Review: The Aeronauts (Film)

Kommen wir heute zu einem der letzten Filme, die ich mir Ende des vergangenen Jahres angesehen habe. Und dass selbiger jetzt erst seinen Platz an dieser Stelle zugewiesen bekommt, sagt einiges darüber aus, mit welchem Vorlauf ich momentan agiere, auch wenn dieser derzeit rapide zu schwinden droht.

The Aeronauts

The Aeronauts, USA/UK 2019, 100 Min.

The Aeronauts | © Amazon Studios
© Amazon Studios

Regisseur:
Tom Harper
Autor:
Jack Thorne

Main-Cast:
Felicity Jones (Amelia Wren)
Eddie Redmayne (James Glaisher)
in weiteren Rollen:
Himesh Patel (John Trew)
Tom Courtenay (Arthur Glaisher)

Genre:
Abenteuer | Biografie | Drama

Trailer:

 

Inhalt:

Wissenschaftler James Glaisher glaubt fest daran, das Wetter vorhersagen zu können, wenn es ihm nur gelingen würde, mit einem Ballon so weit emporzusteigen, dass er wichtige Erkenntnisse über das Klima, die Atmosphäre, Luftströmungen und Temperaturentwicklungen gewinnen könnte. Von seinen Kollegen wird er für seine Fantastereien belächelt und niemand ist bereit, seine Forschungen zu unterstützen. Hilfe findet er letztlich bei der Ballon-Pilotin Amelia Wren, die sich bereit erklärt, ihn zu begleiten und noch dazu in ungeahnte Höhen von mehr als 23.000 Fuß emporzusteigen, womit sie den Weltrekord der Franzosen brechen würden. Am 5. September 1862 brechen Glaisher und Wren unter dem Jubel einer begeisterten Menge zu einer Expedition auf, die zwar keine zwei Stunden dauern würde, sich aber binnen Minuten zu einem wahren Höllenszenario zu entwickeln imstande wäre. Denn je höher der Ballon steigt, umso tiefer sinken die Temperaturen und insbesondere der Theoretiker Glaisher unterschätzt dabei von vornherein, wie sich die zunehmend dünner werdende Luft auf ihn und sein Gehirn auswirken würden…

Rezension:

Für mich relativ unverhofft trudelte am 20. Dezember The Aeronauts bei Amazon Prime ein und es sollte nicht lange dauern, bis ich dem Film Zeit und Aufmerksamkeit widmen würde. Kein Wunder indes, dass er sich nunmehr exklusiv bei Prime wiederfindet, handelt es sich schließlich auch um einen von Amazon produzierten Film, gleichwohl ursprünglich eine Kinoveröffentlichung im Januar in Aussicht gestellt worden ist (für einzelne Kinos aber dennoch zu gelten scheint). Auch hier soll das Für und Wider, Filme direkt im heimischen Streaming-Dienst zu verheizen, nicht Thema der Besprechung sein, derweil ich froh bin, ihn dergestalt früher und in famosem 4K erlebt haben zu dürfen. Die Hintergründe des Films basieren dabei auf wahren Begebenheiten, wobei man das nicht zu genau und wörtlich nehmen sollte und dieser Umstand auch Anlass zu Diskussionen gibt, weshalb ich froh bin, dass man sich zumindest nur auf ein "inspired by true events" geeinigt hat und nicht etwa behauptet, es hätte sich so zugetragen. Überhaupt verstehe ich nicht ganz, weshalb man einen an die Realität angelehnten Film zu erzählen trachtet, wenn man dann doch so gravierend von den Tatsachen abzuweichen müssen meint, denn als von der Geschichte losgelöster Abenteuerfilm hätte er tatsächlich eine weitaus bessere Figur gemacht beziehungsweise sähe sich nun weit weniger der Kritik ausgesetzt.

Szenenbild aus The Aeronauts | © Amazon Studios
© Amazon Studios

Die Ballonfahrt, die hier Thema des Films sein darf, hat sich nämlich tatsächlich zugetragen und fand auch am 5. September 1862 statt, mit dem feinen Unterschied allerdings, dass zwar der theoretische Wissenschaftler James Glaisher in die Lüfte stieg, jedoch nicht in Begleitung von Amelia Wren, sondern dem erfahrenen Piloten Henry Tracey Coxwell, der hier – logischer- und konsequenterweise – ganz und gar der dramaturgischen Schnittschere zum Opfer gefallen ist. Amelia Wren hingegen gab es nie und die Figur soll inspiriert sein von gleich drei mehr oder minder namhaften Damen der Luftfahrt, die da wären Sophie Blanchard, Margaret Graham und – der Name lässt es bereits erahnen – Amelia Earhart. Tom Harper begründet seinen Entschluss, Coxwell durch Wren zu ersetzen damit, dass es "mehr starke, brillante und interessante weibliche Charaktere" brauche, was natürlich grundsätzlich richtig und begrüßenswert sein mag, meines Erachtens aber nicht unbedingt der ausschlaggebende Grund sein sollte, hier eine historische Figur einfach auszutauschen, gleichwohl es der Figurenkonstellation und damit Dramaturgie unbestreitbar nützt, wie man im fertigen The Aeronauts wird erleben können. Nichtsdestotrotz spricht Harper weiter von "geschlechtsspezifischen Verzerrungen", die es wiedergutzumachen gilt, wobei er natürlich genau dies – nur eben im umgekehrten Sinne – ebenfalls praktiziert.

Ich für meinen Teil bin derweil extrem glücklich mit der Besetzung von Felicity Jones und ihrer Figur, empfinde aber die geschilderte Konstellation dennoch als unglücklich, weil der Film praktiziert, was er kritisiert und sich damit angreifbar macht, was in Anbetracht der auch ansonsten dramaturgisch überspitzen Geschichte nicht hätte sein müssen, wenn man ein von vornherein als fiktiv gelabeltes Werk zu vermarkten gesucht hätte. Genug aber der Hintergründe, die vielleicht auch ein wenig Aufschluss darüber liefern, weshalb The Aeronauts vielerorts nicht gerade Bestwertungen hat einfahren können. Denn von genannten Faktoren abgesehen, ist Tom Harper ein überaus überzeugender Abenteuerfilm beziehungsweise letzthin gar Survival-Thriller gelungen, der nicht nur von seinen fähigen Hauptdarstellern und deren Talent zehrt, sondern auch optisch und inszenatorisch zu glänzen weiß. In den Hauptrollen finden sich hier nach Die Entdeckung der Unendlichkeit ein weiteres Mal Eddie Redmayne und Felicity Jones zusammen und wissen jeweils für sich, aber auch im Zusammenspiel mit einer hochemotionalen und eindringlichen Darbietung zu überzeugen. Als weiterer Hauptdarsteller darf aber auch der Ballon selbst gelten, der es einerseits ermöglicht, die Variation eines Kammerspiels in luftiger Höhe zu erzählen und mit dem sich andererseits Jones und Redmayne tatsächlich in die Lüfte erhoben haben (wenn auch nicht so hoch, wie Glaisher und Coxwell seinerzeit), um – soweit möglich – quasi an "Originalschauplätzen" zu drehen.

Szenenbild aus The Aeronauts | © Amazon Studios
© Amazon Studios

Diese Hingabe und Einsatzbereitschaft merkt man dann tatsächlich auch dem Endprodukt an und The Aeronauts sieht teilweise wirklich spektakulär gut aus. Ein weiterer Clou ist es, die Geschichte an Bord des Ballons über den Film hinweg in Echtzeit zu erzählen, denn wenn man sich dann einmal vor Augen führt, binnen welch kurzer Zeitspanne die Geschehnisse von erhebend zu bedrohlich zu faszinierend zu fatalistisch wechseln, kann man schon einen recht guten Eindruck gewinnen, wie es dem Wissenschaftler und dem Piloten in der Realität damals ergangen sein muss. Im letzten Drittel mag zwar die Spannungskurve beziehungsweise der Handlungsablauf in Sachen Realismus einer reißerisch überhöhten Variation der Ereignisse weichen, treibt dafür aber auch noch einmal unerwartet den Puls in ungeahnte Höhen und so wusste mich der Film emotional auf alle Fälle abzuholen, auch wenn man erzählerisch manchen Abstrich in Kauf nehmen muss und insbesondere die immer wieder eingestreuten Rückblenden mehr nach Schema F produziert schienen, als ähnlich überzeugend daherzukommen wie die eigentliche Haupthandlung. Entsprechend kann und möchte ich den Film durchaus jedem wärmstens ans Herz legen, wenn man denn davon Abstand bereit zu nehmen ist, eine historisch verbriefte Geschichte erzählt zu bekommen, denn dafür nimmt sich Harper schlichtweg zu viele Freiheiten heraus, die sich nicht nur auf die fiktionale Figur der Amelia Wren beschränken, sondern auch die Abläufe im letzten Drittel des Films betreffen. Als optisch eindrucksvoller und dramaturgisch eindringlicher Abenteuerfilm allerdings überzeugt das Werk auf ganzer Linie.

Fazit & Wertung:

Mit The Aeronauts tut sich Regisseur Tom Harper nicht unbedingt einen Gefallen, denn durch den Ansatz, einerseits eine geschichtlich verbriefte Geschichte erzählen zu wollen und andererseits teils gravierende Änderungen vorzunehmen, macht er sich und seinen Film in vielerlei Hinsicht kritisier- und angreifbar. Das ist insofern besonders schade, da der Film als solches – losgelöst von seinem Wahrheitsgehalt – nicht nur inszenatorisch eine Wucht ist, sondern auch mit ungewöhnlichen wie spektakulären Schauwerten aufzuwarten weiß. Wer sich also mit der teils offensiven Geschichtsverfremdung anfreunden kann, sollte hier durchaus einen Blick riskieren, zumal sowohl Felicity Jones als auch Eddie Redmayne einmal mehr zu brillieren wissen.

7,5 von 10 faszinierenden Entdeckungen oberhalb der Wolkendecke

The Aeronauts

  • Faszinierende Entdeckungen oberhalb der Wolkendecke - 7.5/10
    7.5/10

Fazit & Wertung:

Mit The Aeronauts tut sich Regisseur Tom Harper nicht unbedingt einen Gefallen, denn durch den Ansatz, einerseits eine geschichtlich verbriefte Geschichte erzählen zu wollen und andererseits teils gravierende Änderungen vorzunehmen, macht er sich und seinen Film in vielerlei Hinsicht kritisier- und angreifbar. Das ist insofern besonders schade, da der Film als solches – losgelöst von seinem Wahrheitsgehalt – nicht nur inszenatorisch eine Wucht ist, sondern auch mit ungewöhnlichen wie spektakulären Schauwerten aufzuwarten weiß. Wer sich also mit der teils offensiven Geschichtsverfremdung anfreunden kann, sollte hier durchaus einen Blick riskieren, zumal sowohl Felicity Jones als auch Eddie Redmayne einmal mehr zu brillieren wissen.

7.5/10
Leser-Wertung 0/10 (0 Stimmen)
Sende

The Aeronauts ist seit dem 20.12.19 exklusiv bei Amazon Prime Instant Video verfügbar.

vgw

Sharing is Caring:

Eine Reaktion

  1. Ulrike 26. Januar 2020

Hinterlasse einen Kommentar