Auch heute gibt es freilich noch eine letzte Filmkritik für dieses Jahr und es hätte meines Erachtens kaum einen schöneren Abschluss geben können, als dass ich mich nun endlich auch dem vielfach gefeierten Mandy widme, zumal es sich hierbei – wie ich gerade mit Erstaunen und Freude zur Kenntnis nahm – gleichsam um den insgesamt 2.800. Artikel hier auf dem Blog handelt. Besser kann das Filmjahr 2018 für mich ja also quasi gar nicht zu Ende gehen, auch wenn ich jetzt nicht mit Höchstwertungen um mich schmeiße und den nächsten Kultfilm erkenne, als der er von vielen bezeichnet wird.
Mandy
Mandy, USA/BE/UK 2018, 121 Min.
© Koch Media
Panos Cosmatos
Panos Cosmatos
Aaron Stewart-Ahn
Nicolas Cage (Red Miller)
Andrea Riseborough (Mandy Bloom)
Linus Roache (Jeremiah Sand)
Ned Dennehy (Brother Swan)
Olwen Fouéré (Mother Marlene)
Richard Brake (The Chemist)
Bill Duke (Caruthers)
Action | Horror | Thriller
Trailer:
Inhalt:
© Koch Media
In einem ländlichen, inmitten eines ausgedehnten Waldes liegenden Kaff leben 1983 Red und seine Frau Mandy ein genügsames, aber erfüllendes Leben und während er sich als Holzfäller verdingt, vergräbt sich Mandy vorzugsweise in ihre Bücher und hilft zuweilen in der örtlichen Tankstelle aus, während ihr eigentliches Domizil noch einmal fernab jeglicher Nachbarn im verschlafenen Wald liegt. Eines Tages allerdings kreuzt eine Art Sekte rund um den selbsternannten Messias Jeremiah Sand den Weg von Mandy und Jeremiah setzt es sich prompt in den Kopf, sie seiner Menagerie hinzuzufügen. Unter Aufbietung vermeintlich dämonischer Mächte startet die Sekte einen nächtlichen Überfall und entführen Mandy, während Red nur tatenlos zusehen kann. Der Leidensweg des wortkargen Eigenbrötlers Red nimmt damit allerdings erst seinen Anfang und schlussendlich wird er sich gezwungen sehen, mit selbst geschmiedeter Waffe und einer gehörigen, koksinduzierten Dosis Mut zu einem beispiellosen Rachefeldzug aufzubrechen…
Rezension:
Wie so viele habe ich der DVD- beziehungsweise Blu-ray-Veröffentlichung des bei den Filmfestspielen in Cannes mit fünfminütigen Standing Ovations bedachten Mandy entgegengefiebert und einzig die zurückliegenden Weihnachtsfeiertage standen dem Anspruch entgegen, noch weit früher über diesen Ausnahmefilm berichtet zu haben. Schließlich war hier von nichts weniger als einem furiosen Comeback für Nicolas Cage die Rede, während Aufmachung, Promotion, Trailer und Cover für eine großartige Huldigung an das 1980er-Jahre-Horror- und Splatter-Genre sprachen und wie ein weiterer Vertreter des "Grindhouse Noir"-Genres – wie ich es mal spontan nennen möchte – wirkte. Und tatsächlich ist Panos Cosmatos in seinem zweiten Spielfilm ein zumindest visuell regelrecht einzigartiges Erlebnis gelungen, das sicherlich einige Anhänger und Verehrer finden wird, derweil schon im Vorfeld klargewesen sein dürfte, dass die eigentliche Handlung eher dürftig und auch nicht sonderlich relevant ausfallen dürfte, was sich ebenfalls bei der Sichtung schnell bestätigt.
© Koch Media
Damit kommen wir aber auch gleich zum größten Kritikpunkt, den ich bei Mandy anführen kann und möchte, denn grundsätzlich hat mir dieses surrealistisch-übersteuerte, wortwörtlich phantasmagorische Treiben extrem gut gefallen, doch durch den Umstand, dass die Handlung sich in drei kurzen Sätzen zusammenfassen lässt, erscheint die Laufzeit von knapp über zwei Stunden doch etwas überambitioniert und tatsächlich schleicht sich insbesondere in der ersten Hälfte einiges an Leerlauf ein. So hätte ich mir ausnahmsweise einmal nicht gewünscht, der Film wäre noch länger gegangen, um mich länger zu fesseln und zu begeistern, sondern hätte hier zugunsten einer strafferen und stringenteren Erzählung votiert, um das ansonsten souverän inszenierte Treiben noch griffiger und packender zu gestalten. Überhaupt unterteilt sich Cosmatos‘ Werk spürbar in zwei große Teile (auch wenn es noch einige weitere Unterteilungen in einer Art Kapitelform gibt), so dass wir hier im Grunde eine gute Stunde lang dem farbverfälschten und auf alt getrimmten Arthouse-Kino frönen, dass mit wenig Dialog und Handlung, einzig über Atmosphäre, Blicke, Kameraeinstellungen und kurze Dialogfetzen transportiert wird, was für sich genommen durchaus funktioniert, für meinen Geschmack aber in einem (zu) krassen Kontrast zu dem sich in der zweiten Hälfte entspinnenden Rache-Wahnsinn steht, bei dem dann auch endlich Nicolas Cage (Drive Angry) richtig aufdrehen darf, nachdem er in der ersten Hälfte kaum mehr als eine Randerscheinung darstellt, wie ich irritiert feststellen musste.
So haben die vielen Vorschusslorbeeren und Lobpreisungen für den Film dazu geführt, dass ich zwar den rudimentären Plot um die Sekte wie auch die Einführung der Figuren Red und Mandy durchaus genießen konnte, doch mit verstreichender Laufzeit immer öfter und unruhiger im Sessel hin und her rutschte mit der bangen Frage im Kopf, wann es "denn nun endlich losgehen würde". Versteht mich nicht falsch, es ist nicht so, dass in der ersten Hälfte nichts passieren würde, denn auch hier verbirgt sich bereits harter Tobak und die Erzählung ist sicherlich vonnöten, um überhaupt den Ausgangspunkt für Reds Rache-Plot zu bilden. Dennoch wäre hier ein bisschen weniger meines Erachtens mehr gewesen, während sich Cosmatos ein wenig zu sehr darin gefällt, traumwandlerisch langgezogene, irritierende wie verstörende Sequenzen zu realisieren, die allesamt gut und atmosphärisch gelungen sind, die Geschichte aber teils wirklich kaum voranbringen. Immerhin, dadurch wissen sowohl Andrea Riseborough (Nocturnal Animals) als Mandy wie auch Linus Roache als Jeremiah Sand enorm zu glänzen, zumal sich die Geschichte zunächst auf diese beiden Figuren fokussiert und in eine großartige, ebenfalls bewusst surreal gehaltenen Plansequenz mündet, in der ihrer beider Wesen quasi zu verschmelzen scheint. Umso wuchtiger fällt Mandy dann aber auch aus, wenn die zweite Hälfte ihren Anfang nimmt und der Kontrast und die damit verbundene Wirkung könnten kaum größer sein, zumal es hier gleich zu Beginn eine Szene mit Nicolas Cage gibt, die den wandlungsfähigen Mimen prompt in aller durch Mark und Bein gehenden Großartigkeit zeigen, weshalb ich gerne unterschreiben mag, dass dieser Film womöglich sein Comeback markieren könnte. Darstellerisch ist zugegebenermaßen wenig gefordert, doch die Art und Intensität, mit der sich Cage der Verkörperung des innerlich gebrochenen Red widmet, sucht wahrhaft ihresgleichen.
© Koch Media
In gleichem Maße, wie mich also die erste Hälfte Mandy fasziniert hat, konnte mich die zweite Hälfte mitreißen und in der Summe ergibt das schon ein recht formidables Filmerlebnis, nur macht es sich das Werk – sicherlich auch gewollt – schwer, seine Nische zu finden und wer sich einen lupenreinen Slasher erwartet, könnte von der ersten hälfte zeitweise gelangweilt sein, derweil sich die Arthouse-Fraktion an dem Geschnetzel im zweiten Teil stören könnte, zumal dem Treiben hier ohnehin mit Logik und kausalen Zusammenhängen kaum noch zu kommen ist, wenn sich Red in waffenstarrendem Alleingang gleich mehrere Kämpfe liefert, die nicht von ungefähr ein wenig an Boss-Kämpfe aus einschlägigen Computerspielen erinnert. So bewegt man sich gute zwei Stunden durch eine alptraumhafte und entrückt wirkende Szenerie und darf beobachten, wie sich drogeninduzierte Realitätsverluste mit der filmischen Handlung vermischen und das Geschehen in einen Film gewordenen LSD-Trip wandeln, bei dem man schlussendlich selbst nicht mehr weiß, ob das imaginierte Heldenreise oder wahrgewordener Rachefeldzug in bester Trash-Manier geworden ist, doch was bleibt, ist die Erinnerung an Cages‘ vor Wahnsinn glühende Augen und allein die hallt nicht nur lange nach, sondern lohnt quasi allein schon diesen surrealen Trip, dessen größte Stärke es sicherlich ist, mit so ziemlich allen Konventionen zu brechen, auch wenn ihm das mal mehr, mal weniger gut zu Gesicht steht.
Mandy
-
Unter enormem Drogeneinfluss ausgetragene Zweikämpfe - 8/10
8/10
Fazit & Wertung:
Der von Panos Cosmatos imaginierte und realisierte Mandy ist eine phantasmagorische Reise in die persönlichen Höllenkreise des Holzfällers Red, dem Nicolas Cage mit beeindruckender Intensität Körper und Stimme leiht, doch so sehr ich dieses surrealen, Film gewordenen Drogenrausch genossen habe und dessen inszenatorische Finesse zu schätzen weiß, hätte die ohnehin schon rudimentäre, sich eher auf Sinneseindrücke und Andeutungen stützende Handlung durchaus noch gestrafft werden können, um ein noch eindringlicheres Filmerlebnis zu liefern. Allein in seiner selbstsicheren Einzigartigkeit, die sich allen Erwartungen und Konventionen verwehrt, ist dieser Rache-Trip aber ohne Frage eine echte Empfehlung für Freunde des eher abseitigeren Kinos, auch wenn sich mir das proklamierte Kult-Potential dann zugegebenermaßen noch nicht ganz erschließen wollte.
Mandy ist am 29.11.18 auf DVD und Blu-ray bei Koch Media erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!