Review: Exodus 9414 – Der dunkelste Tag | Thariot (Buch)

Wir bleiben der Science-Fiction literarisch auch in dieser Woche treu und so widme ich mich heute dem zweiten Band der Exodus-Dilogie von Thariot.

Exodus 9414
Der dunkelste Tag

Exodus 9414, DE 2020, 384 Seiten

Exodus 9414 – Der dunkelste Tag von Thariot | © FISCHER Tor
© FISCHER Tor

Autor:
Thariot
Übersetzer:
Originalausgabe; entfällt

Verlag (D):
FISCHER Tor
ISBN:
978-3-596-70038-7

Genre:
Science-Fiction | Mystery | Thriller

 

Inhalt:

Die Vorstellung, einen 6740 Jahre alten Mann zu küssen, störte Jazmin nicht, sie war nur drei Jahre jünger. Ihr biblisch hohes Alter war dabei nur eine grobe Näherung, Mutter, ihrer Bord-KI, fehlten passende Referenzen, um die genaue Zeit zu bestimmen. Also hatte Jazmin vorerst festgelegt, im Jahr 9414 zu leben.

Im Jahre 2720 wurden zwei immense Generationenschiffe – die USS London sowie die USS Boston von der Erde aus in die Weiten des Alls entsandt, um das entfernte Alderamin-System zu erreichen. An Bord zwei der Kinder von Visionär Harper, einerseits Jazmin, die als Schiffs-Ärztin auf der USS London fungiert, andererseits Physiker und Navigator Maximilian auf der USS Boston. Die Erdbevölkerung ahnt freilich nichts von den Problemen, die sich während der Reise ergeben haben und so befindet sich die USS London mittlerweile im Jahre 9414, derweil von der Besatzung lediglich noch Jazmin und der Techniker Denis Jagberg am Leben sind. Besser ergeht es da der USS Boston, die dank Max‘ unvergleichlichem Talent als Navigator mit "nur" 200 Jahren Verspätung im Jahr 3075 den Planeten Cygnus erreicht. Die Ankunft allerdings gestaltet sich anders als erwartet und so haben beide Harper-Geschwister auf unterschiedlichen Zeitebenen damit zu kämpfen, ihr eigenes Überleben zu sichern…

Rezension:

Nicht einmal ein Jahr ist es her, dass ich mich mit Exodus 2727 dem ersten Band dieser Dilogie gewidmet habe (auch wenn ich da noch nicht wusste, dass ein zweiter Roman folgen würde) und schon geht es wieder in die weit – diesmal noch weiter – entfernte Zukunft. Nachdem bereits einiges an Mysterien und Geheimnissen aufgedeckt worden ist, blieb natürlich zunächst einmal die spannende Frage, wie und womit es nun in Exodus 9414 – Der dunkelste Tag weitergehen würde, zumal die verbliebenen Protagonisten Jazmin und Denis ja nun mehrere Jahrtausende von ihrem Ausgangspunkt trennen. Entsprechend spielt erfreulicherweise die dem Start der Schiffe vorgelagerte Story auf der Erde keine Rolle mehr (die für mich den ersten Band öfter ausgebremst hat, als ihm zu nützen), während man stattdessen nun mehr über die USS Boston und Maximilian Harper erfährt, die bislang nur kurz Erwähnung gefunden haben. Auch dieses Schiff aber hat so seine Probleme gehabt, auf Kurs zu bleiben, trifft aber wenigstens – wenn auch mit reichlich Verspätung – am Zielort ein.

Es gab ultraheiße Gase, ähnlich schnelle Partikel, Meteoriten und gravitative Schlaglöcher, in der Größe des heimischen Sonnensystems. Von jedem Punkt im Universum sah der Rest völlig anders aus. Deshalb waren die Sternenkarten von der Erde nicht zu gebrauchen. Gravitation änderte alles. Ein Lichtstrahl, den ein entferntes Sonnensystem zur Erde entsandte, wurde durch andere Systeme, Schwarze Löcher und die enormen Entfernungen derart gekrümmt, dass er eher einer verknoteten Schlange glich.

Eine dritte Erzählebene entspinnt sich derweil um die Historikerin und Buchautorin Isabella MacFadden, die als eine von gerade mal vier BewohnerInnen auf der Insel Gozo residiert. Wenn auch nicht sofort klar sein mag, wie sich dieser Handlungsstrang mit dem Rest verbinden wird, ist das von Autor Thariot geschilderte Leben auf der Erde im Jahr 3075 aber vom ersten Moment an ungemein spannend, derweil man zumindest ein wenig über das Schicksal von Atticus Finch Harper erfährt, der hier ansonsten aber keine Rolle mehr spielt, weil er natürlich schon vor mehreren Jahrhunderten verstorben ist. Zunächst einmal dürfte man als Leser aber freilich am Schicksal von Jazmin und Denis interessiert sein, die man nach einem mehr als denkwürdigen Cliffhanger zurückgelassen hat, was die Offenbarung angeht, wo – im Sinne von "wann" – sie sich befinden. Und nach kurzem Prolog geraten die ohnehin als verschollen Geltenden prompt vom Regen in die Traufe, bevor uns Thariot mit Maximilian bekannt macht. Schön auch, wie sich die USS Boston als exaktes Spiegelbild der nunmehr bekannten USS London präsentiert, so dass dort die zentrale KI von allen "Vater" genannt wird.

Und wer den ersten Band kennt, wovon auszugehen ist, wenn man sich Exodus 9414 widmen möchte, hat natürlich einen Wissensvorsprung, was Wesen, Ursprung und Bedeutung dieser KI anbelangt. Was Jazmin – ebenfalls im Vorgänger – über sich selbst erfahren musste, steht nun freilich in abgewandelter Form auch Max noch bevor, den man ebenso im Unklaren gelassen hat. Dadurch, dass vieles an Geheimnissen bereits gelüftet ist, geht dem Nachfolgeband natürlich einiges an Mystery-Flair verloren, doch durch den steten Wechsel der Zeitebenen und die letzthin gelungene Verknüpfung der einzelnen Handlungsstränge wartet der Band dann doch mit genügend Faszinierendem auf, um die knapp vierhundert Seiten wie im Fluge vergehen zu lassen. Stattdessen nutzt Thariot nämlich die fortschreitende Handlung, die Frage zu erörtern, ab wann ein künstliches Wesen oder ein Hybrid als Mensch gelten darf, nutzt Konzepte wie Zeitdilatation und Raumkrümmung und inszeniert teils atemberaubende Manöver an Bord USS London, während die Handlung weiterhin mit einem gelungenen Mix aus actionreichen Szenen und ruhigen, reflexiven Momenten besticht.

»Jaz, Denis, ich habe eine animierte Ansicht erstellt, um euch einen besseren Überblick zu verschaffen.« Mutter zeigte auf das stark verkleinerte holographische Modell des Bugs der USS London. Inmitten des ausgegrauten Rumpfs waren die Sektoren rot markiert, die bei dem Einschlag beschädigt wurden. Man konnte auch den Eindringling sehen, an der Kapsel tat sich nichts. Ansonsten zeigte die in der Mitte der Brücke schwebende Ansicht Denis’ Position, die weiterer Drohnen und Jazmin, die sich ebenfalls im vorderen Schiffsteil befand.

Die technischen Schilderungen derweil sind glaubhaft, vor allem aber auch für Laien verständlich, so dass sich niemand abgeschreckt fühlen braucht, auch wenn ich mir zeitweise noch etwas mehr Details gewünscht hätte. Dafür aber, sehr zum Vorteil für Humor und Unterhaltungswert, bekommen auch die von Denis kontrollierten Drohnen – inklusive R2 und D2 – wieder einiges zu tun und haben noch einmal merklich an Bedeutung und Charakter gewonnen. Noch überraschender aber gestaltet sich ganz grundsätzlich der Plot um Maximilian Harper, denn der gerät prompt in eine gänzlich fremde Welt und muss erst einmal lernen, wie viel sich in den zweihundert Jahren Verspätung geändert hat. Auch hier hätte Thariot gerne noch mehr ins Detail gehen können, was einerseits den Konzern Harper-Mckinney angeht, andererseits den Planeten Cygnus, von dem man im Grunde nichts erfährt. Dessen ungeachtet aber hat mir summa summarum Exodus 9414 noch eine Spur besser gefallen als Exodus 2727, denn auch wenn ich dort den Mystery-Krimi-Anstrich sehr mochte, wirkt hier das Geschehen doch ein wenig kompakter und kohärenter. Die vorherrschenden Themen mögen dieselben sein, werden aber dem Gefühl nach ausgiebiger behandelt und gehen mehr in die Tiefe, während Thariot sich hier mit der Action ein wenig mehr zurückhält, was insbesondere dem letzten Drittel gut zu Gesicht steht, was mir beim Vorgänger zu reißerisch geraten war. Schön auch die Art von Happy End, die der Autor nach der Jahrtausende währenden Odyssee für Jazmin zu kreieren gewusst hat, das zwar schnell konstruiert hätte wirken können, um Kontext dessen, was einem während der Geschichte begegnet, aber absolut glaubhaft und stimmig geraten ist.

Fazit & Wertung:

Thariot kredenzt mit Exodus 9414 – Der dunkelste Tag einen mehr als überzeugenden Nachfolger zu Exodus 2727 und führt nicht nur die Geschichte von Jazmin Harper und deren Gefährten Denis Jagberg stimmig und spannend fort, sondern schweigt sich auch nicht länger darüber aus, wie es dem anderen Generationenschiff ergangen sein mag. Daraus ergibt sich eine wendungsreiche Geschichte auf zwei Zeitebenen, die aufs Gelungenste miteinander verwoben werden.

8 von 10 unerklärlichen Begebenheiten an Bord

Exodus 9414 – Der dunkelste Tag

  • Unerklärliche Begebenheiten an Bord - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Thariot kredenzt mit Exodus 9414 – Der dunkelste Tag einen mehr als überzeugenden Nachfolger zu Exodus 2727 und führt nicht nur die Geschichte von Jazmin Harper und deren Gefährten Denis Jagberg stimmig und spannend fort, sondern schweigt sich auch nicht länger darüber aus, wie es dem anderen Generationenschiff ergangen sein mag. Daraus ergibt sich eine wendungsreiche Geschichte auf zwei Zeitebenen, die aufs Gelungenste miteinander verwoben werden.

8.0/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von FISCHER Tor.

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Exodus 9414 – Der dunkelste Tag ist am 26.08.2020 bei FISCHER Tor erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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