Eigentlich habe ich mir ja vorgenommen, nicht zwei Filme hintereinander mit ein und demselben Darsteller zu besprechen, aber jetzt ist es doch ausnahmsweise mal passiert, nämlich mit Ben Foster, der hier wie auch in dem am vergangenen Freitag vorgestellten Film zwei gleichermaßen großartige Leistungen abliefert. Auf alle Fälle jetzt erst einmal viel Spaß mit der Lektüre meiner neuesten Film-Kritik.
Hell or High Water
Hell or High Water, USA 2016, 102 Min.
© Universal Pictures/Paramount
David Mackenzie
Taylor Sheridan
Gil Birmingham (Alberto Parker)
Krimi | Drama | Thriller | Western
Trailer:
Inhalt:
© Universal Pictures/Paramount
Der geschiedene Toby Howard hat unter akuten Geldsorgen zu leiden, denn nicht damit genug, dass seine jüngst verstorbene Mutter einen Haufen Schulden bei der Bank angehäuft hat, ist es ihm kaum möglich, Unterhaltszahlungen an seine Frau zu leisten, geschweige denn, die kurz vor der Zwangsversteigerung stehende Farm zu retten, die er geerbt hat. In seiner Verzweiflung fasst Toby einen aberwitzigen Plan und schickt sich an, gemeinsam mit seinem vor krimineller Energie strotzenden Bruder Tanner eine ganze Reihe Banken auszurauben und so das nötige Kleingeld zusammenzubekommen. Die Howard-Brüder stellen sich hierbei gar vergleichsweise clever an und konzentrieren sich auf Kleinbeträge, die nicht markiert sind und folglich nicht verfolgt werden können, ganz davon abgesehen, dass sie einzig das Kreditinstitut um sein Geld erleichtert, bei dem Toby selbst in der Kreide steht. Ein kurz vor der Pensionierung stehender, aber immer noch ungemein ambitionierter Texas Ranger namens Marcus Hamilton allerdings droht den Jungs einen Strich durch die Rechnung zu machen und heftet sich gemeinsam mit seinem Partner Alberto an die Fersen der Kleinganoven, deren Masche er schnell durchschaut zu haben meint…
Rezension:
Bereits anlässlich meiner Rezension zu Wind River hatte ich angekündigt, mich auch noch Hell or High Water widmen zu wollen, da diese beiden Filme zusammen mit dem gefeierten Sicario die inoffizielle American-Frontier-Trilogie des Drehbuchautors Taylor Sheridan bilden, der hier das Skript beigesteuert hat, während Indie-Regisseur David Mackenzie – der mir persönlich durch Young Adam und Perfect Sense ein Begriff gewesen ist – sich an der Inszenierung des Ganzen versuchen durfte. Dabei ist es aber meinem Empfinden nach weit weniger Mackenzie, der dem Geschehen seinen Stempel aufzudrücken weiß, sondern vielmehr der Erzählton eines Sheridan, der tatsächlich auch hier durchscheint und seine drei Film-Drehbücher eng miteinander verzahnt, ohne dass diese sich vordergründig ähneln würden.
© Universal Pictures/Paramount
So schafft Hell or High Water eine gleichermaßen klassische wie beinahe schon archaisch anmutende Ausgangssituation, die nirgends so gut als Western der Neuzeit hätte funktionieren können wie eben in Texas, wo allein Cowboy-Hüte nie aus der Mode zu kommen scheinen, von der der Bewaffnung der Zivilbevölkerung ganz zu schweigen. Nichtsdestotrotz reicht auch hier die simple Prämisse eines Bankräuber-Duos aus, um das Geschehen an Fahrt aufnehmen zu lassen, zumal die Geschichte nach und nach um weitere Facetten und neue Erkenntnisse ergänzt wird. Mitverantwortlich für den Verve des Gezeigten ist hier aber gleichsam nicht nur die gelungene Inszenierung an sich, sondern auch die Unterstützung der Bilder durch den von Musiker und Gelegenheits-Autor Nick Cave sowie Warren Ellis zusammengestellten Soundtrack, der die bewusst trostlose und karge Landschaft gekonnt veredelt. Denn auch wenn es zunächst einmal um eine Reihe Banküberfälle gehen mag, schwingt in Sheridans Werk auch hier wieder eine gehörige Spur Sozialkritik mit und liefert im selben Atemzug eine nachvollziehbare Motivation für den von Chris Pine (Wonder Woman) doch überraschend zurückgenommen agierenden Toby.
Ganz im Gegensatz dazu gibt Ben Foster (Feinde – Hostiles) mit Hingabe und Freude als dessen Bruder Tanner die draufgängerische Rampensau, die allerdings durch ihre Kombination aus Jähzorn, Melancholie und unbedingter Bruderliebe funktioniert, obwohl man meinen könnte, gerade in der ungleichen Art der Brüder habe man es mit einem wandelnden Klischee zu tun. Überhaupt lebt Hell or High Water im Grunde von der gelungenen Aneinanderreihung bekannter Versatzstücke, die sich hier trotzdem zu etwas eigenständigem und überzeugenden zu verbinden wissen. Hier reiht sich freilich auch der überschaubar konzipierte, aber dennoch mit einigen Überraschungen aufwartende Plot ein, denn einen Texas Ranger wie den von Jeff Bridges (Kingsman: The Golden Circle) verkörperten Marcus Hamilton hat man ebenfalls schon Dutzende Male gesehen, derweil es der markigen Ader von Bridges zu verdanken ist, dass man dessen widerstreitende Gefühle ihm trotzdem abkauft. Ihm zur Seite steht dazu noch Gil Birmingham (Banshee) als dessen Partner Alberto Parker, dem es sichtlich schwerfällt, den gar nicht mal so unterschwellig rassistischen, zynisch gewordenen Griesgram im Zaum zu halten und dessen Manierismen hinzunehmen.
© Universal Pictures/Paramount
Die große – oder vielleicht größte – Stärke von Hell or High Water ist es dabei, Empathie und Sympathie für beide Seiten zu vermitteln, denn das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Texas Ranger(n) und Bankräuber(n) ist im Grunde ein alter Hut, doch trifft Sheridan hier so wahnsinnig viele Zwischentöne, vermag Mackenzie das stilistisch so gelungen in das Setting des von der Rezession gebeutelten Texas zu verorten, dass man wahrlich das Gefühl hat, einem außergewöhnlichen Film beizuwohnen, obwohl der doch gern generischen Schemata folgt. Dennoch weiß er sie bei aller Konsequenz und teils sogar Vorhersehbarkeit an genau den richtigen Stellen aufzubrechen und eigene Wege zu gehen, dass es eine Freude ist. So kam für mich das vorgezogene Finale des Films teils überraschend, teils erschreckend, derweil die eigentliche Katharsis oder Konklusion ganz anders verläuft, als man das meinen würde, zumal die beiden Hauptdarsteller Pine und Bridges hier noch einmal mit nuanciertem Spiel zu glänzen verstehen. Entsprechend vermag das Team wahnsinnig viel aus der eigentlich recht überschaubaren Geschichte herauszudestillieren und liefert gelungenstes Darsteller-Kino im Gewand eines modernen Western.
Hell or High Water
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Halbgar geplante Banküberfälle - 8.5/10
8.5/10
Fazit & Wertung:
David Mackenzie inszeniert mit Hell or High Water auf Basis eines Drehbuchs des gefeierten Taylor Sheridan einen überaus gelungenen modernen Western in einem sorgsam herausgearbeiteten Setting, dessen größte Stärke bei der geradlinig und überschaubar skizzierten Geschichte in den Ausnahmeleistungen des Darsteller-Ensembles liegt, deren nuancierte Darstellung für sämtliche Figuren gehörige Sympathie aufkommen lässt, was zur enormen Wirkkraft der gleichermaßen fatalistisch wie ambivalent gestalteten Story beiträgt.
Hell or High Water ist am 03.08.17 auf DVD und Blu-ray bei Paramount im Vertrieb von Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!