Was für ein schöner Tag! Die gestrig eingerichteten Seiten Presse und Über mich sind gleichermaßen wohlwollend aufgenommen worden, die Besucherzahlen sind einmal mehr begeisterungswürdig gut, zwei Buch-Novitäten sind heute ebenfalls pünktlich zum Wochenende bei mir eingetrudelt und vor mir liegt nun ebenselbiges, inklusive St. Patricks Day am Sonntagabend plus ein freier Montag. Besser kann es doch eigentlich kaum sein und da passt es natürlich wunderbar, dass ich heute auf einen Film zu sprechen kommen kann, der mir doch DEUTLICH besser gefallen hat als meinem geschätzten Kollegen bullion (siehe unten bei den Meinungen aus der Blogosphäre).
Und nicht zuletzt hallt die Freude über den Veronica Mars Film immer noch nach, so dass ich nun beschwingt und fröhlich ins Wochenende starte und allen, die dies lesen, ein ebensolches Hochgefühl wünsche, wie ich es gerade verspüre.
Moonrise Kingdom
Moonrise Kingdom, USA 2012, 94 Min.
© Universal Pictures
Wes Anderson
Wes Anderson
Roman Coppola
Kara Hayward (Suzy)
Bruce Willis (Captain Sharp)
Edward Norton (Scout Master Ward)
Bill Murray (Walt Bishop)
Tilda Swinton (Jugendamt)
Jason Schwartzman (Cousin Ben)
Bob Balaban (Erzähler)
Komödie | Drama | Romantik
Trailer:
Inhalt:
Es ist das Jahr 1965 und wir befinden und auf einer kleinen Insel vor der Küste Neuenglands mit dem wohlklingenden Namen New Penzance: Entsetzt muss der Scout Master Ward des hiesigen Pfadfinderlagers feststellen, dass einer seiner Schützlinge, Sam Shakushky, desertiert ist und sich mitsamt etwas Ausrüstung und eines Luftgewehrs auf der Flucht befindet. Dahinter steckt natürlich die entflammte Leibe des zwölfjährigen Sam zu der hübschen Suzy Bishop, die sich den Manierismen ihrer exzentrischen Eltern nicht mehr gewachsen sieht und gemeinsam mit Sam ihr Heil in der Flucht sucht. Alsbald verständigt Ward den Sheriff Sharp, doch dieser nutzt zunächst die Gunst der Stunde, sich unter Vorwänden seiner heimlichen Geliebten Mrs. Bishop zu nähern.
© Universal Pictures
Bald jedoch wird auch Suzys Verschwinden offenbar und während die Pfadfinder bis an die Zähne bewaffnet die Insel nach dem Deserteur durchkämmen, schaltet sich das Jugendamt ein und Sam und Suzy sehen sich gezwungen, unerwartete Hilfe anzunehmen, um von New Penzance zu entkommen und sich ihren sehnlichsten Traum zu erfüllen: den heiligen Bund der Ehe zu schließen. Dumm nur, dass abgesehen von dem Erzähler noch niemand etwas von dem Jahrhundertgewitter ahnt, dass die Breitengrade der Insel binnen Dreitagesfrist heimsuchen wird.
Rezension:
Wes Andersons Moonrise Kingdom versprüht und atmet vom ersten Moment an pure Poesie. In weitschweifigen Kamerafahrten, untermalt von epochaler Orchestermusik wird in einer Analogie zu einem lebensgroßen Puppenhaus ein Teil der handelnden Figuren vorgestellt, während man sich alsbald im Pfadfinderlager wiederfindet, das weniger einem Sommercamp gleicht, als einem Ort, an dem Kinder Erwachsene spielen. In endlos detailverliebten Bildern webt Anderson nach und nach eine aufkeimende, zarte Liebesgeschichte zweier Zwölfjähriger, die sich, vom Leben und ihren Mitmenschen unverstanden, unweigerlich zueinander hingezogen fühlen. Jared Gilman als Sam Shakushky und Kara Hayward als Suzy Bishop laufen dabei den übrigen Schauspielern in punkto Leinwandpräsenz und Charisma spielend den Rang ab, obschon Andersons neuestes Werk einen unglaublich namhaften Cast vereint, der sich in herrlich schrullig angelegten Figuren einmal austoben darf, so dass Overacting hier nicht zum Schimpfwort zu verkommen droht, sondern sogar einer Adelung gleichkommt, denn überbordende Fantasie und übertriebene Gesten sind in der Welt von New Penzance gang und gäbe.
© Universal Pictures
So findet sich in Moonrise Kingdom auch ein Erzähler in der Szenerie, der nicht nur allerlei wissenswerte Fakten über die Beschaffenheit und Geographie der Insel zu vermitteln weiß´, sondern derweil sogar die Zukunft kennt und den Zuschauer bereits auf kommende Ereignisse vorbereitet, indem er sich in seinen Ansprachen direkt an das Publikum wendet, während er gleichsam mit den ihn umgebenden Figuren interagiert und sie auf ihrer Reise begleitet oder ihr Fortkommen kommentiert. Die Figuren indes wirken wie Abziehbilder klischeebeladener Archetypen und schwimmen dennoch gehörig gegen den Strom, während die meisten von ihnen dennoch eine spürbare Entwicklung durchmachen und das, während der unaufmerksame Pfadfinderleiter den Namen Ward trägt, der leicht einfältige wirkende Sheriff der Insel auf den Namen Sharp hört und die Dame vom Jugendamt sich selbst schlicht als Jugendamt vorstellt, ganz so, wie sie von allen Figuren mit einer herrlichen Selbstverständlichkeit ebenfalls angesprochen wird.
Hinter Ward, Sharp und Jugendamt verbergen sich indes Edward Norton, Bruce Willis und Tilda Swinton, die allesamt ihre wohl eindrücklichsten Rollen seit Jahren haben und insbesondere in der Kombination zu begeistern wissen. Ergänzt wird diese an sich schon namhafte Ansammlung durch Bill Murray und Francis McDormand als Suzy Bishops Eltern sowie Harvey Keitel als Oberpfadfinder Commander und Jason Schwartzman in einer kleinen, aber mehr als denkwürdigen Rolle. Durch diese Ansammlung skurriler Figuren ergibt sich ein ungemein spannendes Geflecht exzentrischer Figuren, die sich allesamt um Sam und Suzy zu drehen scheinen und die Geschehnisse auf New Penzance und der Nachbarinsel erst so spannend und einzigartig machen. Dabei erübrigt es sich im Grunde, auf die zahlreichen selbstreferenziellen Bezüge Andersons sowie die liebevollen Verballhornungen bekannter cineastischer Motive einzugehen, denn auch wenn Moonrise Kingdom immer wieder augenzwinkernd auf das Medium Film im Allgemeinen und die Werke des Regisseurs im Besonderen verweist, funktioniert es dennoch auch als alleinstehendes und zu betrachtendes Werk ungemein gut.
© Universal Pictures
Vor allem profitiert der Film ungemein von der Tatsache, dass seine exzentrische Entrücktheit nie als purer Selbstzweck wahrgenommen wird, sondern stets in der märchenhaft angehauchten Geschichte begründet liegt, in der alles möglich zu sein scheint und durchaus auch vieles davon eintrifft. Dabei ist Moonrise Kingdom durchzogen von einem unaufgeregten und leisen Humor, hintergründiger Symbolik und einer Herzensgüte, die ihresgleichen sucht. Noch nie zuvor habe ich die aufkeimende Liebe zweier Zwölfjähriger zueinander so glaubhaft und liebevoll, so behutsam und sensibel inszeniert gesehen und das, ohne dass die Geschichte darunter zu leiden hätte. Wes Andersons neuester Streich begeistert schlicht von der ersten bis zur letzten Minute und offenbart einmal mehr einen Blick in die wundersame Gedankenwelt Wes Andersons, die mich tatsächlich noch nie mehr berührt hat, als es hier der Fall war.
Moonrise Kingdom
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Bis an die Zähne bewaffnete Pfadfinder-Suchtrupps - 9/10
9/10
Fazit & Wertung:
Moonrise Kingdom ist an Exzentrik und Schrulligkeit kaum zu übertreffen, verliert dabei aber nie seine Figuren und vor allem die behutsam inszenierte Liebesgeschichte aus den Augen. Dabei begeistert vor allem das namhafte Ensemble, das sich vortrefflich ergänzt, ohne sich indes gegenseitig das Wasser abzugraben. New Penzance mag keine reale Insel sein, doch verspürt man nach Sichtung des Films den innigen Wunsch, sie einmal selbst besuchen zu können.
Meinungen aus der Blogosphäre:
Tonight is gonna be a large one.: 6/10 Punkte
Moonrise Kingdom ist am 27.09.12 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
DVD:
Blu-ray:
Interessant solch eine andere Meinung zu lesen. Ich finde, dass hier die “exzentrische Entrücktheit” oft durchaus an Selbstzweck grenzt und auch die “aufkeimende Liebe zweier Zwölfjähriger” fand ich eher so dargestellt, wie sie sich ein Erwachsener vielleicht vorstellt, aber nicht wie sie tatsächlich ist. Der ganze Film hatte für mich so etwas Hipster-artiges an sich. Aber ist ja schön, dass er dir gefallen hat und vielleicht hat mich der Film auf dem falschen Fuß erwischt…
Gerade dass diese Liebe so dargestellt wurde, wie sich ein Erwachsener das vorstellen würde und gerade dass die Pfadfinder sich gebärden, als würden sie zu einer bewaffneten Eingreif-Aktion aufbrechen und und und hat mir ja so gut gefallen. Ich verstehe wohl, was du meinst, aber mich hat dieser Film von vorne bis hinten begeistert und somit hat auch der vermeintliche Selbstzweck seinen Zweck erfüllt. Ich war auch sehr erstaunt, von dir nicht ähnliche Wertungen zu lesen – bin daher sehr gespannt auf eine etwaige Zweitsichtung auf dem richtigen Fuß ;-)
Die bewaffnete Eingreif-Aktion der Pfadfinder fand ich auch herrlich! Ist ja auch nicht so, als hätte ich den Film schlecht gefunden, nur eben weit nicht so gut, wie anscheinend alle anderen. Bevor es zu einer Zweitsichtung kommt, würde ich mir eher noch einmal Andersons “Die Tiefseetaucher” oder einen ganz anderen Film von ihm ansehen – die Zeit ist ja immer knapp bemessen… ;)
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich beispielsweise “Die Tiefseetaucher” noch nicht kenne und mir sein Stil deshalb (noch) nicht so plakativ und selbstzweckhaft erschien, wer weiß.
Ja, Zeit ist ein knappes Gut, davon könnte ich auch Lieder singen… ;-)
Ich habe unzählige gute Kritiken zu den Film gelesen und jetzt du auch noch. Und ich kann mich einfach nicht dazu überwinden, mir den Film anzusehen. Ich weiß nicht wieso. Es ist wirklich merkwürdig. Ich glaube, dass mir die Thematik nicht zusagt.
Die Thematik gibt im Grunde auch nicht viel her bzw. die Geschichte ist in zwei Minuten erzählt, die Inszenierung der Chose macht den ganzen Reiz aus, wenngleich man darüber ja auch geteilter Meinung ist (siehe bullion). Wenn du dich aber nicht überwinden kannst, dir den Film anzusehen, dann lasse es auch besser (erst einmal) bleiben, denn sonst erwischt er dich sicher auch auf dem falschen Fuß.