Review: Der große Trip – Wild (Film)

Bei dem heute zu besprechenden Film verhält es sich übrigens so, dass ich bereits vor mehreren Jahren den passenden Rahmen gebastelt habe und tatsächlich habe ich es nun auch geschafft, mir den Film dazu anzusehen, um den Rahmen ein wenig mit Leben füllen zu können. Es gibt – das ist mittlerweile für mich erwiesen – einfach viel zu wenig Zeit für viel zu viele Filme.

Der große Trip
Wild

Wild, USA 2014, 115 Min.

Der große Trip - Wild | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Regisseur:
Jean-Marc Vallée
Autoren:
Nick Hornby (Drehbuch)
Cheryl Strayed (Buch-Vorlage)

Main-Cast:
Reese Witherspoon (Cheryl)
Laura Dern (Bobbi)
in weiteren Rollen:
Thomas Sadoski (Paul)
Keene McRae (Leif)
Michiel Huisman (Jonathan)

Genre:
Abenteuer | Biografie | Drama

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Der große Trip - Wild | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Cheryl Strayed hat schon vor langer Zeit ihre persönliche Talfahrt begonnen, die nun mit ihrer Scheidung von Ehemann Paul – nachdem sie ihn mehrfach betrogen hat – ihr vorläufiges Ende gefunden hat. Um ihr Leben, ihre schlechten Angewohnheiten, ihre Heroinsucht hinter sich zu lassen, entschließt sie sich zu einer Wanderung über den Pacific Crest Trail, um an der amerikanischen Westküste, allein in der Natur und fernab der Zivilisation, mit sich ins Reine zu kommen. Von ihren Erinnerungen verfolgt, beginnt die hinsichtlich dieser extremen Art des Wanderns gänzlich unerfahrene junge Frau ihren Trip, an dessen Ende sie sich eine Art Katharsis erhofft, die allerdings im Angesicht der zunehmenden Strapazen lange auf sich warten lässt, während Cheryl zunehmend an ihre physischen wie psychischen Grenzen stößt…

Rezension:

Derartige Selbstfindungs-Trips in die Natur haben eine lange Tradition im Film, ob es sich dabei nun um Sean Penns Into the Wild oder John Currans Spuren handelt, um nur zwei neuere Beispiele zu nennen, zu denen sich vor einigen Jahren eben auch Der große Trip – Wild gesellt hat. Ihnen allen ist gemein, dass sie auf – zumeist autobiografischen – Büchern basieren und natürlich bietet es sich geradezu an, eine derartige Konfrontation mit der eigenen und der umgebenden Natur ins bewegte Bild zu adaptieren, denn so blumig und virtuos ein Buch auch immer geschrieben sein mag, sprechen doch die weiten Landschaften – wie etwa hier des Pacific Crest Trail – für sich und gleichsam eine ganz eigene Sprache. Diesmal ist es Reese Witherspoon (Mud – Kein Ausweg) gewesen, die sich für eine derart strapaziöse und fordernde One-Woman-Show erboten hat und gleich in den ersten Minuten wird deutlich, dass sie für diesen "Trip" an ihre Grenzen zu gehen bereit ist. So überzeugt auch diese Adaption vorrangig und insbesondere durch die treffsichere Besetzung, denn schließlich obliegt es Witherspoon allein, weite Teile des Films – und gleichsam einen immens bepackten Rucksack – allein zu schultern.

Szenenbild aus Der große Trip - Wild | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Doch auch inszenatorisch hält Der große Trip – Wild einiges an Qualitäten bereit, denn wie mittlerweile üblich ist die beschwerliche und strapaziöse Reise durchwirkt von zahlreichen Rückblenden, die es dem Zuschauer ermöglichen, häppchenweise hinter die vermeintlich unbeirrte und lebensfrohe Fassade von Cheryl zu blicken, die in ihrem Leben – ob selbst- oder fremdverschuldet – schon einiges hat erdulden müssen, bis sie sich zu dieser Art Auszeit hat durchringen können, die sie mit sich selbst und ihrer Vergangenheit ins Reine bringen soll. Dabei folgt der Film von Jean-Marc Vallée – der im Jahr zuvor mit seinem Dallas Buyers Club für Aufsehen sorgte – inszenatorisch den üblichen Gesetzmäßigkeiten dieses Sub-Genres, vom anfänglichen Scheitern über sich steigernde Resignation bis hin zur letztendlichen Katharsis, so dass böse Zungen behaupten könnten, der Film käme etwas überraschungsarm daher, doch sorgen hier insbesondere die Einsprengsel aus Cheryls früherem Leben durchaus für den einen oder anderen Überraschungs-, oder auch Schock-Moment. Vor allem mag zwar der Aufbau des Ganzen zu erahnen sein, doch vermag der für das Drehbuch verantwortlich zeichnende Nick Hornby hier insbesondere im Dialog einiges an nuancierten Zwischentönen zu treffen, wodurch insbesondere, aber nicht nur die Beziehung von Cheryl zu ihrer Mutter Bobbi – großartig: Laura Dern (Marriage Story) – mehrfach in ein neues Licht gerückt wird.

So ist fernab der zumeist spektakulär gefilmten Landschaft oft weitaus faszinierender, was man über Hauptfigur Cheryl Strayed erfährt, auf deren Memoiren eben auch das Hornby’sche Drehbuch fußt und die eben nicht wirkt wie eine Hollywood-Erfindung, sondern wie ein echter Mensch nebst Ecken, Kanten und Fehlern, die sich auch kaum mit einem simplen Handstreich beiseite fegen ließen. Während Der große Trip – Wild im Herzen also weit mehr Charakterdrama ist als alles andere (was aber freilich für die meisten dieser Art Filme gilt), beginnt einen nicht nur die oftmals regelrecht unsympathische Hauptfigur trotz ihrer Verfehlungen ans Herz zu wachsen, sondern man findet – ebenso wie Cheryl – zunehmend Zugang zu den teils verschroben, sich aber stets kameradschaftlich unterstützenden Wanderern, die auch der unbedarften Cheryl mit ihrem übervollen Rucksack und dem falschen Schuhwerk bereitwillig Tipps und Hilfe anbieten. Dessen ungeachtet krankt aber auch Vallées Film wieder an den üblichen Stellen, denn ganz so, wie eine Reise in Etappen gemessen werden kann, wirken auch die Begegnungen am Wegesrand und die lauernden Gefahren oft wie notwendige, pflichtschuldig eingebaute Szenen, die das Gesamtwerk – zusammen mit den oft unverhofft über Cheryl hereinbrechenden Erinnerungen – oftmals fragmentarisch wirken lassen.

Szenenbild aus Der große Trip - Wild | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Mitunter größtes Problem dürfte aber weit eher sein, dass Der große Trip – Wild schlussendlich vergleichsweise unaufgeregt und unspektakulär zu Ende geht, was zwar dem wahren Leben entsprechen mag, im Kontext einer solch aufbereiteten Erzählung aber tatsächlich ein wenig unbefriedigend wirkt, zumal die finalen Szenen zwar schön und poetisch inszeniert sein mögen, von einer tieferen Wahrheit oder Erkenntnis aber doch eher weit entfernt sind. Da sind es dann am Ende doch weit eher die wunderschönen, aber eben auch oft gefährlichen Landschaften und das bravouröse Schauspiel von Reese Witherspoon, die einen den Film in guter Erinnerung behalten lassen und nicht so sehr der eigentliche Plot, der zwar mit vielen starken Momenten und eindringlichen Szenen aufwartet, aber eben in der Gesamtheit mehr aneinandergereiht als akribisch miteinander verknüpft wirkt.

Fazit & Wertung:

Jean-Marc Vallée gelingt es mit Der große Trip – Wild, seine Protagonistin Cheryl Strayed – auf deren Memoiren der Film fußt – zu einem einfühlsam und nuanciert inszenierten Selbstfindungs-Trip aufbrechen zu lassen, dem allerdings zum Ende hin ein wenig die Puste – und eine tiefergehende Botschaft – auszugehen droht. Nichtsdestotrotz ein wunderschön gefilmtes und beeindruckend gespieltes Drama mit einer Reese Witherspoon in Bestform.

7,5 von 10 Begegnungen am Wegesrand

Der große Trip – Wild

  • Begegnungen am Wegesrand - 7.5/10
    7.5/10

Fazit & Wertung:

Jean-Marc Vallée gelingt es mit Der große Trip – Wild, seine Protagonistin Cheryl Strayed – auf deren Memoiren der Film fußt – zu einem einfühlsam und nuanciert inszenierten Selbstfindungs-Trip aufbrechen zu lassen, dem allerdings zum Ende hin ein wenig die Puste – und eine tiefergehende Botschaft – auszugehen droht. Nichtsdestotrotz ein wunderschön gefilmtes und beeindruckend gespieltes Drama mit einer Reese Witherspoon in Bestform.

7.5/10
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Der große Trip – Wild ist am 21.05.15 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Twentieth Century Fox erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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