Review: The Sisters Brothers (Film)

Auch an Karfreitag bleibe ich die obligatorische Film-Rezension natürlich nicht schuldig und widme mich diesmal einem ungewöhnlichen Western, den ich nur empfehlen kann. Ansonsten kommt mir gut ins lange Wochenende und genießt die Zeit und das Wetter, auch wenn ansonsten alles ja gerade ein bisschen anders läuft als sonst, wie die meisten sicherlich speziell an diesem Wochenende wieder merken werden.

The Sisters Brothers

Les frères Sisters, FR/ES/RO/BE/USA 2018, 122 Min.

The Sisters Brothers | © LEONINE
© LEONINE

Regisseur:
Jacques Audiard
Autoren:
Jacques Audiard (Drehbuch)
Thomas Bidegain (Drehbuch)
Patrick DeWitt (Buch-Vorlage)

Main-Cast:
John C. Reilly (Eli Sisters)
Joaquin Phoenix (Charlie Sisters)
Jake Gyllenhaal (John Morris)
Riz Ahmed (Hermann Kermit Warm)
in weiteren Rollen:
Rutger Hauer (The Commodore)

Genre:
Krimi | Drama | Western

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus The Sisters Brothers | © LEONINE
© LEONINE

Im Oregon des Jahres 1851 verdingen sich die "Sisters Brothers" Eli und Charlie als Killer und Auftragsschergen für den mysteriösen Commodore und ungeachtet dessen, dass ihr letzter Job gehörig aus dem Ruder gelaufen ist, bekommen sie vom Commodore gleich ihren nächsten Auftrag, den Goldsucher Hermann Kermit Warm zu finden. Weil die Gebrüder Sisters aber jüngst so unzuverlässig gewesen sind, stellt er ihnen John Morris zur Seite, der bereits vorausgereist ist und sich an die Fersen der Zielperson zu heften gedenkt. Die Reise gestaltet sich für Eli und Charlie dann aber schwieriger als gedacht und von selbst erzeugten Widrigkeiten wie Elis exzessivem Alkoholkonsum über Fremdeinflüsse wie eine garstige Spinne, die Charlies Gesicht anschwellen lässt, ist alles dabei, während John Morris und Hermann Kermit Warm einige Tagesreisen voraus bereits Bekanntschaft geschlossen haben. Doch mit jedem neuen Hindernis und jedem neuen Rückschlag beginnt Charlie sich auch vermehrt zu fragen, ob dieses Leben im Dienst des Commodore für sie beide noch das richtige ist…

Rezension:

Selten habe ich mich so sehr (und so lange) auf einen Western-Film gefreut wie im Fall von The Sisters Brothers, allein schon deshalb, weil er mit einer unvergleichlichen Starbesetzung aufwartet und erste Einblicke vermuten ließen, dass man es mit einem hochgradig ungewöhnlichen, zuweilen aber auch überraschend humorigen Western zu tun bekommen würde. Beide Versprechen – das kann ich vorwegschicken – wurden letztlich eingelöst, auch wenn der trockene, manchmal flapsige, oftmals düstere Humor dann doch nicht so omnipräsent ist, wie ich es vermutet hätte, sondern lediglich als angenehmes Gegengewicht zum ansonsten propagierten Ernst und Fatalismus fungiert. Zudem unterstützt der Film ein weiteres Mal die These, dass die besten "amerikanischen Western" dieser Tage aus Europa kommen, derweil hier für die Inszenierung der französische Regisseur Jacques Audiard verantwortlich zeichnet, der mich vor gar nicht allzu langer Zeit noch mit Der Geschmack von Rost und Knochen zu begeistern gewusst hat. Und auch wenn man sich hier auf gänzlich unterschiedlichen Pfaden bewegt, lassen sich doch Parallelen in der Darbietung ausmachen, was sowohl den fatalistischen und ungeschönten Tenor des Ganzen betrifft, als auch für die Hauptfiguren gilt, die in ihrer Funktion als Auftragsmörder eigentlich weit davon entfernt sind, als Identifikationsfiguren und Sympathieträger zu fungieren.

Szenenbild aus The Sisters Brothers | © LEONINE
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Im Fall von The Sisters Brothers mag die gelungene Darbietung aber sicherlich auch mit der Literaturvorlage aus der Feder des Kanadiers Patrick Dewitt zusammenhängen, zumal wohl viele Dialogzeilen und Szenen direkt aus der Vorlage übernommen worden sind. Nichtsdestotrotz steht und fällt ein Film natürlich mit seiner Inszenierung und insbesondere dem Timing, wenn es um das Gelingen von insbesondere komischen Szenen geht und hier schon beweist Audiard reichlich Gespür – beziehungsweise Expertise –. den stets richtigen Ton zu treffen. Nichtsdestotrotz dürfte der Film mit seinen rund zwei Stunden Laufzeit vielen auch zu lang oder schleppend geraten sein, wenn man eben der irrigen Annahme anhängt, es hier mit einem klassischen Western der alten Schule zu tun zu bekommen, denn wer meint, die Zeit würde mit ausgiebigen Schießereien und Duellen, Pferde-Verfolgungsjagden und Kneipenschlägereien gefüllt werden, der sieht sich dahingehend verprellt, dass all das zwar vorkommen mag, aber nie Hauptaugenmerk für Audiard darstellt. So wird eine lebensbedrohliche Schießerei auch gerne mal gänzlich im Off abgehandelt, während die meisten der Auseinandersetzungen ohnehin mit einer Handvoll gezielter Schüsse zu einem schnellen Ende gebracht werden.

Im Zentrum steht derweil viel mehr das Spannungsgeflecht zwischen den beiden namensgebenden "Sisters Brothers", weshalb es sich eben um ein lupenreines Western-Drama handelt, wobei der Western auf die äußere Form, das Drama auf den Inhalt der Geschichte abstellt. Und hier brillieren dann eben John. C. Reilly (Der Gott des Gemetzels) einerseits als Charlie, Joaquin Phoenix (A Beautiful Day) andererseits als Eli Sisters, die sich unähnlicher kaum sein könnten, die aber nicht nur ihre Blutsbande eint. Beide sind derweil weit davon entfernt, dem Typus des wortkargen Westernhelden zu entsprechen, wobei sie die meiste Zeit mit ihrer Geschwätzigkeit kaum Nennenswertes zu erzählen haben. Das ändert sich erst langsam, wenn die Themen und Gespräche ernsthafter werden, das gesetzt geltende Verhältnis zwischen den Brüdern mehrfach strapaziert und auf Proben gestellt wird, während sich eben ausgerechnet dieser Auftrag für den Commodore als Scheideweg in ihrer beider Leben zu entpuppen beginnt. Allein aus den Reisen und Begegnungen der "Sisters Brothers" hätte man locker einen abendfüllenden Film machen können, doch im ersten Drittel wird deren Reise zudem noch unterbrochen von Einsprengseln des äußerst eloquenten John Morris, wie immer bravourös verkörpert von Jake Gyllenhaal (Stronger), der sich eben – gleichermaßen im Auftrag des Commodore – mit Zielperson Warm (Riz Ahmed, Venom) bekannt macht, um dessen Vertrauen zu gewinnen.

Szenenbild aus The Sisters Brothers | © LEONINE
© LEONINE

Dabei setzt der Film im weiteren Verlauf oft unerwartete Schwerpunkte und bietet gleichsam viele Wendungen, was sowohl die Figurenkonstellation als auch den geschichtlichen Fortgang betrifft, das – wenn man eben keine minutenlangen Revolver-Duelle erwartet – keinerlei Langeweile aufkommen lässt und bis zuletzt unterhält und berührt, denn im Kern der Sache geht es eben um The Sisters Brothers und die werden einem hier in aller Ruppigkeit, mit ihren geheimen Wünschen und Ängsten und nicht zuletzt einer kindlich-naiven Freude gezeigt, wenn sie beispielsweise das erste Mal Bekanntschaft mit den Errungenschaften der modernen Zivilisation machen und das Zähneputzen für sich entdecken oder über eine Toilette mit Spülung staunen. Obwohl der Film als solches und in Summe aber durchweg überzeugt, hätte ich mir zuweilen noch ein wenig mehr Schlagkraft gewünscht, was sich hier mehr auf die Figuren als auf ein Mehr an Action bezieht. So mag es der Verschlossenheit der Figuren geschuldet sein oder auch dem konsequenten Unterwandern der Erwartungshaltung des Zuschauers, doch fehlt hier noch das letzte Quäntchen, um aus Audiards neuesten Werk eine wirklich überragende Produktion zu machen, was aber mitnichten heißen soll, dass der Film schlecht oder nicht uneingeschränkt empfehlenswert wäre.

Fazit & Wertung:

Mit The Sisters Brothers liefert Jacques Audiard einen nicht nur inszenatorisch und dramaturgisch einzigartigen und unerwarteten Western ab, sondern kann sich auch voll und ganz auf sein ausgesuchtes Ensemble verlassen, das seine jeweilige Rolle mit Bravour zu meistern versteht. Drama, Fatalismus und Humor geben sich hier die Klinke in die Hand und wer sich von der Erwartungshaltung freimacht, einen handelsüblichen Western kredenzt zu bekommen, wird stattdessen mit einem hochgradig ungewöhnlichen und berührenden Film belohnt.

8 von 10 Stationen einer Reise

The Sisters Brothers

  • Stationen einer Reise - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Mit The Sisters Brothers liefert Jacques Audiard einen nicht nur inszenatorisch und dramaturgisch einzigartigen und unerwarteten Western ab, sondern kann sich auch voll und ganz auf sein ausgesuchtes Ensemble verlassen, das seine jeweilige Rolle mit Bravour zu meistern versteht. Drama, Fatalismus und Humor geben sich hier die Klinke in die Hand und wer sich von der Erwartungshaltung freimacht, einen handelsüblichen Western kredenzt zu bekommen, wird stattdessen mit einem hochgradig ungewöhnlichen und berührenden Film belohnt.

8.0/10
Leser-Wertung 7/10 (1 Stimmen)
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The Sisters Brothers ist am 26.07.19 auf DVD und Blu-ray bei LEONINE erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

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vgw

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