Heute mal eine recht spontan eingeschobene Serien-Rezension zu einer Produktion, die mich zwar nicht gänzlich überzeugen konnte, aber durchaus so ihre Momente hat und vor allem angenehm kompakt geraten ist – auch wenn sie dafür zu viele Themen zu behandeln versucht.
Verräter
Traitors, UK 2019, ca. 47 Min. je Folge
© Netflix
Bathsheba Doran
Dearbhla Walsh (#1-3)
Alex Winckler (#4-6)
Bathsheba Doran (#1-3, 5)
Emily Ballou (#4)
Tracey Scott Wilson (#5)
Emma Appleton (Feef Symonds)
Keeley Hawes (Priscilla Garrick)
Michael Stuhlbarg (Rowe)
Luke Treadaway (Hugh Fenton)
Stephen Campbell Moore (Phillip Jarvis)
Matt Lauria (Peter McCormick)
Brandon P Bell (Jackson Cole)
Simon Kunz (Herbert Quick)
Greg McHugh (David Hennessey)
Albert Welling (Brigadier Moss)
Jamie Blackley (Freddie Symonds)
Phoebe Nicholls (Frippy Symonds)
Owen Teale (St John Symonds)
Benjamin Walker (Jimmy Derby)
Drama | Historie | Thriller
Trailer:
Inhalt:
© Netflix
Feef Symonds, eine energische und zielstrebige Frau in ihren Zwanzigern, trachtet danach, etwas aus sich zu machen und träumt von Abenteuern und Reisen, doch kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges besteht kein Bedarf an einer frisch ausgebildeten Spionin, zumal man in London die Damen ohnehin lieber wieder zum heimischen Herd zurückkehren sehen würde. Feef ergattert einzig einen Büro-Job in der öffentlichen Verwaltung, doch von ihrem amerikanischen Freund Peter McCormick wird sie an das amerikanische OSS (Office of Strategic Services) empfohlen und deren Londoner Abteilungsleiter Rowe wirbt sie schließlich an, als Spionin in den eigenen Reihen zu fungieren, da man von amerikanischer Seite eine Unterwanderung der britischen Regierung fürchtet, die nach der Absetzung von Winston Churchhill als Premier und dem für viele unerwarteten Linksruck in der Politik ohnehin auf wackligen Beinen steht. Doch die zwar engagierte, aber auch unerfahrene Feef ist längst nicht die einzige Spionin und so manche Partei versucht ihren Einfluss geltend zu machen und Vorteile aus der Situation zu ziehen…
Rezension:
Kurz nach dem Start der ersten Staffel The Witcher schrieb jemand bei Twitter, er würde sich umgehend ein Spin-off zu Prinzessin Renfri ansehen, würde so eines produziert werden und da ich mich dem vorbehaltlos habe anschließen können, tat ich das Zweitbeste und begab mich auf die Suche nach weiteren Produktionen mit Renfri-Darstellerin Emma Appleton. Dabei stieß ich recht fix – IMDb sei Dank – auf die britische Produktion Traitors, die zu meinem großen Glück hierzulande unter dem Titel Verräter exklusiv bei Netflix vertrieben wird. Und hier schlüpft Appleton in die Rolle der ambitionierten Feef Symonds, die im Zentrum einer klassischen Agenten-Story steht, welche im Nachkriegsengland angesiedelt worden ist. Der Fokus ist dabei geschickt gewählt, zumal sie eben nicht vom ersten Moment an als abgebrühte Femme fatale daherkommt, sondern mit entwaffnender Naivität zu Werke geht. Und auch die Prämisse und die historische Verortung können sich sehen lassen und entführen in eine zweifellos spannende Epoche, doch leider verheddert man sich thematisch und inhaltlich dann doch zusehends, wodurch die Serie weit weniger packend und begeisterungswürdig gerät, als sie es hätte werden können.
© Netflix
Das beginnt schon damit, dass Motivation, Beweggründe und Innenleben der Hauptfiguren kaum skizziert werden und sie doch recht unmittelbar in ein politisches Wirrwarr katapultiert werden. Und ausgerechnet bei Hauptfigur Feef fragt man sich in weiterer Folge dann so manches Mal, warum sie überhaupt tut, was sie tut, sofern sie nicht gerade von äußeren Einflüssen gezwungen oder zumindest unter Druck gesetzt wird. Ganz ähnlich verhält es sich aber auch bei dem von Michael Stuhlbarg (Boardwalk Empire) verkörperten Rowe, dessen Doppelzüngigkeit und Manipulationstalent zwar schnell offenbar werden, wohingegen seine ureigenen Beweggründe für sein Handeln im Verborgenen bleiben. Nun könnte man meinen, bei einem Spionage-Thriller wären solche persönlichen Befindlichkeiten getrost zu vernachlässigen, doch geht das eben spürbar zulasten des Identifikationspotentials. Andernorts wird dann beispielsweise eine Figur von den Geistern ihrer Vergangenheit heimgesucht, doch ebenso schnell, wie das Thema aufkommt, ist es dann auch wieder vergessen, während man sich ansonsten nach Herzenslust an Klischees bedient, wenn es gilt, eine bestimmte Motivation zu etablieren.
Schlimmer aber noch, als dass man in diesem als Miniserie konzipierten Sechsteiler den Figuren nicht wirklich nahezukommen schafft, ist das erzählerische Wirrwarr. So wirkt Verräter in seiner Summe reichlich überladen, denn neben der eigentlichen Spionagetätigkeit und den persönlichen Schicksalen der Beteiligten geht es nicht einmal nur um Politik und Parteidenken, wirtschaftliche Abwägungen und Ziele der Regierung, sondern darüber hinaus gleich noch um die Palästinafrage, Rassismus, die zunehmende Emanzipation der Frauen und dergleichen mehr. Zweifelsohne alles wichtige und erzählenswerte Themen, doch wirken die gerade einmal sechs Episoden inhaltlich und thematisch dadurch so dermaßen überfrachtet, dass nicht nur der Zuschauer, sondern auch die Autoren die Übersicht zu verlieren drohen. Das ist insofern bedauerlich, da die Channel-4-Produktion – lediglich die internationale Ausstrahlung obliegt Netflix – überaus ambitioniert daherkommt und auch vieles richtig macht.
© Netflix
Für sich verbuchen kann Verräter nämlich nicht nur gelungene Kostüme, Settings und eine überzeugende Darstellerwahl, die mit einer Kombi aus eher unbekannten, frischen Gesichtern, aber auch namhaften DarstellerInnen glänzt, zu denen hier auch Keeley Hawes (Bodyguard) zählt, deren Figur der zugeknöpften Priscilla Garrick erst im weiteren Verlauf an Bedeutung und Tragweite gewinnt, sowie – wenn auch in einer kleinen Rolle – Benjamin Walker (Im Herzen der See) als Jimmy Derby. Vor allem aber punktet die Serie mit einem ihr eigenen und überzeugenden Look, der einerseits viel mit schräg gestellten Kamera-Perspektiven und szenischer Unschärfe arbeitet, andererseits in mancher Einstellung das Gefühl erzeugt, man blicke auf eine miniaturisierte Welt, was eine merkwürdige wie faszinierende Atmosphäre ergibt. Auch der Vorsatz, zu Beginn und Ende einer jeden Folge das durchaus prophetische Lied There is Mean Things Happening in This Land zu bemühen, weiß zu gefallen und so macht die von Bathsheba Doran kreierte Produktion zwar in vielen Punkten einen wertigen Eindruck, schafft es aber oft nicht, eine stringente Narrative zu finden und sich und dem etablierten – oder angestrebten – Stil treu zu bleiben.
Verräter
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Spione und Verräter in den eigenen Reihen - 6.5/10
6.5/10
Fazit & Wertung:
Die Channel-4-Miniserie Verräter punktet in ihren sechs Episoden zwar mit gelungener Prämisse und überzeugender Besetzung, schafft es in den Wirren der Nachkriegszeit aber nicht, einen klaren Fokus zu setzen und verzettelt sich so in einer Mischung aus altmodischem Spionage-Thriller und historischem Polit-Drama, was das Geschehen oft überfrachtet und unübersichtlich wirken lässt.
Episodenübersicht:
02. Hugh (6,5/10)
03. Priscilla (7/10)
05. Jackson (7/10)
06. Ich bin es (6,5/10)
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Verräter ist seit dem 29.03.19 exklusiv bei Netflix verfügbar.