewicht, während in der Nachbetrachtung dann eben schon deutlicher wird, welches Potential sich hier womöglich noch verborgen hätte, um einen sowieso schon großartigen und vor allem eigenwilligen Film noch besser zu machen.
Grand Budapest Hotel
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Unglaubliche Begegnungen - 8.5/10
8.5/10
Fazit & Wertung:
Wes Andersons Grand Budapest Hotel ist ein vor Ideen, Wahn- und Wortwitz sprühendes Werk, das natürlich vor allem mit dem einzigartigen Stil des Regisseurs und Drehbuchautors zu punkten weiß und ein regelrechtes Schaulaufen illustrer Stargäste absolviert, während Ralph Fiennes und Tony Revolori das Geschehen mit Leichtigkeit zu dominieren wissen, doch kann man sich zuweilen des Gefühls nicht erwehren, dass sich Anderson in seinen nicht einmal zwei Stunden Spielzeit zu viel vorgenommen hat, wenn er munter durch zahllose Genres mäandert und gemeinsam mit seinen Figuren einem Derwisch gleich durch das fiktive Zubrowka pflügt.
Meinungen aus der Blogosphäre:
ERGOThek: 4,5/5 DeLoreans
Der Filmtipp: 4,5/5 Punkte
Der Kinogänger: 8/10 Punkte
Tofu Nerdpunk: 9,1/10 Punkte
Grand Budapest Hotel ist am 05.09.14 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Twentieth Century Fox erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
Da war ich damals nach der Sneak Preview noch euphorischer als du (10 von 10): https://singendelehrerin.wordpress.com/2014/03/02/the-grand-budapest-hotel-wes-anderson-ukgermany-2014/ , wobei ich den Kritikpunkt bzgl. der emotionalen Komponente durchaus nachvollziehen kann.
Kleiner Tipp am Rande: [lehrerinnenmodus:]Schau dir nochmal alle Stellen an, an denen du den Titel genannt hast – da sind dir ein paar Typos unterlaufen! [/lehrerinnenmodus]
Tipp habe ich dankend beherzigt. Und die Kritik werde ich natürlich selbstredend noch nachpflegen. Ich kann mir gerade bei diesem Film auch durchaus vorstellen, dass man da kurz nach der Sichtung und gerade in der Sneak, wenn man mit so etwas gar nicht rechnet, noch weitaus begeisterter ist, aber schlecht ist meine Wertung ja auch in keiner Weise.
Ich fand Grand Budapest Hotel auch klasse. Zwar muss man sich auf den Stil von Anderson einlassen. Schafft man das aber und findet ihn ganz gut, dann kann man sich wirklich in seinen Filmen verlieren.
Stimmt, mögen muss den Stil auf alle Fälle, sonst kann einem eigentlich keiner seiner Filme wirklich gefallen – und in der richtigen Stimmung sollte man nach Möglichkeit auch sein, wie ich finde.
Ich finde es ja immer noch ein bißchen kurios, daß ausgerechnet dieser Film bei den OSCARs gut abräumte und generell Wes Anderson einen weltweiten Publikumserfolg bescherte, obwohl er für mich zu seinen … naja, am wenigsten genialen Werken zählt. Gerade im Vergleich zu “Moonrise Kingdom” war das für mich inhaltlich und emotional schon ein erkennbarer Rückschritt – ist aber natürlich immer noch ein guter, wunderbar skurril-phantasievoller Film.
P.S.: In meiner Großherzigkeit spendiere ich dir einen “Goldblum” für die erste Zeile nach dem vierten Bild. Und etwas darüber ein “e” anstelle des zweiten “a” im Vornamen von Mr. Brody. ;-)
Deine “Geschenke” habe ich wie immer dankend angenommen und direkt für noch größeren Mehrwert in meinen Artikel gepackt ;) Ansonsten gebe ich dir Recht, dass “Moonrise Kingdom” ungleich toller war und es seltsam anmutet, dass der doch vergleichsweise echt untergegangen ist, während “Grand Budapest Hotel” in aller Munde war. Naja, was drei Hände voll namhafter DarstellerInnen manchmal auszumachen scheinen…