Selbstredend komme ich auch heute wieder mit einer Filmkritik daher und widme mich einem vergleichsweise aktuellen Wert, auch wenn es sicherlich ambivalent zu bewerten ist, dass solcherlei Filme direkt im Stream und nicht erst im Kino landen, gleichwohl ich persönlich ja wirklich schon seit langem kein Kinogänger mehr bin und mich folglich eher freue, so unkompliziert und zeitnah Zugriff auf solche Werke zu haben, denn empfehlenswert ist David Mackenzies neuer Film allemal.
Outlaw King
Outlaw King, UK/USA 2018, 121 Min.
© Netflix
David Mackenzie
Bathsheba Doran
David Mackenzie
James MacInnes
Aaron Taylor-Johnson (James Douglas, Lord of Douglas)
Florence Pugh (Elizabeth Burgh)
Billy Howle (Edward, Prince of Wales)
Sam Spruell (Aymer de Valence, Earl of Pembroke)
Callan Mulvey (John III Comyn, Lord of Badenoch)
James Cosmo (Robert Bruce Senior)
Stephen Dillane (King Edward I of England)
Action | Biografie | Drama | Historie | Krieg
Trailer:
Inhalt:
© Netflix
Zähneknirschend und notgedrungen unterwerfen sich 1304 die schottischen Adligen dem englischen König Edward I. und geloben erneut ihre Treue zur englischen Krone. Insbesondere Robert the Bruce kann kaum akzeptieren, vor dem verhassten König buckeln zu müssen, beugt sich aber ebenfalls der Notwendigkeit, um einen brüchigen Frieden zu gewährleisten. Kurz darauf erfährt Robert, dass König Edward für ihn die Eheschließung mit der englischen Elizabeth Burgh arrangiert hat, um das neue Bündnis zu zementieren, doch verstehen sich die Zwangsverheirateten alsbald überraschend gut. Als dann aber kurze Zeit später der vom schottischen Volk geliebte Rebell William Wallace, gefoltert, getötet und zerteilt wird, um Teile seines Körpers als Mahnung öffentlich zur Schau zu stellen, ist für Robert das Maß voll und er entschließt sich neuerdings zu einer offenen Rebellion. Kurzerhand lässt Robert sich seinerseits zum König erklären und versucht, die schottischen Adligen unter seinem Banner zu vereinen, doch auch wenn ihm anfänglich offene Skepsis und Furcht entgegenschlagen, mehren sich doch nach und nach sein Ruhm und Einfluss, auch wenn der alternde König Edward und dessen gleichnamiger Sohn, der Prinz von Wales, längst zum Gegenschlag ausholen…
Rezension:
Im Grunde kann man den jüngst bei Netflix veröffentlichten Outlaw King als innoffizielle Fortsetzung zu dem vor mehr als zwei Dekaden entstandenen Braveheart begreifen, denn hier wird statt der Geschichte von William Wallace nun die von Robert the Bruce zum Besten gegeben, der nach Wallace‘ Ableben seinerseits gegen den englischen König aufbegehrte, doch selbst wenn dem nicht so wäre, sind die Filme freilich dermaßen artverwandt, dass sich ein Vergleich schier aufdrängt. Dennoch möchte ich mir das an dieser Stelle sparen, zumal meine letzte Sichtung des Mel-Gibson-Films gut und gerne zehn Jahre zurückliegen mag und ich mich nur noch an die wirklich ikonischen Szenen gut erinnern kann. Ein Vergleich ist aber auch gar nicht vonnöten, denn der von David Mackenzie – einem Schotten übrigens – inszenierte Film weiß sowohl für sich alleinstehend zu überzeugen als auch mit einem eigenen Ansatz des Storytellings eine historisch akkurate(re) Umsetzung des Stoffes zu kreieren. Nach dem mehrfach Oscar-nominierten Hell or High Water tut Mackenzie sich hier erneut mit Chris Pine zusammen und diese Wahl erweist sich als goldrichtig, denn der charismatische Schauspieler überzeugt als stoischer, von innerer Überzeugung und Freiheitswille getriebener Rebell.
© Netflix
Aber auch sonst steht und fällt Outlaw King mit seinem Protagonisten, denn Pine ist in beinahe jeder Szene vertreten und der unbestrittene Fixpunkt in dem Historien-Epos, dessen Schauwerte mühelos auch für das Kino gelangt hätten. Nichtsdestotrotz hatte ich wiederum an anderer Stelle das Gefühl hier würde inszenatorisch auf Sparflamme gekocht werden, so dass die Scharmützel und Auseinandersetzungen teils irritierend klein ausgefallen sind, was aber auch an Roberts zunächst doch sehr überschaubarer Truppe gelegen haben mag. Das schmälert aber kaum die Faszination für das oft rohe und brutale Treiben, dem man hier beizuwohnen eingeladen wird, denn während sich insbesondere hoch budgetierte Blockbuster oft die Kritik gefallen lassen müssen, zu sauber, klinisch oder steril zu wirken, ist sich Mackenzie jederzeit bewusst, ein blutiges und dreckiges Schlachten-Epos zu inszenieren, wenngleich die Kämpfe mitnichten im Vordergrund stehen oder die Handlung des Films über Gebühr dominieren würden.
So gelingt Mackenzie hier nämlich vielmehr das seltene Kunststück, weit eher eine Art Charakter-Drama zu inszenieren, ohne auf weitschweifige Dialoge zurückgreifen zu müssen, sondern viel über Blicke, Einstellungen und Stimmungen zu transportieren, was freilich vorrangig für Pines Figur gilt, sich aber auch auf weitere Gestalten übertragen lässt. Und derer hat Outlaw King reichlich, so dass es schwerfallen dürfte, all die Prinzen, Lords und Earls auseinander zu halten, doch zumindest Aaron Taylor-Johnson (Nocturnal Animals) weiß sich hier als James Douglas auch neben Pine zu behaupten und überraschte mich gar mit einigen wahnsinnig intensiv und leidenschaftlich gespielten Szenen, während er in der Rolle gänzlich aufzugehen schien und folglich kaum wiederzuerkennen war. Als noch weitaus größerer Szenendieb entpuppte sich aber die mir bislang unbekannte Florence Pugh als Roberts Gemahlin Elizabeth Burgh, gleichwohl man einräumen muss, dass sie ohnehin schon in einem zu beinahe hundert Prozent männlichen Cast heraussticht. Insbesondere aber die Liebe zwischen Elizabeth und Robert fügt sich absolut harmonisch und organisch in die Story ein und verzichtet auf jeglichen Kitsch.
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So mag eine der großen Stärken von Outlaw King sein, dass er sich in überraschend vieler Hinsicht unerwartet zurückhält und nimmt, beinahe gänzlich auf jedwedes Pathos verzichtet und kein Interesse daran zeigt, schwülstige oder romantisch verklärte Ritter-Märchen zu erzählen, sondern sich stattdessen ganz auf die raue Wirklichkeit konzentriert. Dabei spart der Film die Gräueltaten und bitteren Verluste mitnichten aus, hat es aber auch nicht nötig, effekthascherisch draufzuhalten, was sehr für die gelungene Inszenierung des Ganzen spricht, die wirklich nur an ganz wenigen Stellen leichte Risse bekommt oder zuletzt kurz ins Kitschige abdriftet. Diese Kleinigkeiten außenvorlassend, ist Mackenzie ein ungemein atmosphärischer Historienfilm gelungen, der an vielen Stellen vielleicht nicht auf klassische Art mitreißend gestaltet worden ist (auf pathetische Motivationsreden braucht man hier nicht hoffen), in seiner Urtümlichkeit und Schnörkellosigkeit allerdings ganz andere Stärken betont und unterstreicht, dass dieses Aufbegehren gegen die englische Krone mitnichten etwas von romantischem Rittertum hatte, sondern einem entbehrungsreicher Marsch durch Blut, Schlamm und Dreck entsprach, derweil die Geschichte selbst dem Regisseur und Co-Autor hier das passende Happy-End geliefert hat.
Outlaw King
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Erbitterte Auseinandersetzungen zwischen Schotten und Engländern - 8/10
8/10
Fazit & Wertung:
Zweifellos wäre David Mackenzies Outlaw King für die Kinoleinwand geradezu prädestiniert gewesen, doch entfaltet die ruhige brodelnde Anziehungskraft des Films ihren Reiz auch auf der kleinen Leinwand, während insbesondere Chris Pine als Robert the Bruce in einer zwar wortkargen, aber durchaus feinsinnig gezeichneten Charakterstudie überzeugt. Brachiale Schlachtenszenen, hochwertige Produktion und die gewohnt schöne schottische Landschaft tun hierbei ihr Übriges.
Outlaw King ist seit dem 09.11.18 exklusiv bei Netflix verfügbar.