Und zack, weil Dienstag ist, weil ich es nicht lassen kann, weil ich auch schon das Buch gelesen habe, weil ich Emma Roberts mag, weil ich James Franco mag, weil ich gerne Filme gucke, kommt hier, heute, trotz schönem Wetter und allem, meine Kritik zu:
Palo Alto
Palo Alto, USA 2013, 100 Min.
© Alive/Capelight
Gia Coppola
Gia Coppola (Drehbuch)
James Franco (Buch-Vorlage)
Zoe Levin (Emily)
Chris Messina (Mitch)
Keegan Allen (Skull)
Val Kilmer (Stewart)
Drama
Trailer:
Inhalt:
© Alive/Capelight
In der kalifornischen Kleinstadt Palo Alto trifft eine illustre Gruppe heranwachsender Jugendlicher aufeinander, was wiederum deren aller Leben gehörig durcheinanderwirbelt. Da wäre Teddy, der nach einer Party im Rausch ein anderes Auto anfährt, flüchtet und dennoch erwischt wird. Sein bester Kumpel Fred derweil gibt sich redliche Mühe, sich als asoziales, um nicht zu sagen verrücktes Arschloch aufzuspielen und sich gegen jegliche Konvention aufzulehnen, wozu für ihn auch gehört, sich an Emily heranzumachen, nur um sie nach dem Sex links liegen zu lassen und ihr später neuerliche Hoffnungen zu machen. April derweil, in die der schüchterne Teddy heimlich verschossen ist, hat mit ihren ganz eigenen Unsicherheiten zu kämpfen und findet im Elternhaus auch nicht unbedingt jemanden, der sie versteht, ihr geschweige denn auch nur zuhören würde.
Da erscheint es beinahe naheliegend, dass April sich zu ihrem Fußballtrainer Mr. B hingezogen fühlt, zumal ihre Mitschülerinnen ihr längst schon eine Affäre mit ihm andichten, derweil sie schon des Öfteren Babysitter für dessen Sohn gespielt hat. Teddy derweil würde April gern seine Liebe gestehen, doch hat er es schon unwissentlich dadurch versaut, dass die ihn bei einer Party mit einem anderen Mädchen – Emily – gesehen hat, die für ihre nymphomanischen Züge stadtbekannt ist. Auch seinen Job in einer Kinderbücherei, wo Teddy die Sozialstunden ableisten soll, die ihm das Gericht aufgebrummt hat, verliert er rasch, als Fred beginnt, obszöne Zeichnungen in die Kinderbücher zu kritzeln. Allesamt sind sie auf der Suche nach einem Sinn, womöglich auf der Suche nach Liebe, doch wie die in ihrer Welt aussehen soll, das scheint keiner von ihnen zu wissen…
Rezension:
Bei Palo Alto handelt es sich um die Verfilmung der gleichnamigen Literatur-Vorlage aus der von James Franco, welcher der Einfachheit halber im Film gleich selbst eine Rolle und gleichsam einen Teil der Finanzierung des Films übernommen hat, da diese sich, obwohl es sich bei der Regisseurin Gia Coppola um niemand geringeres als die Enkelin von Altmeister Francis Ford Coppola und Nichte von Sofia Coppola handelt, doch äußerst schwierig gestaltet hat, was mitunter daran liegen mag, dass der Stoff des Films nicht unbedingt für leichtfüßige Unterhaltung geeignet und die Art der Inszenierung doch zuweilen etwas sperrig, um nicht zu sagen unangepasst wirkt, was sich aber letztlich als große Stärke des Streifens entpuppen soll, der allerdings diesem Umstand geschuldet ein zwar ausgesuchtes, aber doch auch überschaubares Publikum begeistern dürfte. Coming-of-Age-Geschichten gibt es viele und auch hier fühlt man sich des Öfteren an beispielsweise Vielleicht lieber morgen erinnert, wenngleich dieser Film dann im direkten Vergleich deutlich mainstreamiger wirkt und zugänglicher, als man es von dieser Buch-Verfilmung erwarten könnte, während auch der Umstand, dass selbst Hauptdarstellerin Emma Roberts auf derartige Filme abonniert zu sein schien, wie Von der Kunst, sich durchzumogeln oder auch It’s Kind of a Funny Story zu belegen wissen, geeignet wäre, eine falsche Erwartungshaltung zu schüren, derweil die Buch-Verfilmung zu Twelve noch am ehesten geeignet wäre, einen Eindruck von Palo Alto zu vermitteln.
© Alive/Capelight
Viel mehr allerdings – und das war schon bei der zugrunde liegenden Kurzgeschichten-Sammlung Palo Alto der Fall – fühlt man sich an Schriftsteller wie Bret Easton Ellis und speziell Die Regeln des Spiels, Verfilmung seines hierzulande als Einfach unwiderstehlich erschienenen Romans, erinnert, die durchaus in eine ähnliche Kerbe schlägt, was die Antriebslosigkeit und Lakonie der handelnden Figuren angeht, wenngleich das in der Ellis’schen Version doch deutlich unterhaltsamer und spritziger vorgetragen worden ist als hier. Nichtsdestotrotz versteht es Palo Alto, die Coming-of-Age-Story einer neuen Generation zu sein und auch wenn der Film an viele Größen des Genres nicht heranreicht, wirkt er gleichwohl ungleich zeitgemäßer, aktueller und verströmt ein ihm eigenes, ungewöhnliches Flair, das einerseits unbequem sein mag, andererseits zum Verweilen lädt und damit tiefer und tiefer in den merkwürdigen Sog des Films zu ziehen vermag, der objektiv betrachtet doch markante Schwächen aufweist, beispielsweise was die Eltern angeht, die hier nur am Rande und kaum charakterisiert in Erscheinung treten, kaum Bezugspunkte bilden, damit aber wiederum auch die Einsamkeit der Jugendlichen zu unterstreichen verstehen, die sich in einer lebensfeindlichen Welt zu behaupten suchen, denn was hier an exzessivem Alkoholkonsum und ausschweifendem Sexualverhalten praktiziert wird, kann schon nur noch als selbstzerstörerisch betitelt werden.
Dennoch, auch wenn die Geschichten überzogen zu sein scheinen – sind sie das in Filmen nicht immer!? – gelingt es doch überraschend gut, die nur lose zusammenhängenden Kurzgeschichten von Franco auf die große Leinwand zu übertragen, was allen voran exakt drei Darstellern geschuldet sein mag, denn einerseits macht das Duo aus Jack Kilmer, der hier seinen Einstand als Schauspieler gibt und gleich eine überraschend intensive, durchweg eindringliche Leistung abliefert, und Nat Wolff, der dessen psychisch ungleich derangierteren Freund Fred gibt (und aktuell in Margos Spuren in der Hauptrolle zu sehen ist), eine mehr als überzeugende Figur als Triebfeder der Geschichte an sich, andererseits versteht es Emma Roberts, die nach James Franco wohl das sowohl bekannteste wie auch erfahrenste Cast-Mitglied gewesen sein mag, ihrer Figur der April in jeder Szene, jeder Einstellung neue Facetten abzugewinnen und den Film, speziell wenn Kilmer und Wolff nicht zugegen sind, im Alleingang zu stemmen. Apropos Kilmer hat richtig vermutet, wer gedacht hat, dass Jack womöglich Sohn des ungleich bekannteren Val Kilmer ist, der hier auch gleich eine Rolle als Aprils Stiefvater übernommen hat, doch braucht man sich bezüglich der Größe seiner Rolle keinen Illusionen hinzugeben, da er kaum mehr als drei Sätze von sich gibt und mehr als Fan-Service und netter Gag überhaupt im Film erscheint, was übrigens schade ist, da seine herrlich spleenig angelegte Figur durchaus das Potential gehabt hätte, einen größeren Part in der Geschichte einzunehmen und näher beleuchtet zu werden.
© Alive/Capelight
Derlei Ärgernisse finden sich derweil in Palo Alto – insbesondere bei Kenntnis der Buch-Vorlage – häufiger, denn beispielsweise die Kurzgeschichte Emily – beziehungsweise zu überwiegenden Teilen die Story von Chinatown – wird in großen Teilen in einem merkwürdig traumartig erscheinenden Monolog abgehandelt, dass man sich zu fragen gezwungen sieht, ob das, was der Erzähler hier schildert, sich tatsächlich zuträgt oder zugetragen hat, was wiederum gleichsam die Kohärenz den zeitlichen Ablauf der Geschichte betreffend in Frage stellt, so dass hier nicht alles rund wirkt und Emilys spätere Reaktion beim erneuten Zusammentreffen mit besagter Person (wir spoilern hier ja nicht), ein wenig merkwürdig erscheinen lässt. Vor allem aber – und auch da sind sich Buch und Film einig, was wiederum manchem Zuschauer übel aufstoßen könnte – bleibt ein Großteil der Taten der Teenager ungesühnt, stellt sich keine Katharsis ein, folgt kein erhellender Augenblick, wie man ihn als versierter Filmeschauer erwarten würde und genauso sang- und klanglos – auch hier wieder an Die Regeln des Spiels und dessen Buch-Vorlage gemahnend – geht der Film schlussendlich auch zu Ende, hinterlässt durchaus ein Fragezeichen im Kopf, was er nun eigentlich zu vermitteln suchte, während es sich eigentlich um ein weiteres Stilmittel dafür handelt, aufzuzeigen, wie antriebslos und allen äußeren Einflüssen entfremdet diese Teenager ihr Leben führen, auf der noch nicht ganz selbst realisierten und begriffenen Suche nach Romantik und Liebe, Freundschaft und Verständnis, Ziel und Antrieb. Nein, Palo Alto wird es nicht leicht haben, sein Publikum zu finden, doch die, die dessen sperrige und ungewohnte Art der Narration zu schätzen wissen werden, finden in dieser Buch-Verfilmung ein ungewöhnliches wie sperriges Werk voller Poesie und gleichsam derber Zusammenkünfte, das ein zwar unbequemes, aber doch auf merkwürdige Art packendes wie überzeugendes Bild einer ziellos-destruktiven Generation zeichnet und sich trotz vieler dramaturgischer Plattitüden doch angenehm vom Einheitsbrei der einschlägigen Coming-of-Age-Geschichten distanziert.
Palo Alto
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Verstörende Begegnungen - 7/10
7/10
Fazit & Wertung:
Gia Coppolas Palo Alto nach der Kurzgeschichtensammlung von James Franco ist ein ungewöhnlich wie unerwartet sperriges, doch gleichsam merkwürdig poetisches Werk geworden, das mehr Wert darauf legt, das Gefühlsleben seiner Figuren offenbar werden zu lassen, denn eine wirklich originäre, geschweige denn originelle Geschichte zu erzählen. Gleichwohl gelingt es Coppola, den Kern, die Essenz des Buches von Franco einzufangen und dessen traumwandlerische Atmosphäre mit all ihrer Lethargie und Lakonie treffend für das Medium Film zu adaptieren, auch wenn man es sich zweimal überlegen sollte, dem Film eine Chance zu geben, wenn man sich eine weitere leichtfüßige Coming-of-Age-Story erhofft.
Meinungen aus der Blogosphäre:
Der Kinogänger: 7/10 Punkte
Palo Alto ist am 10.07.15 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Alive/Capelight erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
Ja, die (schockierende) Emily-Sache ist wirklich etwas verwirrend eingebaut. Ich mußte nach der Sichtung gleich mal googlen, wie das im Buch gehandhabt wurde … Auch ansonsten gehe ich d’accord (inklusive Wertung) und möchte zusätzlich erwähnen, daß mir “Die Regeln des Spiels” seinerzeit doch noch deutlich besser gefiel. :)
Ja, das Buch kannte ich ja immerhin vorher, aber die Erinnerung war dann auch nicht mehr so ausgeprägt, dass ich nicht hätte nachschlagen müssen. Apropos schockierend ist mir auch deutlich aufgefallen, dass hier doch vieles im Vergleich zum Buch verharmlost worden ist, was ich so bei der Sichtung nicht, gerade im Nachhinein dann aber gemerkt habe. Das hat zwar meine Wertung nicht beeinflusst, aber gewundert hat es mich schon, zumal man hier ja nicht von großen Studios abhängig war und sich durchaus etwas hätte trauen können. Und man würde meinen, dass wenn James Franco schon einen Teil der Finanzierung übernimmt und selbst eine Rolle in der Verfilmung seines eigenen Buches spielt, es ihn mehr interessieren würde, dass es zumindest näherungsweise werkgetreu verfilmt wird.
‘Die Regeln des Spiels’ fand ich aber auch seinerzeit deutlich besser, zählt auch heute noch zu meinen liebsten Filmen (läge wohl so im 9er-Bereich) und war sogar einen Tacken überzeugender als das zugrundeliegende Buch (das aber dennoch mein Interesse an Bret Easton Ellis begründet hat damals). Also, ‘Palo Alto’ hätte vieles (noch) besser machen können, war aber doch schon ziemlich gut.